Am Puls von Microsoft

Die Windows 10 Skandalkarawane zieht weiter. Nächster Halt: Raubkopien

Nachdem die Themen “Windows 10 macht das Internet langsam” und “Microsoft installiert eine Abhöranlage” hinreichend breit getreten und ausgelutscht wurden, brauchen die Online-Medien ein neues Thema, mit dem das Sommerloch gestopft und der Klickzähler in Schwung gebracht werden kann.
Die Wahl fiel auf den Microsoft-Servicevertrag, und die suggerierte Botschaft lautet: Windows 10 durchsucht Deinen PC täglich nach eventuellen Raubkopien. Und wehe Dir, wir finden was.

Im Gegensatz zu der Diskussion um den Datenschutz und der Update-Verteilung via P2P, wo es durchaus Ansatzpunkte für eine kritische Diskussion gibt, ist diese neue “Skandalstory” bereits im Grundsatz albern. Denn der Microsoft-Servicevertrag regelt die Bereitstellung von Microsoft-Diensten, die man zwar auch unter Windows 10 nutzen kann, die aber eben kein Bestandteil von Windows 10 sind. Der Microsoft-Servicevertrag und die Windows 10 Lizenzbedingungen sind demnach zwei Paar Stiefel.

Stein des Anstoßes ist der Paragraph 7 b des Servicevertrags, er wörtlich lautet:

Wir sind berechtigt, Ihre Version der Software automatisch zu überprüfen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass wir die Dienste bereitstellen können, Softwareupdates oder Konfigurationsänderungen ohne Ihnen hierfür Gebühren zu berechnen herunterladen können sowie die Dienste, einschließlich jener, die Sie am Zugriff auf die Dienste, am Spielen von gefälschten Spielen oder an der Nutzung unerlaubter Hardware-Peripheriegeräte hindern, aktualisieren, verbessern und weiterentwickeln können. Unter Umständen sind Sie verpflichtet, die Software zu aktualisieren, damit Sie die Dienste weiter nutzen können. Solche Updates unterliegen diesen Bestimmungen, es sei denn, den Updates liegen zusätzliche oder andere Bestimmungen bei. In diesem Fall gelten diese anderen Bestimmungen. Sie dürfen die Updates nicht empfangen oder verwenden, wenn Sie den zusätzlichen oder anderen Bedingungen nicht zustimmen, die für die Updates gelten. Microsoft ist nicht verpflichtet, Updates zur Verfügung zu stellen, und gewährleistet nicht, dass wir die Version des Systems, für die Sie die Software lizenziert haben, unterstützen werden.

Wenn ihr jetzt von mir erwartet, dass ich das erklären kann, muss ich Euch enttäuschen. Auch ich habe keine Ahnung, was “nicht autorisierte Hardware” sein soll, mache mir aber dennoch keine Sorgen, Microsoft könne mir in Zukunft vorschreiben, welchen Drucker ich nutzen darf.

Im Grunde mache ich mir um diesen Abschnitt des Servicevertrags genau so wenig Gedanken wie um die anderen, in denen zum Beispiel steht, dass Microsoft jeden Dienst jederzeit komplett verändern oder abschalten darf. Eine Schlagzeile “Microsoft droht mit der Abschaltung von OneDrive” wäre nicht mal gelogen, aber dennoch schwachsinnig.

Im Abschnitt Verhaltenskodex des Servicevertrages steht krass ausgelegt sogar drin, dass mein Microsoft-Account stillgelegt werden kann, wenn ich eine zu große Datei hoch lade.

Solche Verträge sind so formuliert, dass sie den Anbieter so gut es geht aus jeder Verantwortung raus halten und ihm weitreichende Rechte geben, den Nutzer quasi jederzeit vor die Tür zu setzen. Nehmt statt Microsoft jeden anderen x-beliebigen Dienstanbieter und lest dessen Servicebedingungen, ihr werdet überall die selben Formulierungen finden.

Während ich diesen Beitrag schrieb, habe ich einen Termin verpasst. Cortana hat mich nicht daran erinnert. Unverschämtheit, dafür verklage ich Microsoft….aber halt, geht gar nicht. Im Servicevertrag steht nämlich drin, dass Microsoft nicht dafür verantwortlich ist, wenn Cortana nicht mit mir spricht. So ein Mist, die denken aber auch an alles.

Nachtrag: Boris Schneider-Johne von Microsoft hat via Twitter außerdem angemerkt, dass dieser Paragraph schon sehr alt ist und ursprünglich aus den Nutzungsbedingungen von Xbox Live stammt. Er richtet sich gegen das Cheating in Online-Spielen, wodurch sich dann auch die “nicht autorisierte Hardware” erklärt – manipulierte Controller oder Mod-Chips beispielsweise.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zuhause. Seit 15 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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