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Home Office: Erfahrungen durch die Agoraphobie, Teil 3

DrWindows

Redaktion
Mittlerweile sind wir fast im November angekommen und die Coronakrise hat die Welt immer noch fest im Griff. Die Situation ist nicht nur eine ökonomische und medizinische Herausforderung, auch Menschen mit einer psychischen oder seelischen Erkrankung werden von den Beschränkungen...

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Hut ab vor so viel Offenheit über Deine Krankheit. Ich lese Deine Beiträge mit sehr viel Interesse. Was mich noch interessieren würde, und erlaube mir die Frage: Wie geht Dein persönliches Umfeld mit Deiner Krankheit um ?

Beste Grüsse
Remo
 
[...] Die Situation ist nicht nur eine ökonomische und medizinische Herausforderung, auch Menschen mit einer psychischen oder seelischen Erkrankung [...]

Ich hatte diese Woche ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter in Berlin.
Er meinte, dass in Berlin mehr mumifizierte Leichen aus Wohnungen getragen werden, als die Jahre zuvor.
Das Problem ist, dass nicht unwesentlich viele sich in Ihrer Wohnung verschanzen und Suizid begehen.
Dieses Problem wird von Behörden zwar erkannt und kommuniziert, aber die Politik ignoriert die Tatsache, dass vermutlich mehr Menschen aktuell den Freitod wählen, als das Virus bis jetzt gefordert hat. Das ist ein riesiges Problem, wenn irgendwann mal alle Fakten offen liegen und man feststellen muss, dass durch die Gegenmaßnahmen mehr Todesopfer zu beklagen sind.

Fakt ist, das in Berlin die Wirtschaft massiv ausgebremst wird. Es machen immer mehr Firmen dicht (pleite) Einige überleben durch die Fördermittel mehr schlecht als recht und der Todesstoß wird auch bald kommen. Die Arbeitsämter können noch kaum die Massen abarbeiten, die sich arbeitslos melden müssen. Die Krankenkassen ächzen unter die Masse an Krankengeldstellern...

In diesen Punkt muss ich leider den aktuellen US-Präsidenten recht geben: Wir haben Krieg und der Feind heißt Corona.
Jeder, der einmal "gedient" hat, weiß was das bedeutet!
 
Genau deshalb darf Trump das so nicht sagen - Fahnenflüchtige wissen das nämlich nicht. Aber gut, es wäre das erste Thema, bei dem er weiß, wovon er spricht. Aber lasst uns bitte hier keine allgemeine Corona-Diskussion anfangen, sondern beim Thema bleiben.

Ich musste an mir selbst feststellen, dass es mich ebenfalls stärker belastet, als ich mir das eingestehen wollte - und ich war bislang weder direkt noch indirekt betroffen, auch mein wirtschaftlicher Schaden hält sich mehr als in Grenzen, ich muss also nur das aushalten, was das Thema so ganz allgemein mit sich bringt.
Dass Menschen, die ohnehin schon psychisch angeschlagen sind, überdurchschnittlich stärker belastet werden, glaube ich sofort. Dass es mehr durch Corona verursachte Selbstmorde gibt als durch die Krankheit selbst, halte ich allerdings für eine gewagte und kaum haltbare Aussage. Ich hab neulich sogar gelesen, dass kein allgemeiner Anstieg der Suizide zu verzeichnen wäre, aber ich hab mir leider die Quelle nicht gemerkt und ehrlich gesagt auch nur die Headline gelesen.
 
Das Trump jemals mal was nützliches gesagt hat halte ich für eine gewagte These, ich weis aber das Emmanuel Macron zu beginn der Corona Krise so etwas ähnliches gesagt hat.
Im Endeffekt ist es aber auch egal die Leute erzählen viel wenn der Tag lang ist und am nächsten Tag was anderes.
Ich kann das sehr gut nachvollziehen das Menschen mit psychischen oder seelischen Problemen in der Corona Krise noch vor größeren Herausforderungen stehen als als vor der Pandemie, ich bin kaum mehr in den Sozialen Medien vertreten weil mir diese ganzen Nachrichten allmählich gewaltig auf den Sack gehen, sehe, lese und höre auch kaum noch Nachrichten. Ich gehe ein bis zwei mal die Woche Einkaufen das ist ein Notwendiges übel was ich kauf nehmen muss, ansonsten gehen mir die meisten Leute mit ihren Problemen irgendwie auf den Sack, außer mit meiner Mutter die ich immer Sonntags besuche und über Discord und Herr der Ringe Online habe ich eigentlich kaum noch Soziale Kontakte.
Ich glaube die Vereinsamung der ganzen Single Haushalte ist das größte Problem in der Pandemie.
Ach übrigens der Hauptstadtflughafen BER eröffnet am Samstag aber keiner geht hin! Der Betreiber verzichtet aber lieber auf eine Eröffnungsfeier, besser ist dass.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was mich noch interessieren würde, und erlaube mir die Frage: Wie geht Dein persönliches Umfeld mit Deiner Krankheit um?

