Am Puls von Microsoft

Microsoft und Android: Wie weit muss und darf die Liebe gehen?

Kurz nach der Präsentation des Samsung Galaxy S8 wurde bekannt, dass Microsoft in seinen amerikanischen Retail-Stores eine spezielle Microsoft-Edition anbieten wird, die beim ersten Start diverse Microsoft-Apps installiert. In der Newsmeldung dazu hatte ich geschrieben, dass dies für mich so ein bisschen nach verzweifeltem Anbiedern aussieht. Gleichzeitig hatte ich aber noch einen anderen Gedanken.

In meinen Ideenspeicher für künftige Artikel notierte ich mir: “Wenn schon eine Microsoft-Edition eines Android-Smartphones, dannn bitte richtig”. Einfach nur ein paar Apps drauf klatschen, das kann der Kunde auch selbst (und nur wenn er es selbst tut, besteht auch eine realistische Aussicht, dass er sie tatsächlich benutzt). Eine Microsoft-Edition, die diesen Namen auch verdient, sollte schon sehr viel mehr bieten.

Ich habe die entsprechenden Gedanken bislang nicht in einen Beitrag gegossen, heute wurden sie aber durch einen Artikel des Kollegen Paul Thurrott neu angeregt. Er ist der Meinung, dass Microsoft den ganzen Weg gehen und ein eigenes Smartphone mit Android auf den Markt bringen soll. Diese Idee ist alles andere als neu, entsprechende Vorschläge hörte man schon vor 1-2 Jahren. Jetzt, wo Microsoft seine eigene Smartphone-Plattform aufgegeben hat und nach einem neuen mobilen Ansatz sucht, sei die Zeit aber reif dafür, schreibt Paul.

Im Grundsatz entspricht das dem, was mir bei der Ankündigung der Microsoft-Edition des Galaxy S8 durch den Kopf schoss. Ich bin allerdings der Meinung, dass Microsoft ein solches Smartphone nicht selbst bauen, sondern einen Partner dafür suchen sollte.

Typische Vorbehalte gegenüber Android sind die Sicherheit, die unsichere Versorgung mit Updates und die unvermeidliche Bindung an Google. Alle drei Punkte sind lösbar, wenn auch mit unterschiedlich hohem Aufwand. Der Partner, mit dem sich Microsoft zusammen tut, müsste die Versorgung mit Systemupdates für einen definierten Zeitraum garantieren, das wäre der einfachste Punkt.

Beim Thema Sicherheit wird es schon kniffliger. Android Smartphones sind dann besonders gefährdet, wenn sie gerootet werden. Es gab schon viele Versuche, dies zuverlässig zu unterbinden, wirklich funktioniert hat es nie. Es gibt aber sehr wohl Apps, die einen Root-Check durchführen und bei einem positiven Befund ihren Dienst versagen. Genau das müsste Microsoft bei so vielen Apps wie möglich integrieren. Ich weiß, für Einige wäre das ein Grund, ein solches Gerät nicht zu kaufen, aber auf diese Kunden verzichtet man dann eben.

Am dritten Punkt sind schon Viele gescheitert. Diverse Android-OEMs haben schon versucht, aus dem Google-Gefängnis auszubrechen und wurden wieder eingefangen. Grundsätzlich könnte jeder OEM seinen eigenen App-Store eröffnen, aber er hätte das Problem, dass die Entwickler ihre Apps dann erst in diesen Store stellen müssten. Google hätte keine Möglichkeit, das zu verbieten, aber sie haben genügend Macht, um allen Beteiligten klar zu machen, dass sie das besser nicht tun. Ein komplett Google-freies Android-Smartphone halte ich für sehr schwer umsetzbar, auch für Microsoft.

Unabhängig davon aber gäbe es genügend Möglichkeiten, für eine durchgängige Microsoft-Erfahrung auf einem Android-Smartphone zu sorgen. Die meisten Apps dafür sind vorhanden, einige wichtige fehlen aber noch. Ein Browser beispielsweise. Schon seit dem letzten Jahr erzähle ich, dass Edge niemals aus dem Quark kommen wird, so lange er nicht plattformübergreifend verfügbar ist. Das Fehlen einer derart elementaren Komponente ist einer der Gründe, warum es ein Microsoft-Android gar nicht geben kann.

Grundsätzlich aber bewegen wir uns in eine Welt, in der das Betriebssystem immer unwichtiger wird. Microsoft kann gegen Android nicht gewinnen, also müssen sie versuchen, es so gut wie möglich zu “unterwandern”.

Paul Thurrott greift noch einen anderen Punkt auf, den ich ebenfalls propagiere: Echte Universal Apps. Also nicht solche, die auf allen Windows-Geräten laufen, sondern solche, die auf allen Geräten laufen. Hinter dem Kauf von Xamarin durch Microsoft im letzten Jahr kann doch eigentlich gar kein anderes Ziel stehen, das ergibt sonst keinen Sinn.
Man muss in dem Zusammenhang nicht mal die Universal Windows Plattform in Frage stellen (das tut die harte Realität ohnehin schon), das verträgt sich prima miteinander und ergänzt sich perfekt. Man stelle sich nur mal vor, Windows-Entwickler könnten mit geringem Aufwand auch Android-Nutzer erreichen – eine riesige neue Zielgruppe mit unschätzbarem Potenzial täte sich auf. Umgekehrt wäre es ein großer Vorteil für die Windows-Plattform, wenn bei der Entwicklung einer Android-App “nebenbei” eine Windows App entsteht.

Ja, ich weiß, das klingt immer alles sehr viel einfacher, als es in der Realität ist. Ich erwarte jedoch von Microsoft ernsthafte Bemühungen, die Systeme zusammen zu bringen und Grenzen aufzubrechen. Eventuell erzählen sie uns ja schon in einem knappen Monat auf der Build 2017, wie sie das anstellen wollen.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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