Connected Roadtrip: Schafft der Q4 e-tron über 500 km Reichweite?
Im November 2021 durfte ich für Euch Audis erstes Elektroauto namens e-tron Sportback als stärkste Version von Audi Sport testen. Mit Verbrauchswerten von um die 30 kWh pro 100 km war der Akku schnell leer. Nun wollte ich wissen, ob es Audi beim zweiten Versuch gelingt, ein effizienteres Elektroauto auf die Räder zu stellen.
So habe ich ein Jahr später den kleineren Q4 e-tron unter die Lupe genommen. Im ersten Teil erzählte ich Euch, welche Überraschung es bei der berühmten Audi-Qualität beim Q4 gibt. Nun ist es an der Zeit, Euch auf die Straße mitzunehmen und der Frage nachzugehen, ob der kleinere Q4 e-tron ein kleiner Säufer ist oder ein Effizienzwunder.
Verbrauch: Audi Q4 genehmigt sich 18,3 kWh pro 100 km
Um zu verstehen, aus welchem Bereich die Ingolstädter kommen, lasst mich einen Blick zurück werfen. Statt auf einen Synchronmotor zu setzen, den nahezu alle Elektroautos verbaut haben, hat sich Audi beim e-tron Sportback für einen Asynchronmotor entschieden.
Die Idee dahinter ist, dass sich dieser Motor feinfühliger steuern lässt, wann wie viel Leistung abgegeben wird. Zudem kann man nur den Asynchronmotor abkoppeln, sodass etwa nur einer der drei im großen e-tron S Sportback verbauten Motoren läuft. Allerdings ist das Drehzahlband bei Asynchronmotoren nicht so ausgelegt wie bei Synchronmotoren. Permanent erregte Synchronmotoren (PSM) arbeiten effizienter als Asynchronmotoren.
Dieser Umstand zeigt sich auch beim Umstieg vom e-tron S Sportback in den halb so teuren Bruder Q4 e-tron. Schließlich hat der Q4 einen sogenannten PSM an der Hinterachse verbaut. Dank dieses Elektromotors lassen sich deutlich niedrigere Verbrauchswerte realisieren als beim großen Bruder e-tron. Wer nun einwirft, dass ein größeres E-Auto mehr verbrauchen muss, dem sei mein Testbericht zum BMW iX empfohlen, der ähnliche Abmessungen und Leistungsdaten wie der e-tron S Sportback hat. Statt mehr als 30 kWh verbraucht der BMW nur zwischen 20,5 und 24 kWh pro 100 km. Die Münchner setzen auf PSM und nicht auf Asynchronmotoren.
Im Q4 e-tron Sportback werkelt ein PSM-Elektromotor an der Hinterachse. Als Sportback-Version ist der Q4 zwar 2.000 Euro teurer als die normale Version, doch bekommt man dafür einen besseren cw-Wert. So kommt der Q4 e-tron Sportback auf nur 0,26 und besitzt somit den gleichen Luftwiderstand wie ein Opel Corsa.
Eine coupéhaft abfallende Dachlinie, ein Heckspoiler, Abrisskanten an den Heckleuchten und den hinteren Radhäusern, eine aktive Aerodynamik in der Frontschürze sowie ein verkleideter Unterboden helfen dem Ingolstädter. Mit einem niedrigen cw-Wert und einer möglichst niedrigen Stirnfläche lässt sich bei einem E-Auto viel Reichweite herausholen. Folglich sind rollende Schrankwände à la Mercedes Sprinter oder VW Transporter eher ungeeignet für Reichweitenrekorde, weil durch den hohen Aufbau und die Kastenform sich eine große Stirnfläche dem Wind entgegenstellt.
