Am Puls von Microsoft

10 Jahre Dr. Windows: Es gibt so viel zu sagen

Zehn Jahre. Eine Zahl, die zu Plattitüden einlädt. Lange Zeit. Viel passiert. Schnell vergangen. Alles richtig. Heute wird das, was als Dr. Vista begann und nun Dr. Windows heißt, zehn Jahre alt. Zu allem, was in dieser Zeit passiert ist und was daraus wurde, fällt mir nur eine Plattitüde ein: Krass. Einfach nur Krass. Hätte ich mir niemals träumen lassen. Ok, das waren jetzt doch zwei.

Einige von euch sind tatsächlich von Anfang an dabei gewesen. Andere, die später dazu kamen, fragen manchmal. “Wie hat denn das alles angefangen?” “Was hat dich dazu getrieben?” “Was treibt dich jetzt noch an?”
Interessiert? Dann erzähl ich euch das jetzt. Nehmt einen frischen Kaffee, macht es euch bequem, das hier wird ne Weile dauern.

Ein Forum, eine Beta und eine kaputte Schulter
Im Jahr 2006 bin ich stolzer Betreiber des Supernature-Forums, zum damaligen Zeitpunkt eine der größten Allround-Communities im deutschsprachigen Internet. Es wurde offiziell im Frühjahr 2000 gegründet, inoffiziell gab es uns schon etwas länger, aber da durften wir nicht erkannt werden. Ich war nämlich mal einer von den Bösen. Unter supernature.ath.cx fand man Ende 1999 eine der umfangreichsten Software-Sammlungen mit integrierter Testzeitverlängerung, if you know what i mean. Eines Abends klingelte die Polizei an unserer Wohnungstür und ich musste spontan meine Hose wechseln. Die waren ganz nett, haben sich nur nach einem Nachbarn erkundigt und sind wieder abgezogen. Ich wollte nie wieder so erschrecken und wurde brav.

Zurück ins Jahr 2006: Da tat Microsoft etwas völlig Verrücktes: Sie stellten eine öffentliche Vorabversion von Windows Vista zum Download bereit. Einfach so, kostenlos. Als hätten sie schon geahnt, dass das keiner kaufen will.

Ebenfalls zu dieser Zeit sitze ich zu Hause. Ich bin krankgeschrieben, nach einem Fahrradsturz wurde meine linke Schulter soeben zum zweiten Mal operiert. Netflix und Co. gibt es noch nicht, das TV-Programm ist aber bereits genauso Scheiße wie heute. Da sitze ich also rum und langweile mich.

In meiner Langeweile installiere ich die Vorabversion von Windows Vista. Ich stelle schnell fest, dass sich im Vergleich zu Windows XP eine ganze Menge geändert hat, was vielen Nutzern schwer zu schaffen macht. Ich beginne also alles aufzuschreiben, was mir so an Änderungen auffällt, schreibe haufenweise FAQ-Beiträge, die ich im Supernature-Forum veröffentliche. An einem Wochenende, an dem mir noch langweiliger ist als in der Woche davor, stelle ich fest, dass ich Unmengen an Material gesammelt habe. Und dass es mir Spaß macht, mich mit Vista auseinanderzusetzen und den Leuten dabei zu helfen, besser damit klar zu kommen.

Aus einer spontanen Idee heraus setze ich eine neue Seite auf und überlege, wie man diese nennen könnte. Es gab damals keinen bewussten Zusammenhang mit meiner lädierten Schulter und den daraus resultierenden häufigen Arztbesuchen, aber vielleicht hat das eine Rolle gespielt, warum die Wahl auf “Dr. Vista” fiel. In Anbetracht der vielen Wehwehchen, welche die Leute mit dem System hatten, schien mir das einfach passend. Es dauerte übrigens nicht lange, bis ich zum ersten Mal gefragt wurde, ob ich es nicht albern fände, mich “Dr.” zu nennen. Ich erwiderte, dass das kein persönlicher Künstlername, sondern nur der Titel der Seite sein soll. Glaubt es oder nicht, ich habe mich jahrelang dagegen gewehrt, als “Dr. Vista” oder später als “Dr. Windows” vorgestellt und begrüßt zu werden. Irgendwann habe ich es dann einfach aufgegeben und angenommen. Wie alle Blogger bin auch ich ein Egomane und will geliebt werden, aber das war mir dann doch zu “gurumäßig”. Sei’s drum – gehört wohl in die Kategorie “Die Geister die ich rief…”

