Connected Roadtrip im Mustang: Elektrisches Ford-Pferd im Test – Teil 1
Seit dem Jahr 2017 berichte ich hier im DrWindows-Blog über Autos. Inzwischen durfte ich schon so einige heiße Schlitten für Euch testen. In diesem Jahr gab es etwa das elektrische Doppel aus BMW iX und BMW i4. Beide E-Autos kamen mit identischer Motorisierung zu mir, sodass ich einen Konzeptvergleich angestellt habe und der Frage nachgegangen bin, ob ein SUV tatsächlich weniger effizient als eine flache Limousine ist. Das Ergebnis überrascht. Nun hatte ich die Gelegenheit, 14 Tage lang ein besonders kontrovers diskutiertes Elektroauto zu testen. Die Rede ist vom Ford Mustang Mach-E. In zwei Teilen werde ich mich dem E-Auto von Ford widmen.
Der Mustang Mach-E fällt in die Mittelklasse und konkurriert dort mit E-Autos wie dem BMW iX3, oder dem VW-Doppel ID.4 und ID.5. Im Gegensatz zum seit 1964 gebauten Mustang mit Verbrennungsmotor handelt es sich beim Mach-E um einen SUV mit einer coupehaften Dachlinie. Als sich Ford im Jahr 2018 entschloss, endlich ein Elektroauto auf einer eigenen Plattform zu bauen, gab es mehrere Vorschläge. Aufgrund der weltweiten Beliebtheit von SUV war schnell klar, dass es ein Elektro-SUV werden soll.
Viele Kunden schätzen nicht nur den rückenschonenden, weil erhöhten Einstieg, sondern auch die Bodenfreiheit, die ein Befahren vom Bordstein nicht ganz so schmerzhaft für die Karosserie macht und die – bei einigen Modellen dieser Zunft – erhöhte Anhängelast. Zudem bietet die Karosserieform SUV einen handfesten Vorteil bei der Elektromobilität. Die Autohersteller können vergleichsweise einfach einen großen Akku einbauen, ohne dafür die Platzverhältnisse im Innenraum beschneiden zu müssen.
In einem flachen E-Auto, etwa bei der Limousine BMW i4, sitzen die Fondpassagiere unbequem in Froschhaltung. Schließlich drückt das Akkupaket den Boden soweit nach oben, dass die Beine sehr stark angewinkelt sein müssen und die Füße gar nicht mehr unter den Fahrersitz passen. Nur, wenn der Autobauer sogenannte Fußgaragen integriert, können auch in einem flachen Elektroauto hinten sitzende Passagiere bequem mitreisen. Allerdings muss man dann auf Akkukapazität und Reichweite verzichten, weil weniger Akkuzellen verbaut werden können.
Zurück zum elektrischen Ford Mustang: Angeblich soll Ford-Chef Jim Farley persönlich die Designer zurück ans Reißbrett geschickt haben. Ihr Auftrag: Gebt dem E-Auto mehr Persönlichkeit und mehr Sportlichkeit als beim ersten Entwurf. Schließlich sollen Kunden mit Emotionen überzeugt werden, nicht nur mit Praktikabilität.
Herausgekommen ist der Ford Mustang Mach-E. Mit der Bezeichnung Mustang will das Marketing die Sportlichkeit unterstreichen und auch den Preis von mindestens 56.000 Euro rechtfertigen. Ohne Zweifel ist das viel Geld, doch auch ein ähnlich ausgestatteter VW ID.4 übersteigt die Marke von 50.000 Euro und der BMW iX3 kostet gar mindestens 67.300 Euro, bei weniger Reichweite als der Ford. Schließlich offeriert der Ford Mustang Mach-E mit dem Extended Range-Akku – laut Hersteller – bis zu 610 Kilometer Reichweite, während der VW ID.4 auf maximal 537 Kilometer WLTP-Reichweite und der BMW iX3 auf nur 461 Kilometer WLTP-Reichweite kommt.
Mit einer Außenlänge von 4,71 Meter ist der Mustang Mach-E ähnlich lang wie ein BMW iX3 und rund 13 Zentimeter länger als ein VW ID.4. In der Höhe duckt sich der Mustang Mach-E auf knapp 1,60 Meter und ist damit fast sieben Zentimeter flacher als der BMW iX3 (interner Code G08) und vier Zentimeter niedriger als ein VW ID.4. In der Breite misst der Ford Mustang Mach-E knapp 2,10 m mit Außenspiegel und liegt damit auf dem gleichen Niveau wie seine Konkurrenten. Absetzen kann sich der Ford Mustang Mach-E allerdings beim Radstand, der 2,98 Meter misst, sodass es viel Platz für die Passagiere gibt. Zwar passen in den hinteren Kofferraum nur rund 500 Liter Gepäck (bis unters Dach gefüllt bei belegten Rücksitzen), doch bietet der Ford einen sogenannten Frunk an, also einen vorderen Kofferraum. In Sachen Platzverhältnisse und Reichweite konkurriert der Ford Mustang Mach-E mit dem BMW iX, den ich bereits testen durfte. VW und BMW verzichten auf einen vorderen Kofferraum. Beim Ford hingegen können unter der vorderen Haube beispielsweise die Ladekabel verstaut werden. Zudem lässt sich die Wanne entnehmen, sodass man etwa auch dreckige Schuhe vom letzten Ausritt verstauen und danach den Kofferraum ausspülen kann.