Nicht alle Maßnahmen bringen jedoch etwas, so sind Kameraaußenspiegel – im besten Fall – nur für wenige hundert Meter mehr Reichweite gut. Wichtiger sind Abrisskanten, um die Luftverwirbelungen gezielt leiten zu können. Der getestete Audi Q4 e-tron Sportback hatte einen durchschnittlichen Verbrauch von 18,3 kWh pro 100 km. Je nach Fahrtstrecke und Wetterbedingungen konnte ich auch einen Verbrauch von nur 16,9 kWh erzielen, wobei die Außentemperatur bei +7 Grad Celsius lag und ich Stadt und Überland gefahren bin. Auf der Autobahn bei maximal 130 km/h genehmigt sich der Audi Q4 Sportback als Antriebsversion 40 e-tron 24,5 kWh pro 100 km.
Reichweite: Über 400 Kilometer sind möglich – aber nicht auf der Autobahn
Im Audi Q4 e-tron Sportback ist ein Akkupaket von LG Chem verbaut, das in Polen gefertigt und dann zum Produktionsstandort nach Zwickau gebracht wird. Zum Marktstart im letzten Jahr hatte Audi als Einstieg die Version Q4 e-tron 35 mit einem kleinen Hochvoltspeicher im Angebot, mittlerweile gibt es diese Variante nicht mehr zu kaufen. So offerieren die Ingolstädter nur noch einen Akku mit einer Kapazität von 88 kWh, wobei die Nettokapazität bei 77 kWh liegt. Mit dem Puffer gibt es noch Reserve, falls mal eine Lithium-Ionen-Zelle schwächeln sollte. In Sachen Zellchemie setzt Audi auf NMC, also Nickel, Mangan und Kobalt. Folgende Reichweiten konnte ich mit der 77 kWh nutzbarer Akkukapazität ermitteln:
- Stadt und Überland (Temperatur um den Gefrierpunkt): Ca. 420 Kilometer.
- Stadt und Überland (bei +7 Grad Celsius Außentemperatur): Ca. 450 Kilometer.
- Autobahn (Temperatur um den Gefrierpunkt, max. 130 km/h): Ca. 310 Kilometer.
Mit dem durchschnittlichen Testverbrauch kommt man mit dem Q4 e-tron Sportback rund 420 Kilometer weit pro Akkuladung. Folglich kann ein Fahrer eines Q4 über 100 Kilometer weiter fahren als ein Nutzer des teureren Bruders Q8 e-tron Sportback. Allerdings beweist die Konkurrenz aus München, dass ein Elektroauto in der Größe des Q8 schon heute über 500 Kilometer Reichweite bieten kann.
Von der Audi-Werksangabe zum Q4 e-tron Sportback mit knapp 540 Kilometern ist der Testwagen jedoch deutlich entfernt. Das mag zum einen an den Außentemperaturen liegen, die nicht im Idealbereich um die 20 Grad Celsius lagen und zum anderen daran, dass beim WLTP-Testzyklus mit deaktivierter Klimaanlage gefahren wird. Im DrWindows-Test hingegen sind Licht, Radio und Klimaanlage immer an, sowie – je nach Außentemperatur – auch die Sitzheizung. Bei Wohlfühltemperaturen dürfte man rund 20 Prozent mehr Reichweite erzielen können, als zum Testzeitpunkt. Vorbildlich hat Audi die Rekuperation gelöst, bei der jeder selbst entscheiden kann, wie viel man steuern möchte, um etwas mehr Reichweite zu erhalten. Schließlich kann die kinetische Energie zurückgewonnen werden, in dem man vom Beschleunigungspedal geht (früher Gas-Pedal), statt das Bremspedal zu benutzen. Im Fahrmodus B ist die Bremsenergierückgewinnung immer aktiv und wird durch die Navigationsdaten gesteuert.
Audi verlangt fürs Festeinbau-Navi extra
Wenn das Kartenmaterial etwa meldet, dass bald eine Ampel kommt, wird die Rekuperationsleistung verstärkt, sobald der Fahrer vom rechten Beschleunigungspedal geht. Damit dies funktioniert, muss der Audi-Besitzer jedoch das Festeinbau-Navigationssystem gekauft haben.