Der 8. März 2007: Dr. Vista geht an den Start
Bis Dr. Vista offiziell an den Start geht, vergeht ab dem oben erwähnten Langeweile-Wochenende dann doch noch einige Zeit. Am 8. März 2007 ist es dann aber soweit, die neue Seite geht online. Die ersten Mitglieder sind allesamt “Überläufer” vom Supernature-Forum, die es sich sogleich auch dort bequem machen. Schnell – und viel schneller als gedacht – füllt sich das Forum jedoch auch mit ganz neuen Mitgliedern. Nach wenigen Tagen kommen schon über 1.000 Besucher täglich, nach ein paar Monaten schon über 10.000 – offensichtlich hatte Dr. Vista mit seinem Angebot eine “Marktlücke” getroffen.

Microsoft – der erste Kontakt
Wir machen einen kleinen Zeitsprung. Bis April 2009 hatte ich trotz des weiter wachsenden Bekanntheitsgrades von Dr. Vista niemals irgendeinen direkten Kontakt zu Microsoft. Ausgerechnet am 1. April ändert sich das. “Glückwunsch zum MVP 2009” lautet der Betreff einer E-Mail, die mich erst mal aus den Schuhen haut. Kurz darauf fahre ich zum ersten Mal nach Unterschleißheim. Ich weiß noch, dass ich mich gefühlt habe, als hätte ich eine Audienz beim Papst. Vorher erzählte ich stolz im Freundeskreis davon und alle machten große Augen. Im Nachhinein muss ich darüber grinsen. Schnell merkte ich natürlich, dass da nur ganz normale Leute arbeiten. Überwiegend nette Leute. Wenn ich heute ins Microsoft Office einlaufe, ist das fast wie nach Hause kommen. Ich komme keine fünf Meter weit, ohne jemanden zu begrüßen. Aus Kontakten wurden Bekannte, manche schon fast zu Freunden. In erster Linie finde ich das sehr cool, aber natürlich bin ich da auch ein wenig stolz drauf.

Die engen Kontakte zu Microsoft haben mir neben dem Thema der Seite immer mal wieder den Ruf eingebracht, ich würde voreingenommen und zu positiv über Microsoft berichten, um eben diese Kontakte nicht zu gefährden. Ich habe das schon oft gesagt, und ich sage es an dieser Stelle gerne wieder: Diese Seite ist unter anderem deshalb entstanden, weil ich Microsoft gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt bin. Dass einem da mal das Visier verrutscht und man die Dinge vielleicht in der Tat etwas rosiger sieht, lässt sich nicht vermeiden. Aber bei Dr. Windows hat man den Vorteil, dass schon draußen an der Tür angeschlagen steht, was den Leser drinnen erwartet. Im Gegensatz zu manch anderen Publikationen, die neutrale Namen tragen, hin und wieder aber ebenfalls einseitige Berichterstattung abliefern. Das soll jetzt aber nicht mein Problem sein.

Was ich auf jeden Fall sagen kann ist, dass ich niemals bewusst irgendwas erzählt habe, woran ich selbst nicht glaubte. Meine gelegentliche Naivität war also jederzeit aufrichtig. Meine Wutausbrüche waren es ebenfalls, und beides wird euch auch in Zukunft erhalten bleiben. Ehrliche Begeisterung, ehrlicher Frust, und dabei sowohl in die eine oder in die andere Richtung auch mal über’s Ziel hinaus schießend. Nicht kalkuliert, sondern emotional, weil mein Herzblut in dieser Seite steckt. Wenn ich anfangen würde, alles nur noch nüchtern und sachlich zu sehen, würde ich wahrscheinlich schnell den Spaß verlieren.

