IFA-Fazit: Windows 8 und die Feigheit der Hersteller
Der Schwerpunkt lag dabei natürlich auf Windows 8, und da wiederum ebenso natürlich auf den Tablet-Geräten, denn das ist nun mal die spannendste neue Geräteklasse. Ein rundes Dutzend Windows 8 Tablets hatte ich selbst in der Hand, bei einigen weiteren musste ich mich mit Infos aus zweiter Hand begnügen. Die Asus-Tablets – außerhalb der IFA präsentiert – sind mir beispielsweise leider entgangen. Und wenn man den Berichten glauben darf, dann habe ich da wirklich etwas verpasst.
Schade, denn vielleicht würde mein Fazit dann etwas positiver ausfallen. Denn unter dem Strich bin ich ehrlich gesagt enttäuscht. Und da Microsoft bestimmt schon länger in die Pläne der jeweiligen Hersteller eingeweiht war, kann ich sagen:
Ich kann nun besser verstehen, warum Microsoft das Surface gebaut hat – es wird dringend gebraucht!
Der Großteil aller vorgestellten Tablets waren nämlich keine. HP, Sony und Toshiba beispielsweise haben nur Hybriden gebaut, andere Hersteller fahren zumindest zweigleisig. Ob Slider, Wende-Monitor oder zweiteiliger Bausatz aus Touch-Monitor und Tastatur: Die Hybriden wollen sowohl Notebook als auch Tablet sein, sind aber dann letzlich weder das Eine noch das Andere. Für ein Notebook zu klein und zu schwach ausgelegt, für ein Tablet zu groß, zu dick, zu schwer – und insgesamt einfach viel zu teuer. Mit solchen Geräten will man einem iPad Konkurrenz machen? Das ich nicht lache!
Es mag Geschmackssache sein, aber ich persönlich kann den Hybrid-Geräten rein gar nichts abgewinnen. Wer ein Notebook und ein Tablet haben möchte, unbedingt auf Windows setzt und einfach keine zwei Geräte kaufen will, für den mögen die Hybriden praktisch sein. Aber eigentlich wären solche Leute mit einem Mittelklasse-Notebook und einem günstigen Android-Tablet besser bedient. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal schreibe…
Tablets, die eigentlich Notebooks sind: Das Sony Vaio Duo 11 ist eines von vielen Hybrid-Geräten
Kommen wir daher schnell zurück zu Windows 8, es gibt nämlich auch Lichtblicke: Zwei Geräte haben bei mir binnen weniger Minuten einen „Will ich haben“-Reiz ausgelöst: Das Samsung ATIV tab und das Lenovo Thinkpad Tablet 2 – in dieser Reihenfolge. Das ATIV tab sagte eigentlich schon beim in die Hand nehmen „hab mich lieb“, und nach einigen Minuten des Herumspielens wollte ich es am liebsten nicht mehr aus der Hand geben. Auch das Thinkpad Tablet 2 hätte ich sofort in den Einkaufswagen gelegt, wenn es denn möglich gewesen wäre.
Über die Acer-Tablets W510 und W700 möchte ich an dieser Stelle nicht viel sagen, aber mein Eindruck auf der IFA war nicht besonders positiv. Sicher, es handelte sich um Vorseriengeräte – ich hätte die in diesem Zustand aber nicht ausgestellt. Da muss bis zum Serienstart in Punkte Verarbeitungsqualität und Systemperformance noch deutlich nachgebessert werden. Vom vielzitierten „Fast&Fluid“ war hier jedenfalls nicht viel zu spüren.
Das Asus mal ganz unfair ausgeklammert (siehe oben), ist es für mich im Moment ein Zweikampf zwischen Lenovo und Samsung. Für das ATIV tab spricht, dass es einfach den schickeren und wertigeren Eindruck macht. Das Thinkpad Tablet 2 punktet dagegen mit der x86 Plattform. Andererseits, will ich darauf wirklich „normale Programme“ installieren? Nein, das will ich eigentlich nicht.
Mein persönliches IFA-Highlight: Das Samsung ATIV tab
Und da kommen wir zum entscheidenden Punkt, der meiner Meinung nach dazu geführt hat, dass die Hersteller zumindest im Augenblick noch zu feige sind, voll aufs Tablet-Pferd zu setzen:
Windows ohne Tastatur und/oder Maus ist eben für Viele – auch für die Hersteller – im Augenblick nicht vorstellbar. Komischerweise würde man bei einem Android- oder iPad-Tablet aber niemals auf den Gedanken kommen, dass da „etwas fehlt“.
Was im Moment entsteht, ist ein gefährlicher Kompromiss. Man hat den Eindruck, mit den Hybrid-Geräten solle der Nutzer langsam „umgewöhnt werden“. Meine Befürchtung ist, dass das schief gehen wird. Die Hybriden werden eher als Notebook-Ersatz gekauft, und wer außerdem noch ein „richtiges Tablet“ haben möchte, greift weiterhin zur Konkurrenz.
Die auf der IFA gezeigten Neuheiten folgen mir zu sehr dem Grundsatz „wasch mich, aber mach mich nicht nass“.
„Windows neu erfunden“ – so hatte Microsoft Windows 8 ursprünglich propagiert. Die IFA wäre ein guter Ort gewesen um zu zeigen, dass man auch die Geräte, auf denen Windows läuft, neu erfindet – bzw. eine neue Geräteklasse ins Spiel bringt, auf der Windows auch ganz neu bedient wird.
Stattdessen werben die Hersteller für halbe Lösungen und untermauern das noch mit dem Spruch, man könne auch all seine Anwendungen weiter nutzen – dabei geht es darum doch gar nicht. Wenn es darum ginge, warum kaufen die Leute dann iPads?
Die Gelegenheit zur Initialzündung wurde leider verpasst – aber es ist noch längst nicht aller Tage Abend. Wenn Microsoft mit dem Surface und Samsung mit dem ATIV tab Erfolge feiern, werden sich hoffentlich noch weitere Hersteller „neu erfinden“.
Links zum Thema:
Samsung ATIV tab: Liebe auf den ersten Touch
HP zeigt das Transformer-Tablet Envy x2
Kurz angeschaut: Toshiba Satellite U920t
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Sony zeigt Hybrid-Tablet Vaio Duo 11 – ein erster Eindruck
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Über den Autor
Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!