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WhatsApp und Windows Phone: Es wird zunehmend albern

Seit nunmehr knapp zwei Wochen ist WhatsApp nicht mehr im Windows Phone Store zu finden. Die Einen sagen, dass damit Windows Phone grundsätzlich nicht mehr nutzbar ist, die anderen halten den Zirkus um das Fehlen einer einzigen App für maßlos übertrieben. Das Kuriose daran: Beide Seiten haben Recht. Warum, schreibe ich Euch hier – und ich liefere außerdem noch eine wilde Verschwörungstheorie.

WhatsApp ist ja nun nicht gerade ein hochkomplexes Machwerk – es transportiert Nachrichten von A nach B, und es gibt (sogar) unter Windows Phone eine Menge andere Apps, die das mindestens genau so gut können. Insofern ist die Aussage, dass man WhatsApp viel zu wichtig nimmt, für sich genommen absolut korrekt.

Wer eine der zahlreichen Alternativen schon ausprobiert hat, der kennt jedoch das Problem, unter dem sie alle leiden: Da ist niemand. Mehr als eine Hand voll Leute aus meinem Adressbuch wurde bisher nie gefunden, und meist war deren letzte Aktivität auch schon länger her. Das ist der eigentliche Knackpunkt: WhatsApp ist nun mal Standard, quasi der inoffizielle Nachfolger der SMS, und eine Smartphone-Plattform ohne WhatsApp ist im Consumer-Bereich nicht überlebensfähig, das kann man ohne jede Übertreibung sagen, auch wenn es an sich eine traurige Erkenntnis ist. Wir als Nutzer haben hier ein Monopol geschaffen, und darin müssen wir nun leben. Selbst gewähltes Schicksal…

Dass WhatsApp ausgerechnet zum Verkaufsstart des neuen Hoffnungsträgers Lumia 630 aus dem Store verschwindet, ist für Microsoft daher natürlich besonders bitter. Ich habe schon von diversen Leuten die Vermutung gehört, dass das ja vielleicht gar kein Zufall gewesen ist, sondern ein gezielter Tritt vor’s Redmonder Schienbein. Daran konnte/wollte ich zuerst nicht glauben, in Anbetracht der Dauer dieser ‘Affäre’ und der merkwürdigen Statements der Beteiligten hat sich meine Einschätzung inzwischen aber gewandelt. Ich habe keine Informationen und Beweise, das Folgende ist also nur eine kühne Vermutung: Das Verschwinden von WhatsApp aus dem Windows Phone Store hat keine technischen Gründe.

Die einzige wirklich handfeste Information dazu haben wir bislang von Microsoft erhalten. Angeblich soll ein Problem bei der Benachrichtigungsfunktion unter Windows Phone 8 GDR3 die Ursache sein. Das ist in mehrfacher Hinsicht unglaubwürdig. Denn wie kann ein Bug so schwerwiegend sein, dass man deshalb die App komplett aus dem Store nehmen muss, ohne dass man zuvor jemals von ihm gehört hat? Die allgemeine Zufriedenheit mit WhatsApp unter Windows Phone war noch nie besonders groß, aber von einer auffälligen Konzentration der Kritik rund um die Benachrichtigungsfunktion war nichts zu hören.
Und wenn das wirklich der Grund ist, warum verschwindet die App dann komplett und nicht nur für Windows Phone 8.0, damit der Start von 8.1 dadurch nicht behindert wird?
Darum folgt für mich daraus kühne Vermutung Nr. 2: Der Benachrichtigungs-Bug unter Windows Phone 8.0 ist ein erfundener Grund, der Image-Schaden von 8.1 abwenden soll.

Fast schon amüsant, auf jeden Fall aber albern wird es, wenn ein Microsoft-Supportmitarbeiter im offiziellen Forum schreibt: “Wir wissen, es dauert länger als erwartet, aber Qualität ist die Top-Priorität für Microsoft und WhatsApp” (via).
Jeder, der WhatsApp unter Windows Phone schon länger nutzt und weiß, wie lieblos hingesudelt die App einst in den Store geworfen und wie lange sie lustlos gepflegt wurde, wird sich da ein Schmunzeln kaum verkneifen können. Qualität sieht sicher anders aus – der Vorwurf zielt aber eindeutig auf WhatsApp, denn die sind ja letztlich für ihre eigene App verantwortlich und sonst niemand.

Übereinstimmend erklären sowohl Microsoft als auch WhatsApp, dass man gemeinsam mit Hochdruck an einer Lösung arbeite. Mich beschleicht allerdings zunehmend der Verdacht, dass es dabei nicht um eine technische, sondern um eine politische Lösung geht. Vielleicht testet WhatsApp auf der kleinsten aller Plattformen einfach mal seine Macht aus, in welcher Form auch immer. Dass Facebook im Hintergrund daran beteiligt ist, wie einem dabei zwangsläufig in den Sinn kommt, möchte ich allerdings beinahe ausschließen. Der Verkauf ist bislang nur angekündigt, und Facebook würde großen juristischen Ärger riskieren, wenn es versucht, sich vorzeitig einzumischen. Außerdem stehen sich Microsoft und Facebook eher wohlwollend gegenüber.

Ich glaube jedenfalls, dass da auf dem Rücken der Kunden ein Streit ausgetragen wird. Von wem er ausgeht, liegt ebenfalls auf der Hand, denn Microsoft würde sich dieses Problem ganz sicher nicht freiwillig antun.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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