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Windows 10 Mobile: Auch viele Leute aus dem Ökosystem müssen gehen

Die angekündigten Umstrukturierungen bei Windows 10 Mobile bzw. im radikal eingeschrumpften Hardware-Bereich haben viele Fragezeichen hinterlassen. Die Nokia-Übernahme wird mit diesen Maßnahmen nun quasi vollständig rückabgewickelt und alle Leute, die man auf diesem Wege eingesammelt hat, gehen wieder von Bord. Bis hierhin ist das für die Fans und Freunde des Systems nicht schön, aber dann doch rational erklärbar.

Ich habe seither viele Gespräche mit Bekannten bei Microsoft und Partnern geführt, und die Eindrücke, die ich dabei gewonnen habe, machen es mir sehr schwer, eine neue Mission zu erkennen. Es sind nämlich nicht nur Ex-Nokia-Leute von dem Stellenabbau betroffen, oder Mitarbeiter, die auf Seiten von MS explizit in dieser vor der Übernahme ja schon sehr engen Partnerschaft zwischen den Finnen und Microsoft gearbeitet haben. Es müssen auch viele Leute gehen, die schon vor dieser ganzen Sache einen festen Job in der mobilen Sparte hatten. Darunter auch langjährige Mitarbeiter, die schon an Windows Phone gearbeitet haben, noch bevor die Kooperation mit Nokia überhaupt entstand.

Die Jobs, die da entfallen, betreffen auch nicht originär das Hardware-Geschäft, sondern auch das Ökosystem, die dazu führen, dass verschiedene Partner hierzulande in Zukunft keinen Ansprechpartner mehr haben – zumindest nicht in Deutschland. Und das betrifft nicht nur den Consumer-Bereich, denn dann wäre es ja auch wieder erklärbar, sondern auch das Business.

Ich habe mit einem größeren Unternehmen gesprochen, welches bisher Windows Phones in nicht allzu kleiner Stückzahl bezogen hat. Die sagen mir, dass sie im Moment keinen Plan haben, ob und von wem sie im nächsten Jahr Geräte kaufen können, denn die aktuelle Lumia-Palette wird bis Ende des Jahres ausgelaufen sein und Nachfolger wird es nach derzeitigem Stand keine geben. Im Business kauft man sich seine Smartphones nicht spontan, da macht man jetzt schon die Pläne für das kommende Jahr – was derzeit aber nicht möglich ist. Im Moment scheint HP mit dem Elite x3 die einzige und damit auch teure Alternative. Business-Kunden kaufen nicht bei irgendwelchen kleinen OEMs, da muss das Gesamtpaket stimmen und der Service muss gewährleistet sein. Verschiedene spannende Geräte wie z.B. das Moly PCPhone sind daher keine wirkliche Option.

Ich möchte hier keinesfalls eine neue Strophe des Totengesangs einläuten, zumal ich ja selbst mehrfach deutlich gesagt habe, man soll einfach mal in Ruhe abwarten. Ich möchte gerne sagen “Ok, das ist alles nicht schön, aber schauen wir einfach mal, ob Windows 10 Mobile nicht doch irgendwo seine Nische findet und es zumindest für eine kleine Zielgruppe spannend bleibt”. Und keine Ahnung, woher ich diesen Optimismus noch nehme, aber ich traue Microsoft im kommenden Jahr wirklich eine Hardware-Überraschung zu – nicht in Verkaufszahlen, sondern konzeptionell. Aber wie will man das ohne Leute dann “auf die Straße” bringen? Ich habe die schreckliche Vermutung, dass man bei Microsoft glaubt, dies alles von Redmond aus regeln zu können. Das wäre ziemlich typisch, und die Folgen wären leider absehbar.

Ich erkenne hier insgesamt keine Aufbruchstimmung, die sagt “wir stellen uns neu auf und legen neue Ziele fest, die wir dann verfolgen”. Genau die müsste aber trotz aller Rückzugsgefechte spürbar sein. In einem Punkt muss ich meine bisherige Haltung daher überdenken. Ich habe immer gesagt “Microsoft hat alle Zeit der Welt, denn es wartet ja in diesem Sinne niemand auf sie, 99 Prozent des Marktes sind bestens versorgt”. Das wird so aber nicht funktionieren – wenn nicht bald ein klares Signal kommt, dann könnte das Interesse insgesamt unter einen kritischen Wert fallen. Und ich bin mir nicht sicher, ob man dieses Risiko nicht sieht – oder ob man es bewusst in Kauf nimmt.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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