Connected Roadtrip: Vorsicht vor “zu neuen” Smartphones und Abo-Services

Es ist eine Art Wettstreit nach dem Motto “Wer hat’s zuerst”, gerade technikbegeisterte Menschen wollen eigentlich immer die aktuellste Betriebssystemversion haben. Man kennt ja nicht nur die Windows 10-Insider-Builds, sondern auch die bange Frage, ob das Android-Gerät noch das nächste Feature-Update bekommt. Immerhin gibt es nun bei einigen Smartphone-Herstellern wie zum Beispiel Samsung eine Garantie, dass der Nutzer drei Android-Versionen lang Funktionsupdates erhält. Apple-Nutzer sind in einer komfortableren Position, da hier das Betriebssystem-Update für die iPhones zumindest eine begrenzte Zeit lang enthalten ist, auch wenn ebenfalls immer wieder Phones herausfallen, nicht alle Funktionen bekommen etc.
Gar keine Gedanken müssen sich in dieser Hinsicht Kunden einer Mercedes E-Klasse (Baureihe W 213) machen. Man möge mir hier die böse Zunge verzeihen! Fahrzeughalter, die Ihr Modell vor Kurzem neu gekauft haben und dabei über das Online-Portal Mercedes me das kostenpflichtige Abonnement “Remote Park Assistent” gebucht haben, können diese Funktion nicht mit einem Samsung Galaxy S9 oder irgendeinem anderen aktuellen Android-Gerät mit Version 8 nutzen. Daimler offeriert kein Update, weder software- noch hardwareseitig. Betroffen sind auch die aktuelle CLS-Klasse (Baureihe C 257) und die S-Klasse (Baureihe W 222). Erst mit dem Änderungsjahr 18/2 und damit zukünftig neu ausgelieferten Modellen, wird die Funktion “Remote Park Assistent” auch mit Android 8 nutzbar sein. Lediglich Smartphone-Modelle, die mit Android 7 erstmals mit dem Auto und der Park-Funktion verbunden wurden und danach auf Android 8 aktualisiert wurden, sollten weiterhin funktionieren.
Der “Remote Park Assistent” ist eine Sonderausstattung, die unter anderem einer Vorrüstung im Fahrzeug bedarf. Hat man die entsprechenden Kreuzchen in der Aufpreisliste gemacht, kann man gegen eine jährliche Gebühr die Funktion freischalten. Dabei handelt es sich um einen Assistenten, der das Ausparken aus engen Parklücken erlaubt, ohne dass der Fahrer im Auto sitzen muss.
Bluetooth-“Zicke” oder doch nicht?
Der Grund für die Probleme mit Android 8 ist ein geändertes Bluetooth-“Verhalten” der Smartphones. So unterstützt Android 8 nun offiziell weitere Audio-Codecs wie aptX HD. Neue Geräte wie das Samsung Galaxy S9 und andere, haben ebenfalls den hardwareseitigen Support der aktuellen Bluetooth-Version 5.0. Meiner persönlichen Vermutung nach sind mehrere Faktoren für die Kompatibilitätsprobleme verantwortlich. Einerseits passt wohl die Software im Auto nicht, Android 8 soll sich angeblich “anders” verhalten bei Bluetooth (um den Akku des Smartphones besser zu schützen) und andererseits könnte die verbaute Antenne in bestimmten Automodellen einfach nicht kompatibel mit Bluetooth 5 sein. Der Bluetooth-Standard selbst ist allerdings sehr wohl abwärtskompatibel, siehe hier. Es ist traurig, dass Kunden bestehender Modelle keine Möglichkeit eines kostengünstigen Updates geboten wird, denn rein von der Fahrzeugarchitektur ändert sich nichts im neuen Änderungsjahr. Die E-Klasse sieht mit der aktuellen Version weiterhin baugleich aus. Im Sinne der Kundenbindung sollte es im Interesse von Daimler sein, auch für die bestehenden Modelle der betroffenen Baureihen zumindest eine Möglichkeit des Updates anzubieten. Denn wer pro Jahr 59 Euro an Gebühr für “Remote Park Assistent” zahlt, der möchte diesen natürlich auch nutzen. Mit dem vorherigen Smartphone hatte es ja schließlich auch geklappt…
