Kevin Kozuszek! Deinem Beitrag stimme ich insgesamt zu. Mir fällt aber auf, das du wie viele andere Open Source Initiave (OSI) mit der Freie/Libre Software Bewegung (GNU) verwechselst. Z.B. das die OSI versucht ideologisch gegen Windows anzukämpfen, stimmt nicht.
Die GNU-Bewegung wurde von Richard Stallman gegründet und er ist ein Gegner von Closed Source und natürlich Windows. Es ist eine sehr radikale Ansicht und die starke Copyleft-Lizenz zeugt davon, das Closed Source ausradiert werden muss. Ziel: damit User immer den Sourcecode sehen und bearbeiten können.
Weil einige Software-Hersteller mit dieser radikalen Ideologie damals nicht klar kamen, wurde die OSI und der Begriff Open Source erfunden (den Begriff gab es zur Hochzeit von GNU/FSF gar nicht). Erst ein Treffen von Netscape bzw. Mozilla mit anderen Firmen und der Gründung der OSI, wurde der Mittelweg erfunden: Open Source - damit Closed Source Software koexistieren kann.
Deshalb ist die Mozilla Public License nur eine schwache Copyleft-Lizenz. Sie ist ein Mittelding zwischen der radikalen GPL und der für User sinnlosen BSD/MIT-Lizenz (hilft nur für Firmen gut). So das Closed Source davon nicht betroffen ist, aber noch so frei, das User an den Quellcode kommen können (Copyleft).
Ich finde diesen Aspekt sehr wichtig, wenn man über freie Software spricht. Denn es ist nicht alles Open Source, wenn es keine Closed Source ist. Die Freie/Libre-Software-Bewegung würde sich niemals in die OSS-Ecke stecken lassen. Und das hat auch seine brechtigten Gründe.
Grundsätzlich ja, aber darauf habe ich mich auch gar nicht bezogen. Im Übrigen kenne ich den Unterschied zwischen OSI und GNU schon ziemlich gut, das braucht man mir nicht mehr zu erklären nach den vielen Jahren.
Für mich hatte der OSS-Gedanke immer zwei zentrale Aufgaben, der zum Teil auch durch Mozilla bei mir geprägt wurde. Erstens geht es mir darum, dass solche Projekte eine starke Alternative zu kommerziellen Vertretern sein können und dem Nutzer so eine Wahlmöglichkeit gegeben wird. Zweitens erlaubt OSS auch in einem großen Maße eine Form der Teilhabe, sei es durch die Community, durch die Möglichkeit, zu lernen, oder ähnliche Bereiche. Das ist auch dieser pragmatische Ansatz, den ich meinte und den ich bis heute vertrete. Bis zum Mai 2013, als die Leaks von Edward Snowden publik wurden, war es für mich persönlich auch kein Problem, mich in einem sachlichen Grundton mit anderen Nutzern über Plattformgrenzen hinweg über wichtige Themen wie Datenschutz und Datensicherheit auszutauschen. Auch damals waren da schon überzeugte Linux-Nutzer dabei, aber weil ich denen nicht mit Vorurteilen begegnet bin, habe ich von denen, so ehrlich will ich sein, auch eine Menge gelernt.
Seitdem es aber Snowden gab (und das nochmal verstärkt mit dem Release von Windows 10 im Juli 2015), hat sich das Blatt selbst in der eigentlich sehr gemäßigten OSS-Landschaft stark gewandelt. Ein großer Teil hat sich den Positionen der FSF deutlich angenähert, was nur ein Aspekt ist. Ein anderes Beispiel sind die Forks. Die hat es zwar immer gegeben, aber noch nie war das so extrem wie heute. Ein gutes Beispiel war der Zwist zwischen der Firefox-Community und seinem ultrakonservativen Teil, der hinterher zu Pale Moon abgewandert ist und seitdem diesem Klappergestell (sry, ist wertend, aber ich halte von dem Browser absolut gar nichts) fröhnt.
