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Windows 8.1: Bereit für den Durchbruch auf dem Desktop?

Mit Feuereifer strickt Microsoft an Windows 8.1, damit es gemäß dem eigenen Zeitplan Ende August fertig wird. Nach wie vor liegt der Fokus bei der Entwicklung darauf, Windows auf touchfähigen Notebooks und Tablets besser bedienbar zu machen, das zeigen zum Beispiel die gegenüber Windows 8 deutlich erweiterten PC-Einstellungen.
Für Touch vielleicht ganz gut – für den Desktop aber nicht zu gebrauchen, so lautete das vernichtende Urteil vieler Nutzer über Windows 8. Darauf hat Microsoft reagiert und in Windows 8.1 einige Änderungen vorgenommen, die Desktop-Nutzern entgegen kommen. Aber wird das reichen, um deren Begeisterung zu wecken?

Ich versuche dieser Frage im Folgenden nachzugehen, aber ich muss gleich vorweg schicken, dass ich eigentlich der falsche Mann dafür bin. Denn ich gehöre zu denen, die auch schon mit Windows 8 auf dem Desktop wunderbar klar kommen. Ich werde dennoch versuchen, mal einen Schritt neben mich zu treten und einen unvoreingenommenen Blick auf Windows 8.1 zu werfen. Ist viel Text, aber ist ja auch kein so einfaches Thema.

Was waren/sind die Haupt-Kritikpunkte an Windows 8?

  • kein Startbutton
  • kein klassisches Startmenü
  • störende Ecken-Animationen
  • Kachel-Bildschirm statt Desktop beim Systemstart
  • Wechsel zwischen Desktop und Kachel-Oberfläche verwirrend
  • umständliche Bedienung mit Maus und Tastatur
  • keine wirklich hilfreichen Apps für den Desktop
  • (sanfter) Cloud-Zwang durch Microsoft-Account

Startbutton und Startmenü
Mit Windows 8.1 kommt der von Vielen so schmerzlich vermisste Startbutton wieder zurück. Allerdings tut er nicht das, was quasi Alle, die ihn sich zurück gewünscht haben, auch erwartet hätten: Das bis Windows 7 gewohnte Startmenü gibt es auch unter Windows 8.1 nicht, aber das Verhalten des Startbuttons lässt sich anpassen. Wie das geht, habe ich in diesem Artikel beschrieben.
Ob das den Startmenü-Zurückwünschern weit genug entgegen kommt?
In einer ersten Reaktion habe ich das verneint, allerdings ist es seither sehr ruhig um das Thema geworden. Ob das jetzt daran liegt, dass die Leute besser damit zurecht kommen, oder ob das Interesse an Windows 8.1 bisher einfach zu gering ist, als dass dies ein Thema sein könnte, vermag ich nicht zu sagen.
Festzuhalten bleibt unter dem Strich: Wer ein klassisches Startmenü braucht, der muss auf Windows 8.1 verzichten oder sich eines der inzwischen zahlreich erhältlichen alternativen Tools installieren.
Aber eben weil es diese gibt, werte ich diesen Punkt ganz frech neutral.
Das fehlende Startmenü spricht nicht gegen Windows 8.1, weil man es leicht nachrüsten kann.

störende Ecken-Animationen
Ja, ich gebe zu: Es gibt Dinge, die auch mich an Windows 8 nerven. Und dazu gehört zum Beispiel die meist ungewollt aufpoppende CharmBar oder die Liste der offenen Apps, wenn ich mit der Maus in die linke oder rechte obere Ecke fahre, um ein Programm zu schließen oder dessen Menü aufzurufen.
Das konnte man mit entsprechenden Tools beheben, in Windows 8.1 ist eine entsprechende Einstellung aber bereits fest eingebaut – Anleitung dazu siehe hier.
Da hiermit ein Nerv-Faktor von Windows 8 entfällt, darf man das als Pluspunkt für Windows 8.1 werten.

Kachel-Bildschirm statt Desktop beim Systemstart
Aus alter Gewohnheit ist es für viele Leute einfach wichtig, beim Systemstart direkt zum Desktop zu gelangen und den neuen Startbildschirm nicht sehen zu müssen, darum empfanden sie das Standard-Verhalten von Windows 8 als störend. Auch das hat Microsoft nun als optionale Einstellung in Windows 8.1 integriert – auf Wunsch startet Windows 8.1 direkt zum Desktop.
Also noch ein Pluspunkt. Wer aber jetzt schon Angst bekommt, es könnte zu einseitig werden, bitte weiter lesen.

Wechsel zwischen Desktop und Kachel-Oberfläche verwirrend
Es gibt Nutzer, welche die Kacheloptik in Windows 8 einfach hässlich finden. Es gibt aber auch diejenigen, für die das ständige Hin und Her zwischen dem Desktop und klassischen Programmen und dem (Metro-)Design von Windows 8 ein zu starker Bruch ist, der dazu führt, dass es sich einfach ‘hakelig’ anfühlt, mit Windows 8 zu arbeiten.
Das kann ich auch als überzeugter Windows 8 Nutzer nachvollziehen, und Windows 8.1 bringt hier keine entscheidende Wende. Diese Baustelle bleibt offen, weil sie sich vermutlich niemals schließen lässt, daher vergebe ich an dieser Stelle einen Minuspunkt.
Gleichwohl muss man anerkennen, dass es ein paar kleinere Änderungen gibt, denen ich ihre Wirkung vorher gar nicht zugetraut hätte. Benutzt man beispielsweise den Desktop-Hintergrund auch für den Startbildschirm, ist der Übergang zu diesem in der Tat deutlich ‘weicher’.