Aus Dr. Vista wird Dr. Windows
Schon nach eineinhalb Jahren Dr. Vista wird klar: Hier passt bald etwas nicht mehr. Windows 7 kündigt sich an und es ist natürlich keine Frage, dass wir weiter machen wollen. Mit dem aktuellen Namen ist das aber schwierig, bezieht er sich doch eindeutig auf ein System – und noch dazu auf eines, bei dem es viele Nutzer kaum abwarten können, es wieder los zu sein. Ich schaue nach, ob die Domain drwindows.de frei ist. Ist sie natürlich nicht, es ist aber auch kein Inhalt auf der Seite. Ich schreibe den Inhaber an, frage ihn, ob er verkauft. Er nennt mir einen Preis, ich lehne dankend ab. Tags drauf meldet er sich wieder. Er gibt nach, ich auch, der Deal steht und wir heißen fortan “Dr. Windows”. Ja, natürlich seid ihr jetzt neugierig, darum will ich es euch verraten: 800 Euro hat mich die Übernahme der Domain gekostet. Vielleicht denkt der Verkäufer inzwischen, dass er sie mir zu billig abgetreten hat, heute ist sie natürlich das zig-fache davon wert. Das liegt dann aber wohl doch eher an den Inhalten als am Namen.

Man könnte in diesen Tagen ja erneut darüber diskutieren, ob der Name “Dr. Windows” noch zeitgemäß ist. Haben wir uns in den ersten Jahren ausschließlich mit den Desktop-Versionen von Windows beschäftigt, kamen im Lauf der Zeit die Xbox, Windows Phone, Office und all die Microsoft-Onlinedienste hinzu. Last but not least transformiert sich Microsoft zu einem Software-Anbieter, der völlig unabhängig von irgendwelchen Plattformen agiert. Wir haben darüber wirklich schon nachgedacht und diskutiert. Aber “Dr. Microsoft” klingt bescheuert und außerdem hat sich “Dr. Windows” als Marke durchaus etabliert, das wirft man dann ja auch nicht so einfach weg. Darum bleibt der Name mindestens vorerst so stehen.

Mit Windows 10 und den Apps durch die Decke
Ich merke gerade, ich muss dann doch so ein bisschen auf die Tube drücken, sonst finden wir heute kein Ende mehr. Nach Windows 7 kam Windows 8, und obwohl dieses wie seinerzeit Vista eher so mittelmäßig beliebt war, wuchs unsere Seite weiter. Auch sehr stark getrieben durch die Apps, die zuerst für Windows 8 und später für Windows Phone 8 erschienen. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie wir die erste App in den Store gestellt haben. Thomas alias Astrominus und ich dachten: “Naja, das werden sich jetzt so 200-300 Hardcore-Fans runter laden, und dann wird es das erst mal gewesen sein”. Ich weiß die Zahlen nicht mehr so genau, aber das mit den 200-300 Downloads kam hin. Pro Tag. Wir waren völlig von den Socken. Über den Store fanden uns so unfassbar viele Leute, die vorher noch nichts von uns gehört hatten. Für uns war der Mangel an Apps und die daraus resultierende Übersichtlichkeit im Store ein Glücksfall. Um es nun wirklich abzukürzen: Bis heute haben sich fast 250.000 Menschen unsere App aus dem Store heruntergeladen. Eine Viertelmillion. Beeindruckend. Nein, nennen wir es beim Namen: Krasser Scheiß!

Von dem Hype um Windows 10 profitierten wir natürlich ebenso. Während der Startphase hatten wir über drei Millionen Besucher im Monat. Das war dann auch die Zeit, in der unser Server an chronischem Asthma erkrankte. Die Suche nach dem passenden Medikament dauerte eine ganze Weile, derzeit läuft es ganz gut. Ich werde hier jetzt aber nichts verschreien und klopfe mal ganz leise auf Holz.

Ich
Wenn ich auf die letzten Jahre zurück blicke, dann kann ich wirklich ohne jede Übertreibung feststellen: Dr. Windows hat mir die beste Zeit meines Lebens geschenkt. Ich durfte so viele tolle Menschen kennen lernen, tolle Orte besuchen und an unzähligen Events teilnehmen. Egal, wie diese Geschichte irgendwann (eines hoffentlich noch sehr fernen Tages) endet – ich werde ewig dankbar sein, dass ich das alles erleben durfte.

