Andreas Gal: Google Chrome hat den Browserkrieg gewonnen
Dr. Andreas Gal, ein ungarisch-deutscher Informatiker und früherer CTO von Mozilla, hat zu dem Thema nun einen interessanten Artikel auf seinem Blog veröffentlicht. Hierbei blickt er nicht nur auf die Entwicklung von Firefox unter seiner Leitung zurück, sondern stellt auch die These auf, dass auf lange Sicht nur noch Chrome und mit Abstrichen Safari eine nennenswerte Bedeutung für den Browsermarkt. Der gesammelte Rest, also auch Firefox, Opera und Microsoft Edge, werden in der Bedeutungslosigkeit versinken.
Firefox kann technisch mithalten
In seinem Artikel setzt sich Gal auch sehr direkt mit seiner Arbeit an der Firefox-Produktfamilie auseinander. Unter anderem hat er 2011 das mobile Betriebssystem Firefox OS aus dem Grund gestartet, weil nach seiner Ansicht der klassische Browser schon zu diesem Zeitpunkt tot war. Mittlerweile hat Mozilla seinen Fokus wieder auf Firefox als Browser verlagert und technisch schneidet dieser in einigen Teilbereichen durchaus auch etwas besser ab als Chrome. Das wird aber nichts mehr daran ändern, dass die Marktführerschaft von Googles Browser auf Jahre hinaus besiegelt ist.
Allerdings merkt Gal zum Schluss auch an, dass dies für das freie Web an sich nicht schlimm ist. Auch wenn Google mit seinem Browser die Marktführerschaft geholt hat, macht das Web an sich sehr viel mehr aus, da es von freien Webstandards bestimmt wird und diese von einer weitaus größeren Gruppe demokratisch entschieden werden. Das war für ihn auch mit eine Motivation, nach seinem Ausstieg bei Mozilla mit Silk ein neues Unternehmen zu gründen, welches sich speziell mit dem Internet der Dinge beschäftigt.
Eine Einschätzung
Prinzipiell hat Andreas Gal mit seiner Einschätzung erstmal nicht unrecht, denn das eigentliche Kernproblem ist etwas völlig anderes. Es geht bei der aktuellen Lage nicht um die Browser an sich, sondern um das, was sie antreibt. Mittlerweile haben wir bei den Rendering-Engines eine extreme Webkit-Dominanz und dabei ist es völlig egal, ob wir von Webkit 2 von Apple, Blink von Google oder der QtWebEngine reden, die einige der freien Browser wie Otter oder QupZilla antreibt. Ganz besonders Blink hat im Rahmen von Chromium aber mittlerweile eine Verbreitung erreicht, die weit über das hinausgeht, was der Browser an sich tatsächlich macht.
Die Paradedisziplin von Chromium ist dabei zweifellos der Entwicklerbereich. Gerade im Bereich von Node.js und Electron beeinflusst man in vielen Bereichen mittlerweile die Entwicklung und macht dabei zum Teil auch vor dem traditionellen Desktop nicht halt. Sieht man von der Anwendungsentwicklung einmal ab, sind auch die Bereiche Gaming und Entertainment zunehmend davon betroffen. Steam und Spotify sind hier nicht zuletzt die ganz prominenten Beispiele, die hier die Rolle des Pioniers eingenommen haben und denen nun auch andere Anbieter wie EA mit Origin nachgefolgt sind.
Mozilla hat einfach geschlafen
Dass Mozilla bei Firefox heute bei weitem nicht mehr die Marktmacht hat, die er früher mal erreichte, muss Gal zu großen Teilen auch auf die eigene Kappe nehmen. In seiner Amtszeit als CTO fiel zum Beispiel auch die Entscheidung, die Arbeiten an der Multiprozess-Architektur Electrolysis zu pausieren und stattdessen mit gezielten Verbesserungen den damals sehr speicherhungrigen Firefox-Browser zu zügeln. Erst Jahre später wurden die Arbeiten an e10s wieder aufgenommen und sorgen nun dafür, dass Firefox als letzter der wirklich relevanten Browser hier weiterhin hinterher hecheln muss.
Aber auch andere Projekte wurden zurückgehalten oder sogar eingestellt. Eines, was heute kaum noch einer kennen dürfte, war Janus. Hierbei handelte es sich um einen Proxy, der durch Seitenkomprimierung das Surfen mit Firefox deutlich beschleunigt hätte und damit zu einem echten Konkurrenten für den Chrome Data Saver oder Opera Turbo geworden wäre. Stattdessen wurde enorme Arbeitskraft in gescheiterte Funktionen wie den VoIP-Client Firefox Hello versenkt und Firefox damit noch stärker ins Abseits manövriert.
Was Mozilla nun vorantreibt und letztlich im kommenden November in Firefox 57 münden wird, ist richtig und auch sehr wichtig. Firefox bekommt mit Photon ein neues Design, der gesamte Unterbau wird, soweit es bisher möglich ist, modernisiert und es folgen weitere Funktionen wie Firefox Screenshots, die einen echten Mehrwert darstellen können. Aber auch wenn diese Neuerungen aufgrund von Projekten wie den WebExtensions definitiv nicht ohne Getöse vonstatten gehen werden, betreibt Mozilla damit für Firefox letztlich nur Schadensbegrenzung. Trotzdem ist es gut, dass sie kommen, denn selbst wenn man nur die nackten Zahlen betrachtet, bleibt Gecko bis auf Weiteres die einzige Engine, die nach Marktanteilen überhaupt zu einer echten Alternative zu Webkit werden kann.
Und Microsoft?
Microsoft Edge haben wir hier im Blog ja schon oft genug kritisiert. Mittlerweile ist er für Leute, die keine großen Ansprüche stellen und sich hauptsächlich im Windows-Ökosystem bewegen, durchaus zu einer respektablen Alternative geworden. Betrachtet man aber das große Ganze und geht im Speziellen auch auf EdgeHTML als seine Rendering-Engine ein, macht Microsoft einfach zu wenig. Dass sie aufgrund des neuen Updatezyklus von Windows 10 jetzt alle 6 Monate erweitert wird und die Updates damit auch berechenbarer werden, ist zwar ein deutlicher Fortschritt, aber unterm Strich bleibt es, wenn Gecko und Blink alle 6-8 Wochen verbessert werden, auch nur ein Minimalkonsens.
Für den normalen Endnutzer muss das dennoch nichts Schlechtes bedeuten. Betrachtet man einmal den Browsermarkt an sich, gibt es immer noch Lücken, die von anderen Projekten gefüllt werden und damit Nutzern mit bestimmten Vorlieben eine neue Heimat geben. Das beste Beispiel hierfür ist nicht zuletzt Vivaldi, der bei vielen Nutzern vom alten Opera 12 wieder punkten konnte. Damit das Web an sich aber langfristig gesund bleibt, ist es sehr wichtig, dass Webkit mit all seinen Forks und Derivaten auf lange Sicht einen echten Gegenspieler bekommt. Ob dieser dann Servo, EdgeHTML oder doch ganz anders heißt, muss die Zeit zeigen.
via andreasgal.com
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Über den Autor
Kevin Kozuszek
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