Das kommt darauf an, ob mich die Personen schon länger kennen und ob sie auch mit der Agoraphobie als Begriff etwas anfangen können. Die meisten Menschen haben den Begriff der Platzangst ja irgendwo mal aufgeschnappt, aber sie wissen noch lange nicht, was eine ausgewachsene Agoraphobie wirklich bedeuten kann, und meistens verwechseln sie das auch noch mit der Klaustrophobie, was auf Deutsch die Raumangst ist und das genaue Gegenteil der Agoraphobie markiert. Bei mir kommt dann noch hinzu, dass es eine Agoraphobie mit Panikstörung ist (die schwerste Form, die eine Agoraphobie annehmen kann) und ich obendrein auch noch eine schüchterne und eher introvertierte Persönlichkeit bin. Ich bin von Natur aus ein eher leiser Mensch und reflektiere auch viel stärker, was ich wie am Besten angehen kann.

Menschen, die mir wirklich nahe stehen, sehen das auch eher gelassen und unterstützen mich da. Die wissen auch, dass hinter dem Menschen, der eben diese seelische Behinderung hat, auch jemand steht, der die japanische Popkultur mit Anime und allem drumm herum liebt, der gerne kreativ ist, der elektronische Musik mag, der BVB-Fan ist, der gerne auch noch seinen Motorradführerschein machen würde, wenn es die Phobie mal zulassen wird, und so weiter. Genauso merkt man aber auch, dass viele damit nichts anfangen können. Das liegt aber auch daran, dass die Agoraphobie für sie einfach nicht so greifbar ist. Andere Krankheiten wie Asthma oder Tourette haben offensichtliche Merkmale, die man oft genug im Alltag sieht. Die Agoraphobie zeigt sich erst dann, wenn eine Situation sie triggert und die Symptome auslöst. Ansonsten verhalte ich mich ganz normal, wie jeder andere Mensch auch.

Der Umgang mit der Agoraphobie ist nicht immer einfach. Rechtlich ist es, was die Unterstützung angeht, nach Deutschem Recht unheimlich kompliziert, weil da mit dem Sozialrecht, dem Betreuungsrecht sowie dem Behinderten- und Teilhaberecht ganz unterschiedliche Rechtsbereiche zusammenkommen. Außerdem merkt man bei fremden Menschen, die einem quasi nur im Vorbeigehen sehen, manchmal die Stigmata an. Für mich sind Berichte wie dieser hier immer ganz erhellend, aber ich kenne das auch bei mir, dass die Leute mit dem andersartigen Verhalten von mir, wenn ich einen Ausbruch hatte, nicht gut klar kamen oder ich dann schonmal das Mädchen oder die Memme war, wenn es mal besonders schlimm war und ich dann auch einen Weinkrampf hatte, der mich dann ausgelaugt hat. Kein schönes Gefühl, und wenn man bedenkt, dass der Anteil an männlichen Betroffenen bei der Agoraphobie nur zwischen einem Viertel und einem Drittel beträgt... es passt bei Vielen halt nicht ins Bild, dass auch Männer/Jungen mal laut Emotionen zeigen.

Was die Arbeit bei Dr. Windows betrifft, merken das die anderen im Team übrigens auch. Wie ich damals im Dezember 2015 den ersten Gastartikel hier veröffentlicht hatte, war das für mich schon eine Überwindung, weil ich keinen Plan hatte, wie die Leute reagieren. Im Oktober/November 2016 gabs dann erst ein Gespräch mit Don, anschließend hat Martin mich Ende November 2016 ins Team geholt (am 29.11. sind es dann 4 Jahre). Es ist heute noch so, dass ich bei Teamkonferenzen, die wir zwischen durch machen, zurückhaltend bin. Wir hatten 2017 eine, da war ich erst skeptisch und wollte nicht, dann gabs Zuspruch von Maik und einigen anderen und da war ich dann doch sogar mit Stimme dabei. Mittlerweile machen wir die Teamkonferenzen monatlich und da bin ich bei Microsoft Teams immer mit dem Ohr dabei und schreib meistens was in den Chat, wenn ich was wissen oder anmerken will. Für mich ist das momentan ein guter Kompromiss und die anderen gehen damit echt cool um. Auch ein Grund, wieso mir das Projekt hier immer noch so viel Spaß macht. :)
 
Meine Erfahrung:
Vermutlich tendieren die stillen, ruhigen, introvertierten und (hoch)sensibleren dazu viel zu denken, grübeln.
mE landen die dann in Jobs als Software-Entwickler, techniklastigen Berufen mit weniger Kontakt zu Menschen.
Habe auch 10.000e Stunden vor Computer verbracht, ist auf Dauer nicht gesund für Körper, Geist und Psyche.
Viel Bildschirmarbeit, Büro mit künstlichem Licht, wenig Bewegung und schlechte Belüftung ist nicht unbedingt das Umfeld das uns Menschen gut tut.
Ich habe gelernt, dass Bewegung in der Natur, Sonnenlicht (Vitamin D), fliessendes Wasser, Bäume (Terpene) uns gut tut.
Wir sind Kinder der NATUR.
Schicke dir per PN einen link auf Blog von mir, findest viel passendes...
 