Die Ingolstädter verlangen für das Navi mindestens knapp 2.000 Euro extra. Falls man noch dazu Abbiegehinweise im Head-up-Display auf die Straße projiziert haben möchte, muss man im Paket knapp 3.000 Euro extra zahlen. Andere Premium-Autohersteller sowie Volumenmarken wie z. B. Ford bieten bei Elektroautos das Festeinbau-Navi ohne Aufpreis serienmäßig an, Audi hingegen verlangt abermals Geld.
Neben dem B-Modus steht auch die gewohnte D-Fahrstufe zur Wahl. Wenn man 300 Euro ins S-Line-Lenkrad investiert hat, bekommt man zwei Schaltwippen, mit denen man während der Fahrt manuell die Rekuperationsstärke verstellen kann. Ein Zug an der linken Wippe und die Bremsenergierückgewinnung wird verstärkt. Insgesamt stehen vier verschiedene Stufen der Rekuperation zur Wahl, von aus bis zu 0,33 g. Es macht einfach Spaß, selbst über die Schaltwippen situativ mehr Energie zurückzugewinnen und somit aktiv den Verbrauch zu senken und die Reichweite zu erhöhen.
Umfangreiche E-Auto-Einstellungen
Im Alltag eines Elektroautofahrers erfreuen etliche Einstellungen, etwa die Standheizung, die ohne Extrakosten genutzt werden kann. Wer möchte, kann die sogenannte Vorklimatisierung wahlweise via MyAudi-App am Smartphone oder direkt im Auto programmieren.
Vorbildlich gelöst ist der e-tron Routenplaner im Navigationssystem. Nach Eingabe eines Ziels werden automatisch Ladestopps als Zwischenziele eingeplant. Wer möchte, kann auch andere als die vorgeschlagenen Ladestationen ansteuern. Toll ist, dass der voraussichtliche Akkustand angezeigt wird, mit dem man an der Ladesäule ankommen wird. Zudem ist die Ladedauer ersichtlich, sodass man vorher weiß, wie lange der Aufenthalt an der Ladesäule dauern wird.
Audi plant beim e-tron Routenplaner nur DC-Schnellladesäulen ein und keine langsamen AC-Ladepunkte. Leider lässt sich keine bevorzugte Ladegeschwindigkeit beim Routenplaner einstellen, doch auch der aktuelle Stand vom Tourplan ist bereits sehr gut. Um die Übersicht zu allen eingeplanten Ladestopps zu sehen, muss man jedoch immer die Navigationsansicht verändern. Eine Seitenleiste, die nicht nur anzeigt, wann man abbiegen muss, sondern auch, wann der nächste Ladestopp ansteht, wäre noch eine gelungene Ergänzung für die normale Kartenansicht.
Wieder einmal hervorragend ist das konfigurierbare Audi Virtual Cockpit hinter dem Volant. So lässt sich etwa eine Kartendarstellung inklusive Abbiegepfeil in den Bildschirm hinterm Lenkrad einblenden. Ein besonderes Lob verdient das Augmented-Reality-HuD. Bei diesem Head-up-Display werden Abbiegepfeile wie im Videospiel auf die Straße projiziert. Im Unterschied zum Spiel kann man in der Realität aber auch durch die Pfeile durchfahren. Allerdings offerieren auch andere Marken aus dem VW-Konzern dieses besondere Head-up-Display, etwa Skoda im Enjaq, Cupra im Born oder VW im ID.4.
Praktisch sind die Ladeeinstellungen im Menüpunkt Fahrzeug. So lässt sich eine Batterieschutzfunktion aktivieren, bei der das Elektroauto nur bis maximal 80 Prozent Ladestand geladen wird. Mit dieser Konfiguration werden die Akkuzellen geschont und halten nochmal mehr Ladevorgänge aus. Ein Elektroauto ist hier ähnlich, wie ein Akku im Smartphone oder Laptop. Je voller der Akku ist, desto gestresster sind die einzelnen Akkuzellen und altern so schneller. Für die Langstrecke sollte ein E-Auto natürlich auf 100 Prozent geladen werden. Ebenfalls praktisch ist die Option, den Ladestecker automatisch zu entriegeln, wenn der Ladevorgang zu Ende ist.
