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Am Puls von Microsoft

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Glosse: Windows-Installation im Jahre 2019 - so könnte es aussehen

Martin

Webmaster
Teammitglied
Seit dem letzten Jahr haben wir den "Browser Ballot Screen" - oder zu deutsch "Browser-Auswahlbildschirm", der per Windows Update installiert wird und uns erleichtern soll, eine faire Entscheidung bei der Auswahl unseres Internet-Browsers zu treffen.
Die europäische Kommission folgte der Auffassung der Microsoft-Konkurrenten, dass wir anders nicht zu einer mündigen eigenen Entscheidung fähig seien.
Was, wenn dieser juristische Schildbürgerstreich erst der Anfang war?
Ein nicht ganz ernst gemeinter Blick in die Zukunft geht diesen Gedanken nach...



Es ist der 1. August 2019 - endlich Urlaub! Viele meiner Kollegen liegen schon am Strand, ich muss noch ein paar Tage warten.
Ihre mitleidigen Blicke trafen mich, als ich im Laufe der üblichen Diskussion "was machst Du so im Urlaub?" einstreute, dass ich Windows neu installieren müsse.
"Vielleicht geht es ja schneller als Du denkst, und Du kannst kurzfristig noch ein paar Tage wegfahren" versuchte mich mein Chef zu trösten. Der hat doch keine Ahnung - wie von fast Allem - aber das wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen.

Da sitze ich nun - vor mir auf dem Tisch liegt das neue Windows Eleven, das jetzt nicht mehr "Ultimate" heißen darf. Irreführend fand die europäische Kommission diesen Zusatz, es sei keineswegs erwiesen, dass Windows das ultimative Betriebssystem sei.
An den schwarz umrandeten Warnhinweis "Vorsicht! Windows könnte ihre Gesundheit gefährden" auf der Verpackung hat man sich ja längst gewöhnt.
Er war 2015 eingeführt worden, nachdem Apple und die OpenSource-Gemeinde in einer Sammelklage vor Gericht glaubhaft darlegen konnten, dass über 90 Prozent aller Anwender, die vor dem Computer einen Herzanfall erleiden, Windows benutzen. Ein Zusammenhang könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, urteilte der Richter, und der lapidare Hinweis auf einen entsprechenden Marktanteil brachte Microsoft nur eine weitere Klage ein.
Seit vier Jahren wehrt man sich in Redmond nun in einem Aufsehen erregenden Verfahren gegen den Vorwurf, sein quasi-Monopol zu missbrauchen, um der Pharmaindustrie Umsätze zuzuschanzen. Der Ausgang ist offen, aber die Chancen stehen schlecht.

Ein schriller Ton, der an die Alarmsirene eines Reaktorraums erinnert, reißt mich aus meinen Gedanken: Das Windows-Setup ist gestartet und weist mich in weißer Schrift auf rotem Hintergrund im blinkenden Wechsel auf Folgendes hin:
"Sie sind im Begriff, Windows zu installieren. Nach Abschluss dieses Vorgangs können Sie im laufenden Betrieb nicht mehr einfach auf ein anderes Betriebssystem umsteigen. Möchten Sie wirklich fortfahren?"
Ich klicke auf ja und entnehme das Blatt aus dem Drucker. Für heute war es das schon. Mit dem unterschriebenen Formular, welches bestätigt, dass ich über die Konsequenzen meines Handelns informiert bin, kann ich mir morgen früh auf dem Landratsamt meinen Autorisierungscode für die Fortsetzung der Installation abholen.

2. August 2019:
Kurz nach 12 Uhr bin ich wieder zu Hause. Hätte mir klar sein müssen, dass ich nicht der Einzige bin, der am zweiten Tag der Sommerferien sein System neu aufsetzen möchte. Wenigstens hatte ich während der dreistündigen Wartezeit einige nette Gespräche. Ich erinnerte mich gemeinsam mit einem etwa gleichaltrigen älteren Herrn daran, wie 2010 mit dem Browserauswahl-Bildschirm alles begonnen hatte. Er meinte, er hätte damals gedacht, schlimmer könne es nicht mehr kommen - und wir schüttelten uns vor Lachen.
Doch bald folgten die Hersteller alternativer Dateimanager, Mediaplayer, Texteditoren und vielen weiteren kleinen Programmen dem prominenten Beispiel und sie feierten vor den europäischen Gerichten einen grandiosen Sieg nach dem anderen.
Da Microsoft verpflichtet wurde, die Programme direkt in den Installationsdatenträger zu integrieren, wurde Windows seit Version 9 auf einer 2 Terabyte großen USB-Festplatte ausgeliefert.
Jetzt, mit Windows 11, hätte Microsoft nach einer Klage von einhundert freischaffenden Fotografen deren schönste Aufnahmen als Wallpaper anbieten müssen - Auswahl- und Bestätigungsdialog inklusive. Das brachte in Redmond das Fass zum Überlaufen, und man entschied sich zu einem radikalen Schnitt:
Ab sofort passt Windows wieder auf eine handelsübliche CD-ROM, denn es wird lediglich der Kernel ausgeliefert.
Ich gebe also den vom Amt erhaltenen Autorisierungscode ein, und die Installation ist nach wenigen Augenblicken beendet.
Da ist es nun, dass brandneue Windows Eleven, und strahlt mich in seiner ganzen schwarzen Schönheit mit dem Eingabeprompt links oben an.
Von nun an bin ich auf mich gestellt. Vielleicht lass ich es einfach so, immerhin bootet es in diesem Zustand in knapp drei Sekunden.

