Cloud-Gaming: Die EU hat es verstanden, die CMA immer noch nicht
Die EU-Kommission und die britische Competitions and Market Authority, kurz CMA, haben im Fall der Activision-Übernahme komplett unterschiedlich entschieden, obwohl sie in der Sache sogar einer Meinung sind. Der entscheidende Unterschied: Die EU hat verstanden, wie Cloud-Gaming funktioniert, die CMA nicht.
Auf den ersten Blick mag es erstaunlich klingen, dass beide Behörden für den Bereich, in dem die Musik spielt, in der geplanten Fusion keinerlei Risiken erkennen. Das stationäre Gaming auf PC und Konsolen sehen weder die EU noch die CMA nennenswert tangiert. Zugeständnisse verlangte die EU lediglich beim Cloud-Gaming, die CMA begründete ihre Ablehnung mit einer Gefahr für diesen Markt, der mit “Nische” nur deshalb perfekt beschrieben ist, weil es keine niedlichere Bezeichnung gibt.
Das kann ich allerdings nachvollziehen. Es ist richtig, Cloud Gaming hat derzeit eine vernachlässigbare Bedeutung und es scheint schwer vorstellbar, dass wir eines Tages auf unsere aktuellen Spielkonsolen so zurückblicken, wie wir das heute auf einen VHS-Rekorder tun.
Netflix in 4k und HDR auf einem papierdünnen, 1,60m großen Bildschirm an der Wand war in den Zeiten, als ich beide Hände benötigte, um eine Kassette in das sechs Kilogramm schwere Ungetüm unter meinem noch fünfmal schwereren Fernseher zu wuchten, allerdings ebenso eine Utopie. Unterschätze niemals den technischen Fortschritt.
Insofern kann ich gut verstehen, dass beide Behörden ihren Fokus auf einen Markt legen, der gerade erst am Entstehen ist. Wenn die ganze Welt nach Regulierung schreit, ist es zu spät.
Die CMA hat allerdings entweder nicht verstanden, wie das mit dem Cloud-Gaming funktioniert, oder sie nutzt ihre hanebüchene Begründung als Vorwand für ihre eigentlichen Motive, wie von einigen Beobachtern vermutet.
Via Twitter hat die CMA die gestrige Entscheidung der EU kommentiert:
Die britischen, US-amerikanischen und europäischen Wettbewerbsbehörden sind sich einig, dass dieser Zusammenschluss dem Wettbewerb im Cloud-Gaming schaden würde. Die CMA kam zu dem Schluss, dass Cloud-Gaming weiterhin ein freier, wettbewerbsorientierter Markt sein muss, um Innovation und Auswahl in diesem sich schnell entwickelnden Sektor voranzutreiben.
Die Vorschläge von Microsoft, die heute von der Europäischen Kommission angenommen wurden, würden es Microsoft ermöglichen, die Bedingungen für diesen Markt für die nächsten 10 Jahre festzulegen.
Sie würden einen freien, offenen und wettbewerbsorientierten Markt durch einen Markt ersetzen, der einer ständigen Regulierung der von Microsoft verkauften Spiele, der Plattformen, an die es sie verkauft, und der Verkaufsbedingungen unterliegt.
Dies ist einer der Gründe, warum das unabhängige Gremium der CMA die Vorschläge von Microsoft ablehnte und diesen Deal verhinderte. Wir erkennen zwar an und respektieren, dass die Europäische Kommission das Recht hat, eine andere Auffassung zu vertreten, aber die CMA steht zu ihrer Entscheidung.
Noch einmal zur Erinnerung: Microsoft hat sich dazu verpflichtet, alle aktuellen und künftigen Activision-Titel auf allen Cloud-Plattformen frei zugänglich zu machen, ohne den Käufern eines Spiels oder den Diensteanbietern dafür noch einmal zusätzlich in die Tasche zu greifen. Es wird wohl für immer das Geheimnis der CMA bleiben, wie Microsoft durch dieses Zugeständnis in die Lage versetzt wird, die Bedingungen in diesem Markt zu diktieren.
Das Gegenteil ist der Fall: Diese Verpflichtung ist ein Beschleuniger für das Cloud-Gaming, auch und vor allem für die kleinen Anbieter, die auf diese Weise die Gelegenheit bekommen, ihren Kunden AAA-Games anbieten zu können. Andere Spiele-Publisher werden mitziehen müssen, wenn sie nicht ins Hintertreffen geraten wollen.
Rein theoretisch könnte Microsoft nach Ablauf der zehn Jahre seine Spiele von allen anderen Cloud-Plattformen abziehen, aber das wäre wirtschaftlich ebenso völliger Unsinn als wenn man heute Call of Duty von der PlayStation nehmen würde. Man will schließlich mehr Spiele verkaufen und nicht weniger.
Die Entscheidung und die Begründung der CMA sind keine Wettbewerbsregulierung, sondern eher ein Investitionsverbot, die Leute hinter den obigen Formulierungen sind entweder dumm oder verlogen. Man befürchtet, dass Microsoft die totale Dominanz beim Cloud-Gaming erlangt, weil sie vielleicht die Einzigen sind, die wirklich all-in gehen, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Ökosystem.
Sollte es wirklich so kommen, ist es aber nicht die Schuld von Microsoft, die können nämlich nichts dafür, dass Google voreilig den Schwanz eingezogen hat und Sony lieber darauf setzen will, die Spieler so lange als möglich in ihrer eigenen Welt einzusperren. Die EU sieht das glücklicherweise anders und versucht mit ihrer Entscheidung den Weg für echten Konkurrenzkampf im Cloud-Gaming freizumachen.
Thema:
- Spiele
Über den Autor
Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!