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Windows Phone: Tot ist die Hoffnung, aber noch nicht das System

So, inzwischen dürfte jede größere und kleinere Seite das Thema durch haben: Windows Phone ist tot, toter, am totesten, der süßliche Geruch der Verwesung beginnt bereits über den Geräten zu schweben. Vermutlich geht es einem guten Teil unserer Leser wie mir: Es kommt mir allmählich zu den Ohren und auch aus anderen Körperöffnungen heraus. Dennoch komme ich nicht umhin, das Thema nochmals aufzugreifen und ein paar Sätze dazu zu sagen. Denn die Nachrichten der letzten Tage haben, wie mir Eure Zuschriften zeigen, tiefe Verunsicherung hinterlassen.

Ich kann ebenso wenig wie Ihr in die Zukunft sehen – aber dieser Beitrag soll Euch aufzeigen, dass es keinen Grund gibt, in der Gegenwart in Panik zu verfallen. Zu Anfang sage ich Euch aber, was Ihr nicht mehr tun solltet.

Tot ist die Hoffnung
Seit es Windows Phone gibt, hört man immer wieder die selben Sprüche: Wenn Microsoft dieses oder jenes Feature nachrüstet…wenn ein Phone mit diesen oder jenen Eigenschaften erscheint…wenn ein bisschen mehr Werbung gemacht würde…wenn diese oder jene App verfügbar wäre…dann würde er beginnen, der Siegeszug von Windows Phone. Dann würden mehr Leute aufmerksam werden und sich für ein Windows Phone entscheiden.

Hört auf damit. Das ist vorbei. Das wird nicht passieren. Es ist auch völlig unerheblich, was Microsoft in den letzten Jahren eventuell falsch gemacht und verschlafen hat – die Situation ist, wie sie ist, und sie wird sich nicht ändern. Weil Microsoft sie gar nicht mehr ändern will.

Warum?

Mit Windows Phones ist kein Geld zu verdienen
Microsoft ist ein Software-Unternehmen und will mit dem Verkauf von Software Geld verdienen. Als Windows Phone im Jahr 2010 erschien, mussten die OEMs dafür noch Lizenzgebühren bezahlen. Das ist vorbei. Ob über OEMs kein einziges oder 100 Millionen Windows Phones verkauft werden, ist für Microsoft ein Nullsummenspiel, das macht keinen Unterschied.

Bei den Lumias sieht es anders aus, die sind ein Zuschussgeschäft. Jedes nicht verkaufte Lumia bedeutet weniger Verlust, also Entlastung für Microsoft. Und das ist der Grund, warum die 4,5 Millionen verkauften Lumias im letzten Quartal ein Wert sind, von dem man Ende 2016 vielleicht sagt: Das waren noch Zeiten…

Satya Nadella hat im Juli 2015, als er den Strategiewechel verkündete, klipp und klar gesagt, dass Microsoft nicht mehr versuchen wird, ein profitables Phone-Geschäft aufzubauen. Das ist als gescheitert abgehakt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Microsoft verdient Geld mit dem Verkauf von Diensten und Software. Auf welchen Endgeräten das läuft, ist Microsoft völlig egal. 90 Prozent Marktanteil mit Office auf allen Smartphones ist Microsoft hundert mal lieber als 30 Prozent Marktanteil mit Windows Phone. Microsoft war die Windows-Company, als Windows den größten Anteil am Umsatz hatte. Diese Zeiten liegen hinter uns, und darum ist es auch nicht mehr wichtig, welchen Marktanteil Windows hat.

Also ist alles vorbei?
Nein. Windows 10 Mobile ist ein Bestandteil der “One Windows” Strategie und wird daher auch erhalten bleiben. Wer ein Windows Phone haben möchte, der wird auch in Zukunft die Gelegenheit haben, eines zu kaufen, auch von Microsoft. Mindestens noch im nächsten Jahr, und darüber hinaus lohnt es sich sowieso nicht zu schauen.

Besondere Werbung für Phone Apps muss Microsoft nicht mehr machen, sie sind ja quasi ein “Abfallprodukt”, wenn Entwickler Universal Apps für Windows 10 erstellen. Obwohl Microsoft also keine spezielle Energie mehr in die Phone-Sparte steckt, könnte die App-Situation auch in Zukunft besser werden. Wir erleben das ja bereits, seit Windows 10 auf dem Markt ist.

Wenn Du diese Zeilen hier liest und ein “echter Fan” bist, der sich trotz der bekannten Probleme und auch Defizite ganz bewusst für Windows Phone entschieden hat und auch weiterhin auf jeden Fall dabei bleiben will, dann stehen die Chancen recht gut, dass sich einfach gar nichts ändert. Bedeutungslos war Windows Phone nämlich genau genommen schon immer, so richtig neu ist also nur, dass sich Microsoft mit dieser Bedeutungslosigkeit abgefunden hat.

Wenn tatsächlich kein einziger OEM mehr Interesse an Windows Smartphones hat und auch die hauseigenen Geräte von Microsoft keine Käufer mehr finden und daher eingestellt werden – dann könnte Windows Phone tatsächlich zu einer schönen Erinnerung werden. Ich würde keinen Euro wetten, dass es nicht so kommt, denn es ist definitiv möglich.

Aber es ist kein Grund, mein Lumia zu verbrennen
Ich hab das letzte Woche im OneCast schon gesagt: Hört auf, Euch von all den Meldungen verrückt machen zu lassen. Vergessen wir auch die ganzen Spekulationen um Surface Phone, x86 und was sonst noch. Das ist Zukunftsmusik und muss uns heute eigentlich noch gar nicht interessieren.

Die einzige wichtige Frage lautet doch:
Bist Du noch glücklich mit Deinem Windows Phone?

Lautet die Antwort Nein, dann verkaufe oder verschenke es, wechsle die Plattform und erfreu Dich an dem, was Du dann hast.

Lautet die Antwort Ja, dann freu Dich sowohl Deines Lebens als auch Deines Lumias und harre der Dinge, die da kommen. Für den Moment geht nämlich alles erst mal seinen normalen Gang weiter, also lass Dir den Spaß nicht verderben. Was noch kommt, werden wir schon früh genug sehen.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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