Am Puls von Microsoft

Windows 8.1: Die Probleme der Entwickler und die Folgen für die Nutzer

Erstmals erhalten Entwickler keinen Vorab-Zugriff auf eine neue Windows-Version. Windows 8.1 wird erst mit Markteinführung am 18. Oktober in Microsofts Entwickler-Portal MSDN zur Verfügung stehen. Entwickler laufen gegen diese Entscheidung Sturm und beschweren sich in den Microsoft-Foren und -Blogs lautstark.
Welche Folgen haben wir als Nutzer zu befürchten, wenn die Entwickler keinen vorzeitigen Zugriff auf die neue Version haben? Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich erklären, warum ich die Entscheidung von Microsoft sogar ein bisschen nachvollziehen kann.

Die Windows-Entwicklung befindet sich in einem radikalen Umbruch. Wenn man sich die lange Pause zwischen Windows XP und Vista anschaut, dann versteht man, warum schon die damalige Ankündigung, künftig alle drei Jahre ein neues Windows auf den Markt zu bringen, den Microsoft-Programmierern die Schweißperlen auf die Stirn trieb.
Bisher war die Windows-Entwicklung ein eher gemütlicher Prozess, der ganz in Ruhe vor sich ging. Ohne Konkurrenz arbeitet es sich eben etwas entspannter.
Nun haben sich die Zeiten geändert, selbst eine dreijährige Entwicklungszeit ist inzwischen eine kleine Ewigkeit, weshalb man sich bei Microsoft entschieden hat, auf jährliche Releasezyklen umzustellen. Langfristig sehe ich da riesige Herausforderungen: Woran sollen sich Unternehmenskunden orientieren, die nur alle 5-6 Jahre ein neues Windows einsetzen? Wann kann man überhaupt noch echte Umbrüche vollziehen und alte Zöpfe abschneiden? Das werden wir an dieser Stelle nicht klären können, im Moment ist vor allen Dingen eine Frage entscheidend:

Kann Microsoft es überhaupt schaffen, binnen Jahresfrist ein ausgereiftes, neues System auf die Beine zu stellen, und wie schaffen sie es, die so wichtigen Entwickler in diesen Prozess sauber einzubinden?

Mit der dreimonatigen Vorlaufzeit, in der das fertige Windows in quasi eingefrorenem Zustand auf seine Veröffentlichung wartet, während Entwickler ihre Software anpassen, dürfte es vorerst vorbei sein. Es dürfte auf der Hand liegen, dass man bei einjähriger Entwicklungszeit nicht noch ein Vierteljahr ‘Reserve’ einbauen kann. In diesem Punkt kann ich Microsoft verstehen.
Es ist auch nicht so, dass die Entwickler völlig im Regen stehen – in den MSDN-Blogs gibt es durchaus Informationen über Änderungen in Windows 8.1 und Tipps, wie man Windows 8 Apps an Windows 8.1 anpasst. Hier zwei Beispiele:
Windows 8.1 Preview: Neue APIs und Features für Entwickler
Migrieren von Windows 8-Apps zu Windows 8.1 Preview

Ob das reicht? Ohne Zugriff auf die finale Version werden viele Entwickler lieber abwarten als das Risiko einzugehen, nachträglich nochmals Hand anlegen zu müssen, weil in letzter Minute noch APIs hinzu gefügt, heraus genommen oder geändert wurden. Denn diesen zusätzlichen Aufwand bezahlt niemand.

In Konsequenz bedeutet das für uns Nutzer: Zum Start von Windows 8.1 werden wir nur wenige Apps sehen, die bereits angepasst wurden. Das ist nicht so wahnsinnig schlimm, funktionieren werden sie trotzdem – aber die neue Funktionen wie z.B. die verbesserte geteilte Ansicht werden sich nicht sofort nutzen lassen.
Und wer im Moment darüber nachdenkt, in die Entwicklung für Windows 8 einzusteigen, der wird ganz sicher abwarten. Mit einer großen Welle neuer Apps würde ich in den nächsten 2-3 Monaten also eher nicht rechnen. Es sei denn, sie wurden in exklusiven Partnerschaften zusammen mit Microsoft entwickelt, wie zum Beispiel die kommende Facebook-App.

Wie sehr sich Microsofts ‘Verschlossenheit’ auf die traditionelle Desktop-Welt auswirkt, muss man abwarten, ich erwarte allerdings hier keine größeren Katastrophen. Schließlich verwendet Windows 8.1 das gleiche Treibermodell wie Windows 8 und auch die tiefgreifende Änderungen im Systemkernel fallen eher moderat aus.

Unter dem Strich bleibt dennoch festzuhalten, dass Microsoft und die Entwicklergemeinde ihr Verhältnis neu ordnen müssen. So sehr es nachvollziehbar ist, dass in Zeiten kurzer Releasezyklen kein großzügiger Vorlauf mehr gewährt werden kann: Die Entwickler quasi bis zur Markteinführung auszusperren und sie bis dahin nur mit Info-Häppchen zu versorgen, kann nicht der neue Weg sein. Da muss sich Microsoft etwas einfallen lassen – aber auch die Entwickler müssen bereit sein, sich und ihre Arbeitsweise umzustellen.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

Anzeige