Am Puls von Microsoft

Connected e-Roadtrip: Das E-Raumschiff BMW iX im Test

Connected e-Roadtrip: Das E-Raumschiff BMW iX im Test

Seit 2017 habe ich hier bei Dr. Windows meine eMobility-Nische und habe dabei so manches Auto auf Herz und Nieren testen können. Am 09.09.2018 hatte ich die Gelegenheit, an einem Preview-Event teilzunehmen und das Konzeptauto “BMW Vision iNext” zu begutachten. Nun, anno 2022, habe ich die Gelegenheit, die Serienversion einem Alltagstest zu unterziehen.

Es handelt sich dabei um das Elektroauto BMW iX, das mit einer Außenlänge von 4,95 Meter, einer Breite von 2,23 Meter (inkl. Außenspiegel) und einer Höhe von knapp 1,69 Meter von den Abmessungen her einen X5 mimt. Wer es noch größer mag, für den offeriert BMW den X7, den es aber – vorerst – nicht als vollelektrische Version geben wird. Zudem nimmt der iX eine Sonderrolle im Portfolio des Münchner Autoherstellers ein. So basiert der iX auf einem Baukasten, der exklusiv nur von diesem E-Auto genutzt wird. Einige Bestandteile werden aber sukzessive in andere, neue BMW-Modelle einziehen, der iX ist also ein Technologieträger, den jeder kaufen kann. Vorausgesetzt, man hat mindestens 102.000 Euro für den BMW iX xDrive 50 übrig.

Neues Bedienkonzept findet den Weg in jeden BMW

Im Jahr 2018 zeigte BMW beim Konzeptfahrzeug iNext ein neues Bedienkonzept, welches es – zu großen Teilen – auch in die Serienversion geschafft hat. So gibt es tatsächlich – gegen 1.150 Euro extra – eine Holzleiste rund um den iDrive-Controller aus Kristallglas, auf der einzelne Tasten eingearbeitet sind. Großartig ist, dass man diese Tasten erfühlen und so auch während der Fahrt verkehrssicher bedienen kann.

Aus der Studie wurde auch der frei stehende Touchscreen übernommen, der auf 14,9 Zoll kommt und entspiegelt ist. Verworfen hat BMW hingegen die weißen LEDs, die ein Eingabefeld auf Alcantara-Bezüge der Rücksitzbank projizieren. Im Gegenzug gibt es eine neue Version der Online-Sprachsteuerung “Intelligent Personal Assistant”, bei der Marion Sardone, ehemalige Microsoft-Mitarbeiterin im Cortana-Team, federführend beteiligt ist. Die neue Sprachsteuerung versteht nicht nur alle Mitfahrer, sondern beherrscht viele Befehle. Eine gute Weiterentwicklung, BMW!

Der neue Sprachassistent kommt gemeinsam mit dem neuen BMW Operating System 8. BMW-Besitzer, die ein Fahrzeug mit dem Vorgänger BMW OS7 fahren, können nicht auf die neue Betriebssystemversion aktualisieren, weil hierzu neue Hardware notwendig ist und der Hersteller keinerlei Umrüstkits offeriert. Wie üblich entwickelt die BMW Car IT GmbH alle Infotainmentsysteme in Zusammenarbeit mit Zulieferern. Seit BMW Operating System 7.0 wird auf eine eigene Linux-Distribution gesetzt, in OS8 kümmert sich ein neuer Chipsatz von Qualcomm samt 5G-Mobilfunkmodem um die Rechenaufgaben.

Leider genehmigt sich das neue BMW Operating System 8 in der getesteten Software-Version 03-2022 immer wieder kleine Gedenksekunden. Zudem fährt sich das komplette Radio- und Navisystem bereits beim Öffnen der Fahrertür hoch und benötigt somit sofort Strom, anstatt erst auf einen Tastendruck zu warten und sich dann erst komplett hochzufahren. Analog zum Vorgänger erhalten auch Nutzer von BMW OS8 kostenlose Remote Software-Updates, zumindest so lange BMW dieses Betriebssystem offiziell für Neuwagen anbietet.

Bisher war es bei BMW üblich, dass man die Klimaanlage entweder über Tasten oder Drehregler einfach und intuitiv steuern kann. Mit BMW OS8 eifert der deutsche Autobauer dem derzeitigen Trend der Industrie nach und verbannt alle Klimatisierungseinstellungen auf den Touchscreen. Wie ich bereits beim iX-Konkurrenten Audi e-tron S Sportback kritisiert habe, lenkt die Klimabedienung via Touchscreen während der Fahrt den Fahrer stark ab und ist daher eine Verkehrsgefährdung. Schließlich muss man immer zum Bildschirm schauen, was man wo einstellen kann, ein haptisches Feedback gibt es nicht.

