Kevin, ich kann deine Gedanken gerade nicht ganz folgen. Befürchtest du, das künftig Operanutzer für das Unternehmen (unbemerkt) schürfen?
Nein, das nun (erstmal) nicht. Damit würden sich die Entwickler auch unglaubwürdig machen, weil in Opera Touch und in den Adblocker auf dem Desktop erst ein entsprechender Miningblocker integriert wurde. Meine Sorgen gelten anderen Bereichen.
Wenn die Leute von Opera das "Reborn" aus der Mottenkiste holen, dann werden sie garantiert etwas zeigen, was die Zukunft des Browsers für die nächsten 1-2 Jahre erstmal bestimmen wird. R2 war im letzten Jahr jetzt ziemlich winzig (das war Opera Touch und die beiden Desktopfeatures Instant Search und Your Flow), aber wenn sie jetzt schon so groß aufschlagen, wird das sicherlich entweder mindestens auf dem Level von R1 liegen (das war Opera Neon, dessen Ideen ja zum Großteil in den heutigen Browser eingeflossen sind) oder das sogar übertreffen. Dass das Thema Crypto eine ziemlich hohe Priorität bei Opera haben muss, merkte man Ende 2018 ja wirklich auf allen Kanälen. Umsonst haben sie mit Opera Crypto auch keine eigene Division gegründet, die sich nur mit diesen Themen befasst, Partnerschaften schmiedet und die technischen Grundlagen dafür erarbeitet.
Das Thema Web 3.0 ist selbst unheimlich komplex. Dazu gehören neben Dingen wie Kryptowährungen, dem Internet of Things und Machine Learning auch so Sachen wie die Blockchain, die zunehmende Dezentralisierung des Internets und die Schaffung neuer Marktplätze und Geschäftsmodelle, die auf dezentralen Strukturen aufbauen und eben auch mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum bezahlt/gehandelt werden. Deswegen kann man kommende Features für Opera auch relativ schwer eingrenzen, eben bis auf dass eine entsprechende Wallet auch auf den Desktop kommen wird. Vorstellbar wäre für mich einiges:
- Die Wallet, die bisher auf Android verfügbar ist, unterstützt erstmal nur Ethereum. Sollte aber sehr verwundern, wenn andere Schwergewichte wie Bitcoin oder Monero nicht auch noch dazukommen werden.
- Womit ich eigentlich fest rechne, ist, dass Opera seinen Adblocker stark aufrüsten und zum Frontalangriff auf Brave ansetzen wird. Die verfolgen ja eine ähnliche Idee mit ihrem Basic Attention Token (BAT).
- Womit ich auch rechne, ist, dass sie über Opera Desktop den Einsatz für bestimmte Hardware-Dongles unterstützen werden. Genauso wie du zum Beispiel deine 2-Faktor-Authentifizierung mit einem Yubikey absichern kannst, gibt es für den Handel mit Kryptowährungen bei entsprechenden Börsen ähnliche Dongles, die man kaufen kann.
- Was auch über kurz oder lang kommen dürfte, wären Implementierungen, die Opera letztlich zu einer Art Einsatzzentrale für den Handel an entsprechenden Kryptobörsen werden wird. Erstens hat Opera dafür schon Partnerschaften geschlossen und zweitens haben sie auch schon in aller Offenheit darüber gesprochen, dass sie eben den ersten Browser haben wollen, der komplett Web 3.0-ready ist und mit dem sie die Schaffung solcher Strukturen aktiv fördern und daraus Kapital schlagen wollen.
- Was auch noch theoretisch denkbar wäre, sind so Kleinigkeiten wie die Integration neuer dezentraler Protokolle. "dat://" wäre so ein Beispiel, was Beaker zum Beispiel unterstützt.