Ich erspare Ihnen den Rest der Geschichte.
Am 20. August 2019 sitze ich jedenfalls wieder im Büro, und meine Kollegen sind der Meinung, ich würde noch geschaffter aussehen als vor meinem Urlaub. Kunststück, ich habe die letzten vier Nächte nicht geschlafen, nur um noch rechtzeitig mit der Installation fertig zu werden.
Aber mich tröstet der Gedanke, ein freier Anwender zu sein, dem nichts und niemand vorschreibt, was er zu nutzen hat.
Was waren wir vor zehn Jahren doch noch für arme Schweine, ausgebeutet und entrechtet von Microsoft.
Die Marktanteile von Linux, Apple und Co. sind seither tatsächlich gestiegen. Denn Millionen Nutzer weltweit, die früher mit Windows glücklich und zufrieden waren, besitzen inzwischen keinen Computer mehr.
 
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Das wäre dann ein Grund die EU zu verlassen und in die USA zu ziehen.
Wenn die EU dann wirklich so weit gehen würde was ich nicht hoffen und auch nicht denke das sie überhaupt so weit gehen könne.
 


Wenn da nicht soviel Ironie drin wäre, würde ich gerade genauso auf dem Tisch liegen. Aber leider ist das hier ja mittlerweile Standard. Wir wollen eine freie Meinungsäußerung und Entscheidungsfreiheit und merken garnicht wie wir uns immer mehr einschränken. Aber wir wollen das ja so. (WIR = Bürger der EU)
 
Naja, nicht alle WIR sind EU Bürger.
Die Schweizer die hier angemeldet sind sind nämich keine EU Bürger.
Die sind genießen die FREIHEIT.
 
Vielen Dank für diesen nachdenklich & amüsant - sarkastisch geschriebenen Artikel; ich musste so einige Male schmunzeln :)

So abwegig sehe ich das Ganze gar nicht.
Die "mehr Rechte für Bürger und Verbraucher" Schiene, die die EU fährt, endet meist in unsinniger Bevormundung, kostet Unsummen und vernichtet teilweise sogar Jobs.
Der kleine Kneipenwirt verliert wegen des Rauchverbots 90% seiner Stammkundschaft und muss dichtmachen - doch Nichtraucher hat man seit Jahren in seiner Qualmhölle nicht gesehen. Lasst ihm doch seine kleine Kneipe.
Studenten, die sich auf einer typischen Party mal was reinpfeifen sind Kriminelle (nicht dass ich es gutheiße) und der "Regenwaldretter", der täglich selbstlos einen Kasten Bier leert ist ein Held...was für eine komische Welt.
 
Super geschrieben
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2019 bin ich sowieso zu alt für so was :funny
 
Danke Martin... obwohl lustig, steckt tatsächlich ein tiefer Sinn in solchen Gedanken.
Schliesslich wird ja sogar das Gemüse genormt - und das die Eier immer noch nicht
quadratisch sind, muss an diesen bescheuerten Hühnern liegen.
Aber Microsoft ist fast so mächtig, wie die Pharma-Industrie...
Aus diesem Grund haben wir es, so wie von dir geschrieben, wohl nicht zu befürchten.
(Allerdings sehe ich einen 2TB-Datenträger für die Installation (wahrscheinlich aus Kristall) eher als Untertreibung.
 
ot:
Das könnte alles traurige Wahrheit werden......
Solange die Mitgliedsländer ihre Unfähigen nach Brüssel abschieben, ist dort jede Blödheit denkbar.....
Und außerdem - bis 2019 muss doch sowieso jeder den Computerführerschein und eine eigene Internetlizenz haben, wo kämen wir doch sonst noch hin...
 
Geiler Artikel. Habe sehr gelacht, aber ein blinkender Cursor auf schwarzem Grund?
Wenn sich da mal nicht Herr DOS höchst persönlich dir Rechte sichert ;)
 
Gute Geschichte, Martin! Danke!

In den meisten Punkten gebe ich dir Recht. Übertrieben zwar, aber leider vorstellbar.

Allerdings sehe ich den Kern des Problems an der Vormachtstellung von Microsoft bei Betriebssystemen. Mit einem so hohen Marktanteil bei den OS weltweit erhält Microsoft einen riesigen Machtfaktor. Unkontrolliert und ungezügelt bestimmt MS was auf dem Softwaremarkt geschieht. Haben wir in der Vergangenheit ja schon einige Male erlebt.

