OpenSource vorgestellt: Tomboy Notes
Der Hintergrund
Tomboy ist eine Notizsoftware, die nach dem Prinzip der Sticky Notes funktioniert und unter Windows, MacOS und Linux lauffähig ist. Ursprünglich stammt sie direkt aus dem Kern des Gnome-Projekts, zu dem sie auch immer noch gehört, wurde beim klassischen Gnome-Desktop unter Linux aber immer mehr vom eigenen Fork Gnote verdrängt, der allerdings nur unter Linux existiert. Der Grund für diese Abspaltung waren vor allem die Befürworter freier Software, die sich gegen einen Nachbau von patentierten Microsoft-Technologien aussprachen. Während Tomboy auf Teile des von Microsoft und Xamarin unterstützten Mono-Projekts aufbaut, ist Gnote eine vollständige Portierung von Tomboy ohne diese Abhängigkeiten. Nichtsdestotrotz wird Tomboy immer noch sehr intensiv weiterentwickelt, auch wenn der Fokus hier mittlerweile eher auf Stabilität und Bugfixes gelegt wurde und neue Feature keine so große Rolle mehr spielen.
Die Alternativen
Notizsoftware und -dienste gibt es bekanntlich wie Sand am Meer, aber bricht man das Ganze dann mal auf das Konzept der Sticky Notes herunter, macht sich die Konkurrenz sehr schnell rar. Neben Google Keep und Microsofts Lösungen, die in Windows fest integriert sind, gibt es eigentlich nur noch die klassische Freeware Stickies, die einen einigermaßen vergleichbaren Funktionsumfang besitzt. Wer lieber eine Universal App nutzen möchte, kann es mit Flat Notes probieren, muss dann aber auf einige Funktionen verzichten, die Tomboy selbst bietet.
Die Installation
Tomboy bringt zwei Abhängigkeiten mit, die installiert werden müssen, bevor die eigentliche Software folgt. Zunächst muss GTK# für .Net installiert werden, welches vom Mono-Projekt betreut wird und von deren Seite heruntergeladen werden kann. An dieser Stelle möchte ich euch empfehlen, diese Erweiterung grundsätzlich immer von Hand zu installieren. Es gibt GTK-basierte Vertreter, die es im Installer mitbringen, allerdings handelt es sich dabei meistens nicht um die aktuellste Version. Deswegen ist hier eine händische Installation eindeutig besser.
Die zweite Abhängigkeit ist die GTK2-Runtime und bildet gleichzeitig auch mit den größten Kritikpunkt, den ich an Tomboy habe. Während Tomboy gut gepflegt und GTK# immer noch weiterentwickelt wird, ist diese Runtime auf der Version 2.24.10 stehen geblieben. Zum Vergleich: Das Gnome-Projekt hat mittlerweile mit der Entwicklung von GTK4 angefangen. Die aktuelle Version der Windows-Portierung stammt vom 10.10.2012 und ist damit mittlerweile über 4 Jahre alt. Das verursacht zwar keine Kompatibilitätsprobleme unter Windows 10, ist aber in Sachen ernsthafter Weiterentwicklung seitens des eigentlichen Gnome-Projekts ein Armutszeugnis. Wen das nicht stört, kann hinterher ganz normal Tomboy installieren.
Die Funktionsweise
Sobald Tomboy gestartet wurde, nistet er sich bei euch im Systemtray ein und läuft dort fortan ressourcenschonend im Hintergrund. Klickt ihr mit der linken Maustaste auf das entsprechende Icon, habt ihr Zugriff auf eure Notizen und eure Notizbücher, die ihr beide jeweils direkt anwählen könnt. Ein Rechtsklick erlaubt euch unter anderem den Zugriff auf die Einstellungen. Ansonsten bilden in Tomboy zwei Teile den eigentlichen Kern: der Editor und die Verwaltung.