Lediglich die Temperatureinstellung ist immer am unteren Bildschirmrand verortet. Wer etwa die Gebläsestärke verändern möchte, weil man im Innenraum einen Luftzug spüren oder die Ausrichtung vom Luftstrom verändern will, um etwa kalte Füße zu vermeiden, muss jedes Mal ins Klimamenü wechseln und dort die entsprechende Einstellung suchen. Gerade während der Fahrt lenkt das ab, da eine sekundengenaue Eingabe fast unmöglich ist und man nicht mehrere Sekunden den Blick von der Straße wenden darf, laut StVO.

Immerhin bietet BMW die Option an, via Sprachsteuerung die Klimaeinstellung vorzunehmen, allerdings dauert die Ausführung länger als früher, als man noch eine Taste drücken musste. Zwar versteht die Sprachsteuerung von BMW, die in Zusammenarbeit mit dem kürzlich durch Microsoft übernommenen Zulieferer Nuance entsteht, nun einige Autofunktionen, allerdings ist noch Raum für Verbesserung. So sparen sich BMW & Co. zwar Geld durch die Verlagerung der Klimabedienung auf den Touchscreen, aber eine wirkliche Verbesserung für den Nutzer stellt sich damit nicht ein.

Fahrzeug-Apps für Massage & Co. lassen sich nur umständlich steuern

Der rund 130.000 Euro teure Testwagen verfügt über Integralsitze mit Massagefunktion sowie Sitzheizung, die mit Naturleder Amido bezogen sind, welches umweltschonend mit Olivenblattextrakt gegerbt wurde. Um die Massagefunktion zu aktivieren, muss man auf dem Touchscreen die Fahrzeug-App Sitzkomfort auswählen.

Wer sich nicht durch die Menüs hangeln will, kann auch via Sprachbefehl die App öffnen. Leider lässt sich die Massage aber nicht per Sprache aktivieren oder konfigurieren. Der Intelligent Personal Assistant kann lediglich die entsprechende App aus der Liste der installierten Applikationen heraussuchen, für alles andere muss man mit manueller Bedienung am Touchscreen fortfahren. So wird die Steuerung der Massagefunktion – leider – ziemlich ablenkend und kompliziert. Hier verschenkt BMW Potenzial.

Fahrerinfo-Display verliert Funktionen

Bei BMW OS7 gibt es eine Bildschirmeinheit, bestehend aus einem Touchscreen in der Mitte und einem 10 Zoll großen Bildschirm hinter dem Lenkrad. Wie ich bereits testen konnte, lässt sich bei BMW OS7 beim Display hinter dem Volant nicht nur die Navikarte samt Abbiegehinweise, sondern daneben auch ein Bordcomputer, Temperaturanzeigen, die Anrufliste oder die gerade abgespielte Musik anzeigen.

Im offiziellen Nachfolger BMW OS8 hingegen verliert das nun auf 12 Zoll angewachsene Fahrerinfo-Display einige Konfigurationsmöglichkeiten. Etliche Autotester hatten sich beschwert, dass bei BMW OS7 nur ein Layout verfügbar ist, das zwar an die Form der BMW-Niere erinnern soll, jedoch fehlte so manchem Tester die Darstellung in Form von Rundinstrumenten für Geschwindigkeit und Drehzahl.

Mit BMW OS8 gibt es nun tatsächlich verschiedene Layouts, jedoch fehlt das digitale Abbild der Rundinstrumente weiterhin. Im Vergleich zum Vorgänger offeriert das neue Fahrerinfo-Display sogar weniger Funktionen, was eine Enttäuschung darstellt. So ist es nicht mehr möglich, etwa neben der Kartendarstellung auch noch den Bordcomputer einzublenden. Zwischen den Spangen, mit Geschwindigkeit auf der linken Seite und abgerufener Power auf der rechten Seite, kann nur ein einziger Inhalt angezeigt werden.

Falls man sich für die Kartendarstellung entscheidet, wartet die nächste Überraschung. So offeriert die Kartendarstellung keinen Zoom, wie es bei VW und dem Digital Cockpit üblich ist. Wer bei BMW in die Karte hineinzoomen will, muss den Touchscreen in der Mitte bemühen. Abbiegehinweise werden bei aktiviertem Heads-up-Display direkt ins Sichtfeld projiziert, bei ausgeschaltetem HUD zeigt der Bildschirm hinter dem Lenkrad die Abbiegehinweise an.

BMW Maps mit Here-Karten und Ladestopp-Funktion

Mit BMW Operating System 8 haben die Münchner auch die Festeinbau-Navifunktion überarbeitet. So berechnen die BMW Maps bei einer Zielführung automatisch Ladestopps ein, wenn die Akkufüllung nicht bis zum Zielort reicht. Leider dauert die Berechnung von Ladestopp-Empfehlungen schon mal gerne eine Minute und dabei wird nicht visuell eingeblendet, dass das Navisystem etwas berechnet, sondern der Fahrer einfach mit einer Display-Meldung überrascht.