Im Innenraum des Elektro-Mustang dominiert das Festeinbau-Navi namens Sync 4A. Ford arbeitet hierbei mit Blackberry zusammen und nutzt die QNX-Plattform für sein Betriebssystem. Erst ab dem Jahr 2023 wird es erste Ford-Modelle geben, die auf Android setzen. Bei Sync 4A handelt es sich um einen aufrecht stehenden Touchscreen mit 15,5 Zoll, in vielen anderen Ford-Modellen wird ein kleinerer, berührungsempfindlicher Bildschirm im Querformat eingebaut – das heißt dann Sync 4.
Die Displaygröße wird dazu benutzt, die Klimabedienung auf den Touchscreen auszulagern, wie das immer mehr Autohersteller tun. Egal, ob es sich um Audi, BMW, Mercedes, VW oder Ford handelt, die Klimatisierung während der Fahrt am Bildschirm einzustellen lenkt zu stark ab. Es ist unsicher, erst auf den Bildschirm sehen zu müssen, um etwa die Temperatur zu verändern. Schließlich kann man auf einem Touchscreen nichts blind erfühlen.
Als Alternative bietet sich die Sprachsteuerung an, doch bei den Premiummarken Audi, BMW und Mercedes wird ein kostenpflichtiges Abonnement gefordert, um viele Features per Sprachbefehl steuern zu können. Darauf verzichtet Ford, doch versteht die von Nuance entwickelte Spracheingabe nur vorgefertigte Befehle. Im Vergleich zum BMW Intelligent Personal Assistant hat Ford also noch viel Verbesserungspotenzial in Sachen Sprachsteuerung. Zwar gibt es bei Sync 4A einen physischen Drehknopf, doch leider lässt sich dieser nicht individuell belegen. So kann man damit nur die Lautstärke vom Radio verändern, aber nicht etwa die Innenraumtemperatur.
Radio- und Spotify-Test
Ford stattet den Mustang Mach-E bereits in der Basisversion sehr umfangreich aus, sodass es lediglich zwei optionale Pakete sowie verschiedene Farben und Felgen als Extra zu kaufen gibt. So fährt jeder Elektro-Mustang bereits mit einem DAB+-Tuner durch die Gegend, der eine gute Klangqualität kombiniert mit Albumcover und Informationen zum abgespielten Lied. Wie auch schon bei aktuellen BMW-Modellen fällt auf, dass es manchmal eine Gedenksekunde dauert, ehe die korrekten Informationen vom digitalen Radio angezeigt werden. Wer möchte, kann auch auf Bluetooth-Audio-Streaming umschalten. Bequem ist die Einbindung von neuen Bluetooth-Geräten gelöst. Die Ford-Sprachsteuerung führt durch jeden Schritt der Koppelung – klasse Service, Ford!
Android Auto und Apple Carplay werden drahtlos unterstützt. Sobald man via Knopfdruck das Sync-System einschaltet oder den E-Motor startet, verbindet sich automatisch Android Auto mit dem Ford-Infotainmentsystem. Dann lassen sich verschiedene Audio-Apps über die Smartphone-Verbindung am großen Bildschirm anzeigen und steuern. Analog zu Audi verbaut Ford nur ein Mikrofon im Dachhimmel, doch werden bei Ford Sprachbefehle von allen Sitzplätzen akzeptiert, ganz im Gegensatz zu Audis MMI.
Festeinbau-Navi mit Ladestopp-Empfehlungen
Beim Mustang Mach-E ist ein Festeinbau-Navi immer mit an Bord, hierbei stammen die Navi-Daten vom niederländischen Anbieter Tomtom. Gerade bei Elektroautos kommt einem internen Navigationssystem eine besondere Bedeutung zuteil, schließlich muss man immer wissen, wie weit man noch mit dieser Akkuladung fahren kann.
Ford ermöglicht eine Routenplanung mit automatischer Planung von Ladestopps. In der Routenübersicht ist nicht nur ersichtlich, wie lange man bis zum Ziel braucht, sondern auch, wie lange der empfohlene Ladestopp dauern wird. Hierbei berechnet das Ford-Navi auch Daten von anderen vernetzten Ford-Modellen ein, sodass neben Echtzeitverkehrsmeldungen auch Wettervorhersagen in die Routenberechnung einkalkuliert werden. So wird die voraussichtlich zur Verfügung stehende Reichweite nicht nur anhand des Fahrstils der letzten Fahrten errechnet, sondern der Ford berücksichtigt auch die Wettervorhersage und passt seine Reichweitenprognose entsprechend an. Leider muss man für diese Routenübersicht immer die Ansicht wechseln, schöner wäre es, wenn es eine Seitenleiste mit Informationen zu den geplanten Ladestopps geben würde. Immerhin ist es möglich, verschiedene Navi-Menüs den eigenen Vorlieben anzupassen und etwa die Reihenfolge der Menüpunkte individuell anzupassen. Im Alltag ist dies eine willkommene Entscheidung, da dies den Schnellzugriff auf Funktionen erleichtert.
