Ich sehe das als ein gewaltigen Schritt an und wollte es bis zur offiziellen Ankündigung nicht glauben, dass es tatsächlich so kommt. Das ganze hat in meinen Augen massive Auswirkungen auf die Entwicklung von Windows 10 und vor allen Dingen die UWP-Plattform.
Letztlich zeigt Microsoft mit dem Schritt, dass die Unternehmensführung Windows nur noch wie einen lästigen Klotz am Bein betrachtet, den man lieber heute als morgen loswürde.
Microsoft stampft als Betriebssystemhersteller einen Browser ein, der in den vergangenen Jahren komplett neu entwickelt wurde. Hunderttausende Arbeitsstunden werden so vernichtet, ganz zu schweigen von den Arbeitsstunden von Drittherstellern, die den Store mit Erweiterungen gefüllt haben. Das Werben und Versprechen, den schnellsten, besten und energiesparensden Browser entwickelt zu haben konnte vielleicht nicht ganz eingehalten werden, aber als Resultat einfach die komplette Engine (die letztendlich die größten Auswirkungen auf Performance und Energieverbrauch hat) einzustampfen, zeigt eine erschreckende Ambitionslosigkeit. Anstatt sich Gedanken zu machen, was man besser machen kann, degradiert man einen ganzen Zweig der Entwicklungsabteilung zu einem Kollaborateur einer Fremdentwicklung und gibt damit massiv eigene Kompetenzen auf.
Das Problem, dass EdgeHTML weiterhin Bestandteil von Windows 10 ist und in Cortana, der Suche und UWP-Apps, die auf einen integriertes Webcanvas setzen, macht die Sache nicht besser. Denn die Engine ist tief im Betriebssystem verdrahtet und wird jetzt nicht mehr weiterentwickelt werden. Ich halte es für ein absolutes Armutszeugnis, wenn ein Betriebssystemhersteller auf eine eigene Browserengine verzichtet, sogar Apple hat ja weiterhin seine eigenen Browser, die nicht auf Chromium basieren.
Was bedeutet das für die UWP-Plattform? Wie schon erwähnt, basiert die integrierte Browserfunktionalität ab nun auf nicht mehr gepflegter Funktionalität, dazu basiert nicht einmal mehr der mit dem Betriebssystem mitgelieferte Browser auf der UWP-Plattform, die doch eigentlich die Windows-Entwicklung auf moderne Füße stellen sollte.
Natürlich kann man das alles als vällig logisch bezeichnen, doch wo führt der Weg hin? Was hat Microsoft eigentlich noch vor mit Windows, wenn man so leichtfertig ganze Entwicklungsabteilungen und geplante Neuerungen einstampft? Sterben lassen können sie es nicht, schließlich hängt über 80% der Desktopwelt vom Fortbestehen ab, aber ich habe das Gefühl, genau das würde Nadella am Liebsten tun. Dass Microsoft sich mit immer weiteren Ankündigungen und Plänen, die dann doch wieder eingestellt werden immer unglaubwürdiger macht, das Thema hatten wir ja seit dem Ende von Windows Mobile.
Am Ende möcht ich noch ein Wort zu dem "war doch klar", "völlig logisch" sagen:
Google und Apple haben mehr Marktanteile im Smartphonebereich? "Völlig logisch", die Smartphonesparte einzustampfen, wie bereits geschehen. Spotify hat mehr Nutzer als Groove Music? "Völlig logisch", Groove einzustellen, wie auch schon geschehen. Der Store läuft nicht gut, Spiele werden weiterhin bevorzugt über Steam bezogen? "Völlig logisch", den Store einzustellen und die UWP-Plattform gleich mit zu begraben. Sony hat mehr Marktanteile mit der Playstation? "Völlig logisch", die XBOX einzustellen. Amazon ist die Nummer eins im Cloud-Business? "Völlig logisch", Azure einzustellen, langfristig wird man schließlich seine Kunden sowieso an Amazon verlieren. Mit Windows lässt sich kein Geld mehr verdienen? "Völlig logisch", es überhaupt nicht mehr weiterzuentwickeln und den Quellcode Open Source zu machen und die Community weiter entwickeln zu lassen. Die Surface-Sparte macht nur Verluste und andere Hersteller verkaufen viel mehr Geräte? "Völlig logisch", die Surface-Reihe einzustellen. Bleibt am Ende nur noch Office übrig, nur wie lange noch, angesichts einer offensichtlich so großen Ambitionslosigkeit?
Es mag sich etwas polemisch anhören, was ich im letzten Absatz geschrieben habe, aber wenn man bei jedem kleinen Misserfolg mir nichts dir nichts ganze Sparten in die Tonne tritt, ohne zu überlegen ob man sie vielleicht nicht noch einmal braucht, schadet man jedem Unternehmen.
Im Grunde wäre es einem auch egal, wenn sich Microsoft komplett zu einer Cloud-/Service-Firma wandelt, aber für das Betriebssystem Windows sieht es schlecht aus. Da aber die gesamte Desktopwelt noch auf Jahrzehnte von Windows abhängt, halte ich das für eine bedenkliche Entwicklung. Microsoft kann Windows nicht aufgeben, aber so lieblos damit umzugehen, wird einen gewaltigen Schaden für die gesamte Computerwelt bedeuten, die nach wie vor auf ein funktionierendes Desktopsystem angewiesen ist.