Es wäre dringend zu empfehlen, dass das Navi via Fortschrittsbalken anzeigt, dass gerade noch eine Route mit Ladestopp-Empfehlungen berechnet wird, da das im aktuellen Stadium doch nicht optimal gelöst ist. Gut ist, dass das Navi sogar anzeigen kann, ob eine Ladesäule belegt oder frei ist. Zudem wird eingeblendet, mit wie viel Prozent an Akkuladung man bei der Ladestation ankommt und wie lange dort der Ladevorgang ungefähr dauert.

Leider fehlt eine wichtige Angabe: Das Navigationssystem verschweigt, mit welcher Restreichweite man am Ziel ankommt und bietet – beim Software-Stand 03-2022 – keine Option an, um selbst festzulegen, mit wie viel Prozent an Akkuladung man am Ziel ankommen möchte.

Die Routenführung an sich gestaltet sich exakt und gut. Straßensperren aufgrund von Bauarbeiten kennt das Navi allerdings oftmals nicht, was ärgerlich ist. BMW greift für diese Echtzeitverkehrsinformationen auf die Daten des amerikanischen Unternehmens Inrix zurück und setzt nicht – wie etwa Mercedes-Benz oder VW – auf Daten vom niederländischen Anbieter Tomtom.

In Sachen Navigation führt somit weiterhin Google Maps, die sogar Verzögerungen an Ampeln anzeigen können, da prinzipiell Android-Geräte angezapft werden,  solange der Smartphone-Nutzer nicht explizit gegen die Nutzung der Ortungsfunktion gestimmt hat. Wer im BMW iX die aktuellen Kartendaten sowie Echtzeitverkehrsinformationen nutzen möchte, benötigt ein kostenpflichtiges Online-Abo, das ab Kauf für einen Testzeitraum gratis freigeschaltet ist. Im derzeit mindestens 200 Euro teuren Abonnement Connected Package Professional sind dann auch die Fahrzeug-Apps sowie die Online-Funktionen der Sprachsteuerung Intelligent Personal Assistant enthalten.

Unterhaltungsfunktionen mit 5G

In Sachen Radio und Entertainment hat sich bei BMW OS8 ebenfalls etwas getan. So sind die Stationstasten alias Favoritentasten wegrationalisiert und durch bis zu sechs Shortcuts auf dem Touchscreen ersetzt worden. Um zu den Shortcuts zu gelangen, kann man entweder den iDrive-Controller nach oben schieben oder man wischt auf dem Touchscreen von oben nach unten.

Leider lassen sich nur einzelne Apps dort ablegen, aber nicht etwa der Schnellzugriff auf die Sitzheizung. Kurios: Der Bordcomputer versteckt sich bei BMW OS8 in der Fahrzeug-App namens Live Vehicle – darauf muss man erst mal kommen… Das BMW Live Cockpit Plus und Professional unterstützt kabellos Android Auto und Apple Carplay. Dank zweier Mikrofone versteht auch die Smartphone-Sprachsteuerung problemlos Fahrer und Beifahrer. Hier hat sich der Konkurrent Audi nicht mit Ruhm bekleckert, da etwa beim e-tron S Sportback immer nur der Fahrer die Sprachsteuerung bedienen kann.

Falls man nicht auf die Entertainment-Apps des eigenen Smartphones zurückgreifen will, bietet BMW weiterhin den kostenpflichtigen Dienst Connected Music an, wobei es sich um die Fahrzeug-App von Deezer oder Spotify handelt. Wer ein Premium-Konto bei Spotify hat, kann so die App im BMW nutzen und muss für das Audio-Streaming kein Datenvolumen des Handys verschwenden, sondern verwendet einfach die Fahrzeugantenne.

Ein weiterer Vorteil der Fahrzeug-App ist, dass man via BMW-Sprachsteuerung verschiedene Playlisten ansteuern und neue Lieder einfach zu einer Playliste hinzufügen kann. Via Android Auto oder Apple Carplay lassen sich Playlisten in der Spotify-App dagegen nur dann aufrufen, wenn man die entsprechende App geöffnet hat und dann eben “OK, Google” (oder Siri) als Sprachsteuerung verwendet.

Allerdings ist die Integration der Smartphone-App kostengünstig, da man hier auch Spotify Free nutzen kann. Weitere Entertainmentapps fehlen allerdings bei BMW OS8, sodass etwa kein Webbrowser zur Verfügung steht, den man während einer Ladepause nutzen könnte. Gegen eine Gebühr von 10 Euro monatlich kann man sich die 5G-eSIM-Karte freischalten lassen, damit man einen WLAN-Hotspot aufbauen und mehrere Endgeräte direkt mit der Fahrzeugantenne verbinden kann, um via 5G im Mobilfunknetz der Deutschen Telekom im Internet surfen zu können.

Im zweiten Teil zum Alltagstest des BMW iX gibt es Fahreindrücke und die Antwort auf die Frage, wie weit man mit einer Akkuladung kommt und wie schnell sich Strom nachladen lässt.

Über den Autor

Claus Ludewig

Claus Ludewig

Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.

Anzeige