Ladegeschwindigkeit: Schnelles Laden dauert zwischen 35 und 60 Minuten
Beim DC-Schnellladen soll der Audi Q4 e-tron mit maximal 135 Kilowatt Strom ziehen können. Im Test bei winterlichen Bedingungen erreicht der Ingolstädter aber nicht die maximale Ladegeschwindigkeit, sondern erreicht maximal 110 Kilowatt. Wenn der Akku über 80 Prozent gefüllt ist, sinkt die Ladegeschwindigkeit auf unter 50 Kilowatt. Schließlich finden die Elektronen weniger Platz, wenn ein Akku immer voller wird. Leider erreicht der Audi die Spitzenleistung nur für eine ganz kurze Zeitspanne. Bei winterlichen Bedingungen dauerte der Ladevorgang auf 100 Prozent knapp eine Stunde. Nur, wenn man auf maximal 80 Prozent lädt, lässt sich die Ladezeit auf rund 35 Minuten drücken.
Zum Vergleich: Der große Bruder SQ8 e-tron Sportback war im Drwindows-Test in nur 38 Minuten von 10 Prozent Ladestand auf 100 Prozent vollständig aufgeladen. Hier zeigt sich, dass die sogenannte Peak-Ladeleistung nicht so entscheidend und nur gut fürs Marketing ist. Schließlich wird die Spitzenleistung nur für kurze Zeit gehalten.
Entscheidend ist, wie sich die Ladekurve entwickelt, also wie lange eine möglichst hohe Ladeleistung zur Verfügung steht. Offensichtlich hat der größere Audi e-tron S Sportback, der inzwischen als Audi SQ8 e-tron Sportback firmiert, eine bessere Ladekurve als der Q4 e-tron.
Für ein Facelift des Q4 würde es sich anbieten, bei den Themen Akkukapazität und Ladeleistung nachzulegen, schließlich schläft die Konkurrenz nicht. Hyundai bietet etwa beim Q4-Konkurrenten Ioniq 5 etwa eine Schnellladung in nur gut 20 Minuten an. Aktuell merkt man beim Q4 den Audi-Claim Vorsprung durch Technik nur bei den Themen Raumausnutzung, dem Festeinbau-Navi sowie dem Tagfahrlicht. Schließlich stehen hier verschiedene Lichtsignaturen zur Wahl, die andere Fahrer dann im Rückspiegel bewundern können.
Fazit
Audi stellt mit dem Q4 e-tron ein 4,60 Meter langes Elektroauto auf die Räder, das in manchen Punkten gar den doppelt so teuren Bruder Q8 e-tron in den Schatten stellt. So ist der Elektroantrieb mit 18,3 kWh / 100 km deutlich effizienter als beim größeren Bruder mit mindestens 30 kWh/ 100 km.
Im Test wusste der vergleichsweise kompakte Q4 mit seiner Raumausnutzung zu begeistern. Hinter zwei 1,85 Meter großen Personen kann ein Karton eines Smart-TV im Fußraum transportiert werden. Leider hat sich Audi einen Frunk gespart und die bauchige Hutablage verhindert den Transport von so manchem sperrigem Gut.
Das Licht- und Schattenspiel geht bei der Bedienung weiter. So begeistert die einfache Klimabedienung via Tasten und die Schaltwippen zur Rekuperationseinstellung, doch die Touchtasten am Lenkrad sind wenig intuitiv. Zwar ist der Testverbrauch mit 18,3 kWh in Ordnung, doch die Reichweitenangabe von Audi lässt sich damit nicht erreichen. Bei einem Facelift sollte neben mehr Akkukapazität auch die Ladegeschwindigkeit angehoben werden.
Zudem stört die Hartplastik-Ausstellung in der Tür, die nicht zur gewohnten Audi-Qualität passen will. Insgesamt gesehen bietet der Audi Q4 jedoch viel Potenzial und beweist, dass die Ingolstädter auch effiziente E-Autos bauen können.
Themen:
- Connected Cars
- E-Mobility
Über den Autor
Claus Ludewig
Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.