Zweifellos habe ich mich auch als Mensch verändert. Ich hab weiter oben geschrieben, dass jeder Blogger ein Egomane ist. Das war natürlich unfair, ich kenne sie ja nicht alle, aber das war auch überhaupt nicht böse gemeint. Ich denke jedenfalls, dass man diesen Job ohne ein gewisses Verlangen nach Bestätigung nicht so lange ausüben könnte. Ich könnte es jedenfalls nicht. Natürlich willst du, dass man dich “lieb hat”. Du freust dich, wenn Leute schreiben, dass ihnen dein Beitrag aus der Seele spricht. Aber du musst es auch aushalten, dass man dich anfährt. Wer in der Achterbahn ganz vorne sitzen will, der bekommt die beste Aussicht, aber auch den stärksten Gegenwind. Ein fairer Deal. Mich über Bestätigung freuen kann ich schon super, souverän auf Widerspruch reagieren, vor allen Dingen, wenn er auch mal etwas unfeiner formuliert ist, da kann ich noch dazu lernen. Ich werd das schon schaffen, habt ein bisschen Geduld mit mir.

Das Schönste ist und bleibt für mich, mit so vielen Menschen zu tun zu haben. Ich liebe Menschen. Erst mal alle, vorbehaltlos. Aussortiert wird erst später. Auch das empfinde ich als Grundvoraussetzung für diesen Job. Ich glaube nicht, dass jemand mit einer kalten Seele überhaupt Blogger werden und längere Zeit Spaß daran haben kann.

Und bevor wir gleich über das Team reden, muss noch die wichtigste Person Erwähnung finden. Die, ohne die es Dr. Windows nicht gäbe, ohne die es mich nicht gäbe: Meine Frau, die mir den Rücken frei hält und so viel Verständnis aufbringt, dass mir das manchmal regelrecht peinlich ist, und der ich dafür viel zu selten danke.

Mein Team
Ja, ich weiß. Man nennt zuerst sein Team und dann sich selbst, in dem Fall sticht aber das Motto “Das Beste zum Schluss”. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich da anfangen soll. Vielleicht damit, dass Dr. Windows eine furchtbar unfaire Veranstaltung ist. Da gibt es den Einen, der so ein bisschen im Rampenlicht steht, der auf die schicken Events eingeladen wird, der diese Seite zu einem guten Teil zu seinem Beruf gemacht hat. Und es gibt die Anderen, die unzählige Stunden ihrer Freizeit dafür opfern, um den ganzen Laden am Laufen zu halten.

“Die Anderen” – das sind 14 Mann und eine Frau, die im Forum Ordnung schaffen, für das Blog schreiben und ihm auch ihre eigene persönliche Note aufdrücken, die Downloadsection aktuell halten, Videos produzieren, sich um all den administrativen und technischen Kram kümmern und die Community erweitern. Wenn ich versuche, das alles aufzuzählen, dann werde ich jemanden vergessen und zu wenig würdigen, das will ich nicht riskieren. Tatsache ist, dass Dr. Windows ohne diese Leute binnen kürzester Zeit vor die Hunde gehen würde, weil so eine riesige Community nicht nur davon leben kann, dass jemand jeden Tag ein paar Sätze geradeaus formulieren kann.

Wäre ich gläubig, müsste ich Gott jeden Tag auf Knien danken, dass er diese Menschen zu mir geschickt hat, und dass sie es jeden Tag mit mir aushalten. Würdet ihr denn einen Chef haben wollen, der gerne und eigentlich fast immer kritisiert, selten bis nie lobt, euch nicht bezahlt, den ihr andauernd erinnern müsst, worum er sich noch kümmern wollte, was ihn aber nicht daran hindert, es sofort wieder zu vergessen? Nein? Tja, dann ist ein Job im Team von Dr. Windows leider nichts für euch. Keine Ahnung warum, aber ich habe das Gefühl, die mögen mich trotzdem ein bisschen. Also jetzt mal ganz unter uns: Ich glaube, irgendwas stimmt nicht mit denen. Ich würde mir das jedenfalls nicht bieten lassen. Aber erzählt es nicht weiter, nachher laufen die mir noch weg, und dann kann ich einpacken. Aber sowas von.

Ihr
Ganz zum Schluss bleibt noch den Leuten zu danken, durch die all das, was vorher geschrieben wurde, erst einen Sinn bekommt: Euch. Ohne Publikum wäre Dr. Windows nämlich eine Nullnummer. Ihr bevölkert diese Community, erweckt sie mit eurer aktiven Teilnahme, eurem Lob und eurer Kritik erst zum Leben. Das alles hier macht so viel Spaß, weil wir das für euch tun dürfen. Danke, dass ihr da seid. Wir hoffen, ihr bleibt noch ganz lange – dann tun wir das auch.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

Anzeige