Am Schlimmsten finde ich aber das, was vor allem Teile der Linux-Community umsetzen. Wie gesagt, auch für mich sind Datenschutz und Datensicherheit extrem wichtige Themen und es soll keiner glauben, dass ich die auf die leichte Schulter nehme. Dafür befasse ich mich zu sehr mit Sicherheitsthemen und überprüfe auch mein eigenes Konzept dafür in regelmäßigen Abständen. Ich glaube aber auch, dass das ein Thema ist, was nur plattformübergreifend gelöst werden kann. Nun gibt es diese Eigenbrödler auch bei uns oder bei der Apple- oder Google-Community (auch mit Beleidigungen, was absolut nicht in Ordnung ist), aber ganz speziell die Linux-Community treibt es auf die Spitze und mir das Ganze die Galle hoch.
Richtig ist, wenn du die Leute auf Linux als Alternative aufmerksam machst, ihnen bei wichtigen Möglichkeiten wie einer einfachen Verschlüsselung hilfst oder generell unabhängigere Alternativen in Softwarefragen aufzeigst. Kein Problem. Womit ich aber ein Problem habe, ist, wenn man sich der konstruktiven Debatte mit den anderen Communities samt ordentlichem Bashing völlig verschließt, stattdessen alleine eigene dezentrale oder ähnliche Alternativen aufzieht und sie als das nahezu einzig Wahre preist. So baut man Parallelgesellschaften. Gleichzeitig wird dann trotzdem oft versucht, über Wine Windows-Programme zum Laufen zu kriegen, Web-Tools über SSB-Programme wie Ice in Linux eingebunden oder man bewegt sich auch auf Linux mit normalen proprietären Programmen wie Chrome oder Steam und surft auch bei Facebook und Co., was du speziell bei den internationalen Linux-YouTubern ganz oft bemerkst.
Das klingt jetzt sehr wertend und ich meine damit wirklich nicht alle, aber ich sage es mal frei raus:
Genau solche Menschen sind für mich pure Heuchler, denn sie leben besonders unerfahrenen Laien eine Scheinwelt vor, die so nicht existiert. Wenn du den Nutzern nicht eine echte Wahl ermöglichst, die auch ihr, wenn es macOS oder Windows heißt, favorisiertes Betriebssystem einschließt, dann hat das nichts mit Freiheit zu tun. Das ist nur eine reine Abschottungspolitik unter dem Deckmantel von Freiheit und Unabhängigkeit. Gleichzeitig sind die großen Probleme mit qualitativ minderwertigem OSS-Code allgemein bekannt, genauso, dass viele Programme viel zu oft viel zu sehr veraltete Versionen einer entsprechenden Komponente einsetzen. Nur so können Lücken wie Heartbleed überhaupt entstehen. Hier kommt dann auch das Thema Vertrauen ins Spiel. OSS-Code könnte nur dann als wirklich viel sicherer deklariert werden, wenn sich jede Software vor jedem Release (auch Alpha, Beta etc.) einem umfassenden Audit einer unabhängigen Stelle unterzieht. Das kann aber weder jemand bezahlen noch gibt es dafür ausreichend Personal. Und so ist es dann nicht anders wie bei Windows, weil sich jeder darauf verlässt, dass einer schon mal in den Code schauen wird. Dass das nicht unbedingt so gut funktioniert, hat die Vergangenheit oft genug bewiesen.
Für mich hat der OSS-Gedanke (und das Beschriebene meine ich mit ideologisch-fanatisch) zu einem Großteil seinen Fokus verloren. Es gibt Ausnahmen wie bei Mozilla, wo sich das zum Glück wieder fängt oder nie ganz abgedriftet ist, aber was ich überwiegend mitbekomme, zeugt leider von etwas anderem. Ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, dass a) die Qualität des Quellcodes wieder deutlich besser wird (mir werden auch mittlerweile zu oft halbgare Lösungen etwa auf Electron-Basis aufgetischt) und b) sich gerade die extremeren Teile der Linux-Community (aber auch die der anderen Communities) endlich wieder zusammenreißen und mit den Entwicklern anderer Communities wieder an plattformübergreifenden und jeweils nativen Lösungen arbeiten, die wirkliche Alternativen sind. Davon sind wir aber leider sehr weit entfernt.