Der Editor erlaubt euch neben den klassischen Einstellungen, wie die Notizen aussehen sollen, auch verschiedene Zusatzfunktionen. Notizen können gedruckt (auch als PDF, wenn ihr den entsprechenden Service in Windows oder etwas Vergleichbares nutzt) oder als HTML exportiert werden. Des weiteren ist es auch möglich, einzelne Notizen miteinander zu verlinken. Klickt ihr dann auf einen entsprechenden Begriff, wird die zugehörige Notiz geöffnet. Mit einem Klick per Mitteltaste, wenn eure Maus denn eine hat, könnt ihr außerdem Text aus der Zwischenablage direkt in Tomboy einfügen. Die große Stärke von Tomboy ist aber seine Synchronisation. Diese könnt ihr direkt aus dem Editor heraus starten und sie auf zwei Weisen nutzen: per Tomboy Web (wofür ihr aber einen eigenen Webserver braucht, was erfahrungsgemäß ein ziemliches Gefrickel sein kann) oder über einen lokalen Ordner. Lokal bedeutet in diesem Fall aber auch, dass ihr das entsprechende Verzeichnis in einen Ordner packen könnt, der über die Cloud, euer NAS oder etwas Vergleichbares synchronisiert wird. Möchtet ihr euch das Leben auch im Bezug auf Linux besonders einfach machen, würde ich hier ganz klar zu Dropbox tendieren. Hier habt ihr einfach den Vorteil, dass es für alle drei Systeme einen vernünftigen Sync-Client gibt und ihr unter Windows 10 ggf. auch noch auf eine Universal App zurückgreifen könnt.
Die Verwaltung erlaubt euch vor allem, die einzelnen Notizbücher zu verwalten und diese oder alle Notizen zur durchsuchen. Die Suche gewinnt dabei ganz sicher nicht den Nobelpreis für Innovation, aber sie ist immerhin solide und treffsicher, wenn ihr eure Notizen gut benennt. Ansonsten gibt es noch ein paar wenige Zusatzfunktionen, die Tomboy dann rund machen. Dazu gehören eine Rechtschreibprüfung, definierbare Hotkeys, das Ändern des Standardfonts oder der Umgang mit bestimmten Listen.
Persönliche Erfahrung und Fazit
Tomboy gehört mittlerweile zu den ältesten Programmen, die bei mir immer noch im Einsatz sind. Der Grund, warum er überhaupt bei mir landen konnte, waren tatsächlich Microsofts Kurznotizen. Die alte Variante konnte ich nie sonderlich gut leiden und auch die neue Universal App ist mir viel zu rudimentär. Mittlerweile ist es bei mir aber auch so, dass die Cloud eine wesentlich größere Rolle bei mir spielt und sich die Aufgabengebiete, in denen ich Tomboy noch benutze, entsprechend ausgedünnt haben. Für die klassischen To-Dos funktioniert für mich das Konzept der Sticky Notes zwar immer noch am Besten, große Teile davon hat aber Google Keep übernommen. Wenn es aber um schnelle und knackige Notizen geht, die unmittelbar erledigt werden sollen, ist Tomboy für mich immer noch ein zentraler Bestandteil meines “Teams”.
Wirklich kritisieren kann ich an Tomboy nur zwei Dinge. Der wesentlich größere Punkt ist dabei die GTK2-Runtime. Ich kann absolut nicht verstehen, warum die Entwickler als eine der Letzten es nicht schaffen, sich von dieser externen Runtime zu lösen. Andere bekannte Vertreter wie GIMP oder Pidgin, die ihr auch kennt, haben das schon lange, und es liegt auch nicht an GTK#, dafür habe ich den besten Beweis hier auf der Platte. Der andere Punkt ist das Design. Normalerweise soll man ja auch bei einer Software nicht nach den Äußerlichkeiten gehen, aber ich bin bis auf ganz wenige Ausnahmen, wovon Tomboy eine ist, kein Fan von GTK-Apps unter Windows. Wenn ich mir die GUIs immer anschaue, denke ich mir, dass Windows 2000 aus der Gruft bei mir anklopft und sich mit Cliparts als Icons für mich schön gemacht hat. Wenn ich im Vergleich dazu die Qt-basierten Apps wie zum Beispiel VLC anschaue, finde ich das nicht gerade modern, was die GTK-Entwickler unter Windows da abliefern.
Für wen ist Tomboy nun also?
Wenn ihr hauptsächlich mit einem Desktop-OS arbeitet, ihr ein paar mehr Funktionen haben möchtet, euch aber auch vor allem euer Datenschutz sowie Flexibilität und Unabhängigkeit im Bereich der Synchronisation, wenn ihr sie denn braucht, wichtig ist, solltet ihr Tomboy eine Chance geben. Er mag etwas antik aussehen, aber er hat mich in all den Jahren nie enttäuscht oder im Stich gelassen. Die kleine Kröte dabei ist, wie bereits erwähnt, die GTK2-Runtime. Habt ihr damit kein allzu großes Problem, bekommt ihr mit Tomboy wirklich einen guten Begleiter.
Thema:
- Software
Über den Autor
Kevin Kozuszek
Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und der Entwicklerplattform zu berichten hat. Regelmäßige News zu Mozilla und meinem digitalen Alltag sind auch dabei.