umständliche Bedienung mit Maus und Tastatur
Diesen Punkt muss man klar trennen. Die oben beschriebenen Änderungen in Windows 8.1 führen dazu, dass bei der Mausbedienung weniger Unfälle passieren, wie z.B. das ungewollte Auslösen der Charm Bar. Und so lange man sich auf dem Desktop bewegt, ändert sich z.B. gegenüber Windows 7 ja eigentlich gar nichts.
Bei den Apps ist ein deutliches Bemühen seitens Microsoft zu erkennen, diese auch mit der Maus besser bedienbar zu machen, in dem zum Beispiel Suchfelder direkt im sichtbaren Bereich eingeblendet werden.
So ärgerlich es war, wenn einem die Charm Bar ungewollt vor den Mauszeiger hüpfte, so umständlich war es auch mitunter, sie bewusst aufscheinen zu lassen. Letzteres ist immer noch ein Problem, aber es ist eben nicht mehr so oft nötig.
Was ebenso geblieben ist: Gerade auf großformatigen Bildschirmen muss man in den Apps teilweise erhebliche Strecken mit der Maus zurücklegen, wenn diese im Vollbildmodus ausgeführt werden.
Fazit: Es ist an einigen Stellen besser geworden, aber es gibt auch noch Defizite: Unentschieden.

keine wirklich hilfreichen Apps für den Desktop
Zum Start von Windows 8 war das App-Ökosystem noch recht klein – inzwischen gibt es unzählige Apps für jeden Zweck. Und bei aller berechtigten Kritik am Windows Store – er hat auch eine Menge Perlen zu bieten, nach denen es sich zu tauchen lohnt. Es würde den Rahmen dieses ohnehin schon recht umfangreichen Artikels sprengen, hier jetzt auf einzelne Apps einzugehen, ich verweise daher mal auf meine Empfehlungsliste (die ich unbedingt mal wieder ergänzen sollte, wie mir gerade auffällt).
Und weil es außerdem auch nach wie vor Nutzer gibt, die der Meinung sind, Apps hätten auf einem Desktop-PC nichts verloren, blende ich meine persönliche Sichtweise an dieser Stelle aus und lasse diesen Punkt unberücksichtigt.

(sanfter) Cloud-Zwang durch Microsoft-Account
Wer gerne mit und in der Cloud arbeitet, für den ist dieser Kritikpunkt keiner. Gerade in Zeiten von PRISM beurteilen jedoch eher mehr als weniger Menschen diesen Punkt kritisch und sehen sich durch den Microsoft-Account zu eng an Microsoft gebunden.
Die Windows 8.1 Preview verlangt offiziell einen solchen Account – installiert man sie ohne aktive Internetverbindung, kann man aber auch ein lokales Konto anlegen. Und ich gehe davon aus, dass das in der finalen Version auch wieder ohne Tricks möglich sein wird. Wenn nicht, wäre es ein Minuspunkt.

Sonstige Neuerungen in Windows 8.1 lasse ich an dieser Stelle bewusst unberücksichtigt, weil es ausschließlich um die Frage des Bedienkonzepts geht.
Kommen wir also zum Fazit:
Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, Plus- und Minuspunkte zu addieren, weil das auf diese Weise sowieso nicht funktioniert. Die einzelnen Punkte wirken je nach persönlicher Vorliebe unterschiedlich schwer, und ich will hier auch gar nicht zu einem “Urteil” kommen, sondern Euch lediglich dabei helfen, Euer eigenes zu fällen.

Die Frage, ob Windows 8.1 mit einem Desktop-PC besser zu bedienen ist als Windows 8, kann man klar mit “Ja” beantworten. Inwieweit diese Verbesserungen aber dazu geeignet sind, Skeptiker zum Umstieg zu bewegen, wird erst die Zeit zeigen.

Meine persönliche Einschätzung und Erwartung ist:

Wer Windows 8 mag, wird Windows 8.1 lieben

Wer Windows 8 getestet hat, es nicht grundsätzlich verteufelte, für den aber die Änderungen gegenüber Windows 7 einfach zu krass waren, dem empfehle ich dringend, nochmals einen Blick auf Windows 8.1 zu werfen – möglicherweise klappt es mit der Lieben auf den zweiten Blick.

Wer Windows 8 ganz furchtbar und unmöglich fand, der wird sich auch mit Windows 8.1 kaum anfreunden können, so ehrlich muss man sein. Natürlich kann man die Tools zur vollständigen Metro-Abschaltung verwenden und ein alternatives Startmenü installieren – aber dann kann man genau so gut bei Windows 7 bleiben.

Entscheidend für den weiteren Erfolg wird also sein, wie viele der 95 Prozent aller Windows Nutzer, die aktuell noch kein Windows 8 verwenden, in die jeweils zweite oder dritte Kategorie fallen. Ich vermag das nicht einzuschätzen – ich weiß nur, dass es sich nicht einfach an öffentlich geäußerten Statements ablesen lässt. Die lauteste Stimme repräsentiert nicht automatisch die Mehrheit.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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