Was ich "befürchte", ist im Grunde Folgendes:
Ich habe ja nicht vergessen, wem Opera mittlerweile gehört. Das Opera von früher, dem Lars Boilesen immer noch vorsteht und das weiterhin in Oslo sitzt, ist mittlerweile die Otello Corporation und beheimatet mit Skyfire, AdColony und Bemobi drei Firmen für Advertising und Marketing. Die haben mit dem Browser überhaupt nichts mehr zu tun. Dessen Entwicklung findet komplett in Polen statt und untersteht einem chinesischen Konsortium aus dem Antivirus-Hersteller Qihoo 360, dem Mobile/Web Gaming-Unternehmen Kunlun und den beiden Investmentfonds Yonglian und Golden Brick. Was man da nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass in den etwas mehr als zwei Jahren, in denen die neuen Verhältnisse nun schon bestehen, noch kein Weg klar erkennbar war, wie sie die 600 Millionen von damals wieder reinkriegen und aus Opera dann auch noch Gewinn rausziehen. Ihren VPN-Dienst SurfEasy haben sie ja wieder verkauft und der komplette Rest war vollumfänglich kostenlos. Entsprechend glaube ich eben, dass wir hier das künftige Geschäftsmodell sehen werden.
Worauf ich mir bisher keinen Reim machen kann, ist, wie Kunlun in die Rechnung reinpasst und welches Interesse die an Opera hatten. Bei Golden Brick und Yonglian liegt es mittlerweile nahe, der Handel mit Kryptowährungen als hochspekulatives Börsenobjekt ist für Investmentfonds ja ein Reiz und über Opera bekommen sie so (etwa über eine Teilabgabe auf alle Transaktionen) einen Fuß in die Tür, ohne dass der Browser selber minen muss (s.o.). Und bei Qihoo 360 dürfte es eher um die bereits integrierte Technologie gehen. Deren Konkurrenten haben ja auch oft eigene Browser am Markt, haben Passwortmanager, VPNs und Adblocker im Angebot. Qihoo muss die Features von Opera also eigentlich nur aufwerten und hat im Gegensatz zu ihrem eigenen Qihoo 360 Browser, mit dem sie damals ziemlich auf die Nase gefallen sind, sofort Reichweite am Mann.
Klar, zu einem gewisse Teil spekuliere ich hier, aber gerade Qihoo kenne ich leider besser, als mir lieb ist, und besonders denen stehe ich extrem reserviert gegenüber. Das ist das Unternehmen, dessen Töchter WoSign und Startcom damals wegen getürkter Zertifikate (das waren Certification Authorities) ganz massiven Ärger mit Mozilla und den anderen großen Browser-Entwicklern bekommen haben, und Qihoo selber fiel nach allem, was ich schon mal recherchiert hatte, unter anderem mal damit auf, dass deren Qihoo 360 Browser "aus Sicherheitsgründen" dem Rechner, wo er installiert war, nen absoluten Lockdown verpasst hat, d.h. er wurde Standardbrowser, du konntest das nicht ändern und auch keine anderen Browser mehr installieren. Er selber ließ sich wohl auch nur sehr schwer wieder entfernen. Kannst dir also denken, dass ich erstmal ziemlich geschluckt habe, als ich gesehen habe, dass Qihoo eines der beteiligten Unternehmen war, zumal ich damals auch Berichte gelesen habe, nach denen Qihoo von den 4en die eigentlich treibende Kraft hinter dem Geschäft gewesen sein soll.
Mit dem Gedanken, Opera aus den genannten Gründen irgendwann mal abzuwickeln, beschäftige ich mich schon eine ganze Weile, wollte aber erstmal noch abwarten, bevor ich eine Entscheidung treffe. Opera ist ja weiterhin ein extrem leistungsstarker Browser und gehört zu den besten am Markt, das ist ja leider nunmal auch Fakt. Mal sehen: Wenn der neue Edge jetzt bald mal auftauchen sollte und auch soweit einen guten Eindruck macht, ist das ein No-Brainer, den neben Chrome und Vivaldi als dritten Chromium-Browser für Opera nachrücken zu lassen. Wenn Opera jetzt in die gleiche Lücke stoßen würde, wie sie jetzt bei Brave oder in anderer Form bei BitTorrent/Tron vorangetrieben wird, wäre bei mir ne rote Linie überschritten.