Was mich noch interessieren würde, und erlaube mir die Frage: Wie geht Dein persönliches Umfeld mit Deiner Krankheit um?
Das kommt darauf an, ob mich die Personen schon länger kennen und ob sie auch mit der Agoraphobie als Begriff etwas anfangen können. Die meisten Menschen haben den Begriff der Platzangst ja irgendwo mal aufgeschnappt, aber sie wissen noch lange nicht, was eine ausgewachsene Agoraphobie wirklich bedeuten kann, und meistens verwechseln sie das auch noch mit der Klaustrophobie, was auf Deutsch die Raumangst ist und das genaue Gegenteil der Agoraphobie markiert. Bei mir kommt dann noch hinzu, dass es eine Agoraphobie mit Panikstörung ist (die schwerste Form, die eine Agoraphobie annehmen kann) und ich obendrein auch noch eine schüchterne und eher introvertierte Persönlichkeit bin. Ich bin von Natur aus ein eher leiser Mensch und reflektiere auch viel stärker, was ich wie am Besten angehen kann.
Menschen, die mir wirklich nahe stehen, sehen das auch eher gelassen und unterstützen mich da. Die wissen auch, dass hinter dem Menschen, der eben diese seelische Behinderung hat, auch jemand steht, der die japanische Popkultur mit Anime und allem drumm herum liebt, der gerne kreativ ist, der elektronische Musik mag, der BVB-Fan ist, der gerne auch noch seinen Motorradführerschein machen würde, wenn es die Phobie mal zulassen wird, und so weiter. Genauso merkt man aber auch, dass viele damit nichts anfangen können. Das liegt aber auch daran, dass die Agoraphobie für sie einfach nicht so greifbar ist. Andere Krankheiten wie Asthma oder Tourette haben offensichtliche Merkmale, die man oft genug im Alltag sieht. Die Agoraphobie zeigt sich erst dann, wenn eine Situation sie triggert und die Symptome auslöst. Ansonsten verhalte ich mich ganz normal, wie jeder andere Mensch auch.
Der Umgang mit der Agoraphobie ist nicht immer einfach. Rechtlich ist es, was die Unterstützung angeht, nach Deutschem Recht unheimlich kompliziert, weil da mit dem Sozialrecht, dem Betreuungsrecht sowie dem Behinderten- und Teilhaberecht ganz unterschiedliche Rechtsbereiche zusammenkommen. Außerdem merkt man bei fremden Menschen, die einem quasi nur im Vorbeigehen sehen, manchmal die Stigmata an. Für mich sind Berichte wie
dieser hier immer ganz erhellend, aber ich kenne das auch bei mir, dass die Leute mit dem andersartigen Verhalten von mir, wenn ich einen Ausbruch hatte, nicht gut klar kamen oder ich dann schonmal das Mädchen oder die Memme war, wenn es mal besonders schlimm war und ich dann auch einen Weinkrampf hatte, der mich dann ausgelaugt hat. Kein schönes Gefühl, und wenn man bedenkt, dass der Anteil an männlichen Betroffenen bei der Agoraphobie nur zwischen einem Viertel und einem Drittel beträgt... es passt bei Vielen halt nicht ins Bild, dass auch Männer/Jungen mal laut Emotionen zeigen.
Was die Arbeit bei Dr. Windows betrifft, merken das die anderen im Team übrigens auch. Wie ich damals im Dezember 2015 den ersten Gastartikel hier veröffentlicht hatte, war das für mich schon eine Überwindung, weil ich keinen Plan hatte, wie die Leute reagieren. Im Oktober/November 2016 gabs dann erst ein Gespräch mit Don, anschließend hat Martin mich Ende November 2016 ins Team geholt (am 29.11. sind es dann 4 Jahre). Es ist heute noch so, dass ich bei Teamkonferenzen, die wir zwischen durch machen, zurückhaltend bin. Wir hatten 2017 eine, da war ich erst skeptisch und wollte nicht, dann gabs Zuspruch von Maik und einigen anderen und da war ich dann doch sogar mit Stimme dabei. Mittlerweile machen wir die Teamkonferenzen monatlich und da bin ich bei Microsoft Teams immer mit dem Ohr dabei und schreib meistens was in den Chat, wenn ich was wissen oder anmerken will. Für mich ist das momentan ein guter Kompromiss und die anderen gehen damit echt cool um. Auch ein Grund, wieso mir das Projekt hier immer noch so viel Spaß macht.