Ein Wettlauf mit der Zeit
Selbstredend ist es ein Dilemma, in dem sich die Autobauer befinden. Die Hardware der Kunden erneuert sich viel schneller, als es die Hardware im Auto tut. Manche Funktionen sind eben auch an andere Einbauten im Cockpit gebunden. Für das neue, aktuell in der A-Klasse (W177) verfügbare Infotainmentsystem MBUX müssen beispielsweise zwingend ein Touchscreen sowie aktuelle Prozessoren verbaut sein. Siehe hier. Da man ja den Innenraum seiner E-Klasse nicht zerlegen will, können die Infotainmentsysteme der E-Klasse – intern NTG 5.5 genannt – nicht einfach auf das neue Betriebssystem MBUX geupdatet werden, das ist durchaus verständlich. Dennoch sollten auch für diese “alte” Infotainment-Generation zumindest softwareseitig Updates bereitgestellt werden, auch wenn der Kunde auf die neuen Features von MBUX – wie zum Beispiel Startseite mit Live-Infos, “Hey Mercedes”-Sprachsteuerung – verzichten muss. Schließlich muss es ja für den Hersteller das Ziel sein, dass die Kunden über die Laufzeit Ihres Automobils möglichst viele Abo-Dienste kostenpflichtig buchen und somit auch nach dem eigentlichen Fahrzeugkauf für einen Geldfluss an den Autokonzern sorgen. Andererseits sollten sie zu treuen Kunden werden, die auch bei einer Neuanschaffung wieder zu einem Modell dieser Marke greifen. Gottseidank ist es so, dass Mercedes beim MBUX-System Softwareupdates anbieten will. Das ist sehr löblich. Hoffentlich gibt es auch regelmäßig neue Versionen, damit sich dieser Vorfall nicht so schnell wiederholt.
Es gab Anfang der 2000er Jahre schon einmal vergleichbare Probleme, damals konnte man SnapIn-Adapter als Sonderausstattung zubuchen – dort passten aber immer nur spezifische Handy-Modelle hinein. Mit einer solchen Aufnahmeschale war es möglich, sein Handy zu laden und zugleich die stärkere Außenantenne des Fahrzeugs zu benutzen. So hatte man immer einen besseren Empfang für Telefonate und Co. Problematisch war aber nicht nur der Umstand, dass man im Zubehörhandel zwingend einen neuen Adapter kaufen musste, wenn man ein anderes Handy hatte. Vielmehr gab es kaum neue SnapIn-Lösungen. Bis ein neues Handy damit kompatibel war, konnte schon mal einige Zeit ins Land gehen, wenn es denn überhaupt jemals einen passenden Adapter gab.
Nun ist die Zeit der Snap-In-Adapter vorbei und man findet in vielen neuen Automobilen nicht nur USB-Anschlüsse samt gepolsterter Aufbewahrungsmöglichkeit für alle Smartphones, sondern auch drahtlose Ladestationen, die nach dem Qi-Standard arbeiten und somit unabhängig vom Modell funktionieren.
Es bleibt zu hoffen, dass sich so ein Vorfall so schnell nicht wiederholt, denn ein Auto ist nun mal gut und gerne 10 Jahre auf den Straßen unterwegs. In dieser Zeit müssen auch die Infotainment-Systeme irgendwie aktuell gehalten werden können. Zumindest sollten vormals funktionierende Funktionen nicht einfach so verloren gehen, ohne eine Lösung anzubieten. Das, wie gesagt, manche Funktionen zwingend an neue Hardware gebunden sind, ist nachvollziehbar. So ist es beim MBUX-System, ebenso, wie beim BMW Operating System 7, siehe hier. Den vorhandenen Funktionsumfang jedoch zu streichen, ist unschön für die Kunden.
- Quelle: Daimler
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Über den Autor

Claus Ludewig
Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.