Agoraphobie, also "Platzangst" habe ich nicht.
Dafür kämpfe ich seit 2014 mit Panikattacken, Depressionen sowie sozialer Phobie und Zwängen.
Damals, also 2014-2015, war ich wochenlang in teilstationärer Psychotherapie. Das hat mir wortwörtlich das Leben gerettet (ich konnte kaum das Haus verlassen).
Heute arbeite ich wieder Vollzeit und habe ein einigermaßen geregeltes Leben.
Ich hoffe alle Betroffenen kommen gut durch diese schlimme Zeit, finden Hilfe und Unterstützung.
Auch dir Kevin wünsche ich alles Gute.
 
Meine Erfahrung:
Vermutlich tendieren die stillen, ruhigen, introvertierten und (hoch)sensibleren dazu viel zu denken, grübeln.

Ich habe gelernt, dass Bewegung in der Natur, Sonnenlicht (Vitamin D), fliessendes Wasser, Bäume (Terpene) uns gut tut.
Wir sind Kinder der NATUR.

Introversion hat sicherlich viel mit den genannten Eigenschaften zu tun und ich gebe auch offen zu, dass ich eben sehr stark reflektiere und dafür auch gerne draußen in der Natur bin. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Digitalisierung sich negativ auswirken muss, sondern es geht um Qualität vor Quantität, die richtige Balance und - vor allem - wie man die digitalen Mittel einsetzt.

Ich habe mit der Zeit eine gute Resilienz entwickelt, was die Arbeit und Aktivität in der digitalen Welt angeht. Musste ich irgendwo ja auch, denn einerseits Mitglied der Microsoft-Community zu sein und sich andererseits verstärkt im Umfeld von Linux und freier Software zu bewegen, wie ich das über viele Jahre gemacht habe, ist für die Leute dort ein Widerspruch in sich und ich habe mit der Zeit auch schon ordentlich Keile aus der Ecke kassiert, auch nach Beiträgen auf dem Blog hier. Mittlerweile sind mir solche Aussagen aber wirklich egal. Das Wertvolle an der Zeit, wovon ich heute immer noch profitiere, ist das Wissen, was ich über Linux etc. angeeignet habe und heute ja trotzdem immer noch ausbaue. Das Wissen nutze ich gerade auch, um die Folgen der Coronakrise für mich zu mildern, weswegen ja RSS z.B. im großen Stil ausgebaut werden soll.

Am Ende ist alles eine Frage der Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Ich habe auch meine Werte, nach denen ich lebe, und meine Hobbies und Charaktereigenschaften, die mir Spaß machen und mich ausmachen. Die Kunst ist noch eher, die Introversion mit der Agoraphobie in Einklang zu bringen und nach den Möglichkeiten, die mir die Phobie derzeit erlaubt (der Kampf dagegen ist ein Marathon und kein Sprint), mein Leben so gut und so schön wie möglich zu gestalten. Momentan komme ich mir da eher vor wie bei einem Boxkampf im Schwergewicht: Corona ist in der einen Ringecke, die Agoraphobie in der anderen und ich sitze als Ringrichter genau dazwischen und muss Wege finden, trotzdem so viel Normalität, Struktur und Stabilität wie möglich zu erhalten und auch die weiteren Pläne, um die Auswirkungen der Phobie abzumildern, nicht zu gefährden. Keine leichte Sache, aber ich bin da für nächstes Jahr guter Dinge.

Agoraphobie, also "Platzangst" habe ich nicht.
Dafür kämpfe ich seit 2014 mit Panikattacken, Depressionen sowie sozialer Phobie und Zwängen.

Kenne ich auch. Meine Phobie begleitet mich jetzt über 27 Jahre (bin 33 Jahre alt, die Agoraphobie hat sich um das 6. Lebensjahr herum ausgebildet) und während dieser Zeit habe ich viele Menschen kennenlernen dürfen, die auf ihre Art ein Handicap mit sich rumtragen. Neben Depressionen und sozialen Phobien waren da auch Sachen wie das Asperger-Syndrom dabei. Teilweise sind da sehr gute Freundschaften draus geworden.

Behandlungen von Agoraphobien sind nicht einfach. Mittel der Wahl ist da ja die kognitive Verhaltenstherapie und da vor allem die Konfrontationstherapie, entweder langsam (Desensibilisierung) oder volle Granate (Flooding). Letzteres hat bei mir dazu geführt, dass die Phobie noch stärker wurde, es geht also ohnehin nur über die Desensibilisierung bei mir. Und selbst wenn man das Ganze (teil-)stationär angehen würde, lernt man vielleicht, ein Feld, eine Halle und einen Parkplatz wieder zu betreten, aber eben nicht DAS Feld, DIE Halle oder DEN Parkplatz, der einmal einen Schub ausgelöst hat. Man muss es schon ganzheitlich denken und Techniken, Methoden und Verfahren lernen, wie man die Kontrolle über die Phobie erlangt und behält.
 
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