Activision-Übernahme: Warum Sony gar nicht verlieren kann

Sony ist bekanntermaßen der hartnäckigste Gegner der geplanten Übernahme von Activision durch Microsoft. Anfangs schien es so, als könnten Sonys Argumente bei den Kartellbehörden zünden, doch allmählich dreht sich der Wind und die Japaner stehen zunehmend auf verlorenem Posten. Mit Microsoft einigen will sich Sony aber trotzdem nicht. Wenn man sich die Sachlage anschaut, dann ist das leicht zu verstehen: Sony weiß, dass sie gar nicht verlieren können.
Sony wiederholt gebetsmühlenartig die Befürchtung, Microsoft könnte Call of Duty nur noch exklusiv für die Xbox anbieten oder zumindest Wettbewerber benachteiligen, um auf diese Weise mehr eigene Konsolen zu verkaufen. Vordergründig und in Fanboy-Kreisen mag das naheliegend klingen, einer kritischen Überprüfung halten diese Argumente allerdings nicht stand.
Selbst wenn der von Sony befürchtete Fall eintreten würde und Spieler deswegen tatsächlich ihre PlayStation samt aller anderen gekauften Spiele aufgeben und zur Xbox wechseln würden (was bereits absurd klingt), bliebe die PlayStation immer noch mit großem Vorsprung Marktführer.
Noch absurder ist die Vorstellung, Microsoft könnte die Umsätze eines Topsellers wie Call of Duty auf’s Spiel setzen, um damit ein paar mehr Konsolen zu verkaufen. Das ist auch und vor allen Dingen deshalb so abwegig, als die Xbox-Verkäufe keine Kennzahl (mehr) sind, die über Gedeih und Verderb von Microsofts Gaming-Geschäft entscheidet. Ich hatte das schon vor zweieinhalb Jahren, also lange vor Bekanntgabe des geplanten Activision-Deals, thematisiert: Der Xbox Game Pass auf dem Weg zur kritischen Masse – die Wege von Microsoft und Sony trennen sich.
Selbst ohne Zugeständnisse von Microsoft und ohne andere Begleitumstände kommt man mit gesundem Menschenverstand schnell an den Punkt, wo man feststellt: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Activision-Übernahme den freien Wettbewerb am Spielemarkt gefährdet. Das zu beurteilen – und nur das – ist Aufgabe der zuständigen Behörden. Die brasilianische Behörde CADE hat das in der Begründung ihrer Zustimmung wunderbar auf den Punkt gebracht:
Das zentrale Ziel der Aktivitäten des CADE ist der Schutz des Wettbewerbs als Mittel zur Förderung des Wohlergehens der brasilianischen Verbraucher und nicht die Verteidigung partikulärer Interessen bestimmter Wettbewerber.
Damit ist alles gesagt. Nachdem Microsoft mit Nintendo und Nvidia weitreichende Vereinbarungen getroffen hat, setzt sich diese Erkenntnis so langsam wohl auch bei der EU durch. Zuletzt konnte man hören, dass die EU-Kommission dazu neigt, dem Deal zuzustimmen.
Die amerikanische FTC spielt ihr Anti-Big-Tech-Politikspiel, dürfte sich der Aussichtslosigkeit einer Blockade aber sehr wohl bewusst sein. Immerhin hat die FTC aber angeordnet, dass Sony Dokumente vorlegen muss, die wettbewerbsfeindliche Aktivitäten der Japaner zutage fördern könnten. Das wiederum könnte der FTC die Möglichkeit eröffnen, einen gesichtswahrenden Rückzieher zu machen.
Die große Unbekannte bleibt die britische CMA, die es aber ebenfalls schwer haben dürfte, angesichts der geschlossenen Verträge mit Nintendo und Nvidia sowie dem stets erneuerten Angebot von Microsoft in Richtung Sony, einen ebensolchen Vertrag abzuschließen, bei ihrer kritischen Haltung zu bleiben. Insbesondere der ohnehin realitätsferne Vorschlag, Call of Duty auszugliedern, hat damit keine Grundlage mehr.
Sofern die Behörden also nicht völlig von Sinnen sind, werden sie dem Deal zustimmen. Zumindest ist die “Gefahr” aus der Sicht von Sony inzwischen so hoch, dass man sich fragt: Warum setzen die sich nicht mit Microsoft an einen Tisch und lassen sich vertragliche Garantien geben?
Die Antwort darauf ist denkbar einfach: Bei Sony weiß man, dass sie das, was Microsoft vertraglich zusichern wird, sowieso bekommen werden. Call of Duty wird auch ohne einen solchen Vertrag auf der PlayStation bleiben, weil es das Beste für Microsoft ist. Die Teil-Exklusivität, die Sony heute aufgrund des noch laufenden Vertrags mit Activision besitzt, werden sie so oder so verlieren. Einen besseren Deal als “Call of Duty erscheint feature- und zeitgleich auf Xbox und PlayStation” werden sie nicht bekommen – ein schlechteren allerdings auch nicht, selbst wenn sie kein Stück Papier unterzeichnen, auf dem das garantiert wird.
Es spielt also keine Rolle, ob die Behörden dem Deal mit oder ohne entsprechende Auflagen zustimmen, Sony kann auf keinen Fall verlieren, denn im Ergebnis wird das Gleiche passieren. Durch Abschluss einer Vereinbarung mit Microsoft könnte Sony allerdings das Risiko vermeiden, als moralischer Verlierer dazustehen – im Gegenteil, sie könnten für sich reklamieren, Microsoft dieses Zugeständnis abgerungen zu haben, und niemand könnte das 100%ig widerlegen. Sollte der Deal aufgrund von Sonys Betreiben tatsächlich platzen, hätten sie ebenfalls gewonnen. Ob das aber langfristig für Call of Duty eine gute Sache wäre? Darauf würde ich keinen allzu hohen Betrag wetten.
Über den Autor

Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zuhause. Seit 15 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!