Ohne eine starke Konkurrenz, und die ist leider weit und breit nicht in Sicht, haben kleinere Softwarefirmen kaum eine Chance. In einem guten Wettbewerb am Markt würde sich da einiges von selbst regeln.

So lange geht es eben nur mit Regeln und Gesetzen. Ob es allerdings so ausarten muss wir in deiner Geschichte...?

Gruß
Claus
 
Die EU hat nur 27 Länder in Griff.
Also einen minimalen Anteil.
In den restlichen Staaten hat die EU nix zu sagen.
Viele haben Windows 7 schon aus der USA bestellt weil es bei uns ja mit der N version angekommen sind.
Da haben viele gleich vorher die Windows 7 DVD in den USA vorbestellt.
Also wenn das die EU durchsetzt wird dann werden sehr viele die Windows DVD aus den USA bestellen.
 
... und um die Geschichte weiter zu spinnen:
Microsoft musste sich der überwältigenden Mehrheit beugen, war aber noch lange nicht dazu bereit, sich dermaßen in die Schranken weisen zu lassen. In Redmond wurde verzweifelt an einer Variante geschraubt, den IE wieder als festen Bestandteil des BS zu integrieren. Google lächelte nur müde um deren Versuche, hatten sie doch mit ihrem eigenen Browser längst die Führung übernommen gemäß dem Motto 'Alles googley' :ätsch

Gegen diese längst etablierte Übermacht Google natürlich hatte Microsoft nur wenig entgegen zu setzen, jede Website wurde inzwischen davon kontrolliert und jeder Klick dank der innovativen und unverzichtbaren Tools für die Webmaster wurden im Yottabyte-Bereich gespeichert. Würde Microsoft husten - Google hätte den passenden Impfstoff :)
Ein BS von Google also war die logische Konsequenz und Microsoft hing wieder nach - wie schon so oft :eek: :D
Geschrieben Anno 2021
 
Das Google-Szenario halte ich für eher wahrscheinlich als meine Geschichte.
Vor etwa zehn Jahren habe ich mich mal etwas intensiver mit Linux auseinandergesetzt - es war damals schon je nach Anwendungsszenario eine brauchbare Alternative, inzwischen ist es noch besser geworden, spielt aber keine größere Rolle als vor zehn Jahren. Dabei ist es kinderleicht zu installieren und bringt je nach Distribution einen bunten Strauß voller Anwendungen gleich mit.
Schon vor Jahren habe ich gesagt, Linux würde erst dann eine Chance auf den Durchbruch haben, wenn sich jemand mit kommerziellen Interessen darum bemüht.
Damals habe ich mich noch gefragt: Wer sollte das tun und warum?
Inzwischen wissen wir die Antwort.
Als Google seinen Chrome-Browser vorgestellt hat, wurde gelächelt - jetzt nutzt ihn bereits jeder Zehnte und innerhalb eines Jahres hat sich der Marktanteil verdoppelt - setzt sich der aktuelle Trend fort, werden es Ende 2011 25 bis 30 Prozent sein.
Bei ChromeOS hat man wieder gelächelt - was soll die Welt mit einem weiteren Linux-Klon?
Wir werden uns noch wundern :).
Apple hat es vorgemacht und eine Art eigenen Mikrokosmos geschaffen. Wer in die i-Welt eintaucht, der wird nichts vermissen. Aber Dank der saftigen Preise muss man sich das auch leisten können.
Google hat sich das Prinzip abgeschaut und weiter verfeinert, und noch dazu ist alles kostenlos, d.h. ein Rechner mit ChromeOS wird gegenüber einem Windows-PC bei gleichwertiger Hardware schon mal einen Preisvorteil haben.
Jetzt muss man nur noch dafür sorgen, dass man für jeden klassischen Anwendungsfall noch das passende Programm bereitstellt - und schon hat man das Potenzial, neun von zehn Anwendern damit glücklich zu machen.

Google wird nichts dem Zufall überlassen, genau wie Microsoft treten die nicht an, um ein bisschen mitzuspielen - die wollen gewinnen.
 
Sehr schön gedachte (wenn auch erschreckende) Vision, Martin.

Um den Gedanken abzurunden: wäre es nicht fürchterlich schlau von MS ein tete a tete mit google einzugehen? Das wäre doch eine wirklich unschlagbare Macht. Ich glaube es wäre Fatal, wenn Apple dem zuvorkommen würde.
 
Wie konnte mir das nur passieren, dass ich, beinahe auf den Tag genau, seit zwei Jahren diesen Beitrag übersehen habe?

Super geschrieben, das Lachen blieb mir nur manchmal fast im Halse stecken - einige Dinge klingen eben schon fast real aus heutiger Sicht.
 
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