Um die Echtzeitverkehrsinformationen, eine Onlinesuche nach POIs, den Wetterbericht sowie die Schwarmintelligenz beim Abstandstempomaten und der Routenberechnung nutzen zu können, benötigt man das kostenpflichtige Abo Ford Connected Navigation bzw. Premium-Konnektivitätspaket. Ab Erstauslieferung des E-Autos sind diese Online-Dienste für drei Jahre kostenfrei nutzbar, danach werden jährlich 80 US-Dollar fällig. Wer möchte und seinen Mustang Mach-E mit einem kostenlosen Ford-Konto verbunden hat, kann seine Daten zur Fahrweise auch mit Versicherungen teilen. Hierbei verdient Ford eine Provision und der Fahrzeughalter kann sich über niedrigere Versicherungsbeiträge freuen, vorausgesetzt man fährt StVO-konform. Falls man jedoch die Online-Dienste nicht verlängert, lassen sich die verbauten Assistenzsysteme trotzdem weiterhin nutzen, nur ohne KI-Technologien.
Im Alltagstest bei einer Fahrt von Nürnberg nach München zeigt sich, dass das Navi zielsicher um Staus herumleitet. Zwar werden Abbiegehinweise auch im digitalen Fahrerinfo-Display hinter dem Lenkrad eingeblendet, doch eine Fahrspuranzeige gibt es nur auf dem großen Bildschirm und bei der Sprachansage. Es wäre wünschenswert, dass man die Anzeige zur Fahrspur auch auf dem digitalen Tacho hinter dem Volant anzeigen könnte.
E-Auto-Funktionen und Ford Pass-Smartphone-App
Bei einem Elektroauto kommt es nicht nur auf das Festeinbau-Navi an, auch weitere Features sind gern gesehen und erleichtern den Alltag. So bietet Ford eine Vorklimatisierung des Innenraums an. Im Infotainmentsystem lässt sich die Standheizung programmieren. Leider bietet die Smartphone-App Ford Pass keine Möglichkeit, die Standheizung aus der Ferne zu aktivieren, man muss jedes Mal den Fahrzeugschlüssel benutzen oder die Konfiguration vorab im Infotainmentsystem erledigen. Immerhin lässt sich via Ford Pass nicht nur das Auto ent- und verriegeln, sondern auch eine Route planen und an den Mustang Mach-E schicken. Bei der Routenplanung wird der Ladestand des E-Auto-Akkus berücksichtigt und Ladestopps automatisch eingeplant.
Sehr praktisch sind die Ladefunktionen beim Ford Mustang Mach-E. So lässt sich eine Übersicht über die zuletzt genutzten Ladeorte anzeigen. Wer möchte, kann dann einzelne Ladeorte als Favoriten hinterlegen und hierbei bestimmte Vorgaben machen. So lässt sich beispielsweise festlegen, dass das Elektroauto im heimischen Stall nur bis zu 80 Prozent laden und den Ladevorgang zu bestimmten Uhrzeiten durchführen soll. Mit derartigen Einstellungen kann man automatisch dafür sorgen, dass das E-Auto etwa immer mit dem günstigen Nacht-Tarif lädt.
Informativ ist der Bordcomputer, welcher darüber Auskunft gibt, wofür die Energie verbraucht wurde. Zudem kann man für vorausschauendes Fahren virtuelle Sterne sammeln. Zwar ist diese Idee nett und eine schöne Motivation für den Fahrer, doch könnte Ford hier künftig noch mehr bieten. Eine regionale Rangliste mit den effizientesten Fahrern könnte noch mehr motivieren, ein Tausch der virtuellen Sterne gegen Servicegutscheine beim Ford-Händler würde zusätzliche Anreize schaffen. So liegt – zum Testzeitpunkt im August 2022 – noch viel Potenzial brach. Allerdings bietet Ford für Sync 4A und den Mustang Mach-E kostenlose Over-the-Air-Updates an, sodass es möglich ist, Features nachzurüsten. Die aktuellen Softwareversionen können nur dann aufgespielt werden, wenn das Auto steht, also der Park-Modus beim Automatikgetriebe aktiviert und der Motor ausgeschaltet ist. Zudem muss man in einer Gegend mit ausreichendem Mobilfunkempfang parken, damit das Update heruntergeladen werden kann.
Im zweiten Teil meines Alltagstests zum Ford Mustang Mach-E werde ich mich der tatsächlichen Reichweite sowie der Ladegeschwindigkeit widmen und mein Fazit zum vollelektrischen Mustang ziehen.
Themen:
- Connected Cars
- E-Mobility
Über den Autor
Claus Ludewig
Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.