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Gute Ideen schlecht kopiert: Warum Facebook Home nur eine Krücke ist

Ein paar persönliche Anmerkungen zu Facebook-Home – wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auch für Anti-Facebooker interessant.
Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen, sagte Mark Zuckerberg am Donnerstag bei der Präsentation von Facebook Home. Smartphones sollten sich nicht um Apps, sondern um den Nutzer drehen. Gut aufgepasst, Herr Zuckerberg – damit greifen Sie das Motto „Put People first!“ auf, den Leitsatz von Microsoft bei der Entwicklung von Windows Phone. Das Windows Phone Team war daher um einen schnellen Glückwunsch per Twitter nicht verlegen:

Doch nicht nur der Slogan, auch das Konzept hinter Facebook Home ist eine freundliche Leihgabe aus Redmond. Facebooks Tunnelblick auf die eigenen Interessen verhindert dann allerdings, dass aus der guten Idee ein gutes Produkt werden kann.

Der Ansatz ist genau richtig: Man will nicht erst eine App starten müssen, um zu wissen, was um einen herum so geschieht. Der vernetzte Mensch von Heute möchte wissen, was passiert, wenn es passiert. Darum wird das soziale Netzwerk mit Facebook Home auf dem Smartphone omnipräsent – es klinkt sich in Sperrbildschirm und alle laufenden Apps ein, kontrolliert sogar den Zugriff auf die anderen Apps. Mit Facebook Home wird ein Android-Phone quasi zur Besatzungszone. Nichts passiert auf diesem Gerät mehr, ohne dass das weiße f auf blauem Grund etwas davon mitbekommt.

Das sei möglich, freut sich Zuckerberg, weil Android so wunderbar offen ist. Böse Zungen ergänzen: ‚nicht nur offen, sondern auch nicht ganz dicht‘. Ich frage mich: Würde ich ein System nutzen wollen, welches durch eine simple App – nichts anderes ist Facebook Home nämlich immer noch – vollkommen unter fremde Kontrolle gerät? Nein, würde ich ganz bestimmt nicht. Alles, was Facebook Home offensichtlich tut, könnte jede andere App auch heimlich erledigen – nur mal so als kleiner Denkanstoß, was das so herrlich offene Android alles kann.

Darum werden wir Facebook Home auch garantiert nie auf Windows Phone und ziemlich sicher auch niemals auf dem iPhone sehen. Weder Apple noch Microsoft werden diesen Unsinn unterstützen – hoffe ich jedenfalls.
Unter Windows Phone braucht man so etwas auch erst gar nicht – eine bessere Lösung bringt das System nämlich schon von Haus aus mit. Facebook Home hat den Nutzern logischerweise nichts anderes zu bieten als Facebook. Dabei gibt es ja durchaus noch andere Möglichkeiten, mit Menschen zu kommunizieren. Da wären Twitter, WhatsApp, E-Mail oder die gute als SMS, nur um ein paar Beispiele zu nennen. Oft hat man mit Menschen ja über mehrere Kanäle Kontakt. Wie wäre es denn, wenn es eine App gäbe, die all das zusammenfasst? Wo alle Infos sofort griffbereit sind und die Frage, woher diese Information letztlich kommt, fast nebensächlich wird?
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Au weia, was hat Microsoft dem Martin jetzt schon wieder versprochen, damit er das schreibt? Tja, leider gar nichts – ich hätte mir ja gerne was dafür schenken lassen, dass ich schreibe, wovon ich ohnehin überzeugt bin: Bei Windows Phone dreht es sich nämlich wirklich um den Nutzer, und nicht um irgendwelche Apps.
Ich möchte wissen, ob es von meinem Kumpel Holger was Neues gibt? Dann muss ich nicht lange suchen – denn wenn es etwas gibt, dann finde ich es dort, wo es auch hin gehört: In meinem Adressbuch, in Windows Phone neudeutsch „People Hub“ genannt. Ich öffne also den Kontakt Holger und schaue nach: Egal, ob er etwas auf Facebook gepostet oder getwittert hat, ob ich eine E-Mail oder SMS von ihm erhalten habe – alles, inklusive der Historie, finde ich hier. Ich muss nicht erst vier oder fünf verschiedene Apps starten, damit ich auch wirklich nichts verpasse.
Oder möchte ich ganz allgemein wissen, was die Welt mir mitzuteilen hat? Dafür habe ich auf meinem Startbildschirm die Kachel ‚Ich‘, die alle diese Informationen für mich aus allen verbundenen Diensten aggregiert – und dabei steht die Information im Vordergrund und nicht der Weg, über den sie zu mir findet.
Und last but not least: Habe ich der Welt selbst etwas mitzuteilen, dann schreibe ich meine Nachricht – und entscheide erst dann, in welchen Kommunikationskanal ich diese einkippen will. Wenn es sein muss, kann ich auch mehrere gleichzeitig auswählen.
Ich nutze also nicht irgendwelche Apps, sondern in erster Linie mein Smartphone. Genau so stelle ich mir das vor, und darum kommt für mich derzeit auch nichts anderes als Windows Phone in Frage. Wenn die Konkurrenz ihre konzeptionellen Schwächen in dieser Disziplin irgendwann aufgearbeitet hat, könnte sich das vielleicht ändern. Im Moment sieht es aber nicht danach aus.
Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, die Frage von weiter oben umzudrehen und zu fragen: „Würde ich ein System nutzen wollen, dass all die Schnittstellen zu potenziellen Datenschnüfflern schon fest eingebaut hat?“, tue ich das gleich selbst.
Berechtigter Einwand – da kommen wir zu dem Punkt, der glücklicherweise über alle mobilen Systeme hinweg weiterhin gültig bleibt: Alles basiert auf Freiwilligkeit. Ich entscheide, welche Dienste ich nutze, welche Konten ich auf meinem Smartphone einrichte – und natürlich auch, welche Apps ich mir installiere. Insofern haben wir es selbst in der Hand, in welche „Gefahr“ wir uns begeben.

Ich fühle mich bei dem Hersteller, dem man vermutlich so genau auf die Finger schaut wie sonst keinem in dieser immer kleiner werdenden Welt, bestens aufgehoben.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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