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Office 2013: Mit der Lizenz zum Wegwerfen! Und warum das in der Praxis keine Auswirkungen hat

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Microsoft das neue Office 2013 eigentlich gar nicht verkaufen will. Zumindest der klassische Heimanwender soll über kurz oder lang dazu gebracht werden, auf das Abo-Modell Office 365 umzusteigen. Das erkennt man unter anderem an der Tatsache, dass Office 2013 Home&Student künftig statt auf drei nur noch auf einem einzigen Computer installiert werden darf. Doch das ist nicht der einzige Fallstrick in den Lizenzbedingungen.

Schon Anfang Februar hatte ich Kontakt zu einem Kunden, dem vom Microsoft-Support bestätigt wurde, was seit dem Wochenende nun durch die News-Seiten kreist: Office 2013 ist eine Wegwerf-Lizenz zur einmaligen Verwendung.
Ich hatte die Story vorletzte Woche schon vorbereitet, dann hat mich aber leider eine fiebrige Erkältung aus den Schuhen gehauen – nix war’s mit dem exklusiven Bericht. Nun denn, ich will wenigstens versuchen, den vollständigsten Artikel zu diesem Thema abzuliefern.

Konkret geht es um einen Passus im Endbenutzer-Lizenzvertrag von Office 2013. In diesem heißt es wörtlich:

Kann ich die Software auf einen anderen Computer oder Nutzer übertragen?
Sie sind nicht berechtigt, die Software auf einen anderen Computer oder Nutzer zu übertragen. Sie dürfen die Software nur wie auf dem lizenzierten Computer installiert mit dem COA Label und diesem Vertrag direkt an Dritte übertragen. Vor der Übertragung muss sich die andere Partei damit einverstanden erklären, dass dieser Vertrag für die Übertragung und Verwendung der Software gilt. Sie sind nicht berechtigt, Kopien zurückzubehalten.

Die Formulierung ist absolut eindeutig und lässt keinen Spielraum für Interpretationen: Einmal installiert, ist Office 2013 auf ewig mit diesem Computer verheiratet. Kaufe ich mir einen neuen Computer, dann muss ich auch Office 2013 neu erwerben. Streng genommen würde sogar ein Defekt der Festplatte dazu führen, dass ich mir nicht nur diese, sondern auch Office neu kaufen muss, weil sich die eindeutige Hardware-ID eines Computers durch den Einbau einer neuen Platte ändert, es also nicht mehr der selbe Computer ist wie der, auf dem Office 2013 ursprünglich installiert wurde.

Zum Vergleich mal die entsprechende Passage aus dem Lizenzvertrag von Office 2010:

ÜBERTRAGUNG AN DRITTE.
Der erste Nutzer der Software ist berechtigt, die Software mit diesem Vertrag einmalig zu übertragen, indem er den originalen Lizenznachweis direkt an Dritte überträgt. Der erste Nutzer ist verpflichtet, die Software zu entfernen, bevor er sie separat vom*lizenzierten Gerät überträgt. Der erste Nutzer ist nicht berechtigt, Kopien der Software zurückzubehalten. Vor jeder gestatteten Übertragung muss sich die andere Partei damit einverstanden erklären, dass dieser Vertrag für die Übertragung und Verwendung der Software gilt. Sofern die Software ein Upgrade ist, muss jede Übertragung auch alle früheren Versionen der Software umfassen.

Wer das gerne im Original nachlesen möche, dem habe ich die EULA’s von Office 2010 und Office 2013 hier abgelegt:
office2010_eula.txt
office2013_eula.txt

Microsoft sieht sich nun mit zahlreichen Anfragen konfrontiert, ob das denn nun wirklich genau so gemeint ist, und man erwartet eine Klarstellung. Ich behaupte jedoch, dass es diese nicht geben wird. Man wird wie gewohnt diplomatisch drum herum reden und darauf verweisen, dass Office 365 die optimale Lösung ist, wenn man das neue Office auf mehreren Computern verwenden möchte – was ja auch stimmt.
Doch keine Panik – denn jetzt kommt der entscheidende Punkt:

Was bedeutet diese Änderung denn nun in der Praxis?
Kurze Antwort: Nichts
Ausführliche Antwort: Wie alle Office-Versionen zuvor muss auch Office 2013 übers Internet aktiviert werden. Das wird einige Male funktionieren, dann erscheint die bekannte Meldung, dass die Internet-Aktivierung zu oft durchgeführt wurde und man nun die Hotline unter 00800/22 84 82 83 bzw. 0800/28 48 283 kontaktieren muss. Dort wird man nach Beantwortung einiger Fragen einen neuen Schlüssel erhalten.
Wenn man nach einem Hardwaredefekt das System und damit auch Office neu installieren muss, dann wird man es auch immer wieder erfolgreich aktivieren können.
Auch die Übertragung auf einen neuen PC wird so funktionieren. Rechtlich handelt es sich dann natürlich um einen Lizenzverstoß, aber weder die Kunden noch Microsoft werden sich darum scheren.

Das ändert natürlich nichts daran, dass eine solche Regelung kundenfeindlich ist und man schon aus diesem Grunde die Finger von Office 2013 lassen sollte. Außerdem würde ich zu gerne wissen, wie denn ein deutsches Gericht diesen Lizenzvertrag beurteilt. Dazu müssten aber entweder Microsoft oder ein Kunde eine entsprechende Klage einreichen, weshalb ich davon ausgehe, dass wir es nie erfahren werden.

Dann lieber Libre Office oder Google Docs?
Wenn so ein unpopuläres Thema die Runde macht, kommt natürlich auch schnell die Frage auf, ob man denn mit einer kostenlosen Alternative nicht besser bedient wäre?
Die Frage kann man sich unabhängig von Lizenzbedingungen sowieso immer stellen – ich persönlich würde, bevor ich zu Google Docs greife, dann aber lieber das Original verwenden – nämlich die Web Apps von Word, Excel und Powerpoint, die man ebenfalls kostenlos nutzen kann und die in nicht wenigen Fällen funktional für die meisten Heimanwender sogar ausreichend sein dürften.

Was passiert beim kostenlosen Upgrade von Office 2010 auf Office 2013?
Die Frage hat jetzt nicht primär etwas mit der Lizenzübertragung zu tun, wenn wir aber schon mal dabei sind, handeln wir sie gleich mit ab: Wenn man kürzlich Office 2010 Home&Student erworben hat, darf man kostenlos auf Office 2013 Home&Student aktualisieren. Office 2010 ist jedoch eine 3er-Lizenz, und Office 2013 gilt nur für einen PC – wie funktioniert das also?
Man darf genau einen PC von Office 2010 auf Office 2013 aktualisieren, die anderen beiden müssen bei Office 2010 bleiben. Und für den aktualisierten PC gelten dann natürlich auch die neuen Lizenzbedingungen, d.h. auch wenn es technisch möglich ist, dürfte ich theoretisch zu einem späteren Zeitpunkt dort nicht wieder Office 2010 installieren und dafür dann an einem anderen PC das Upgrade auf Office 2013 durchführen.

Ein ziemliches Schlamassel, dass uns Microsoft ohne erkennbar sinnvollen Grund hier beschert…

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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