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Connected Roadtrip: VW-Navi ist besser als sein Ruf

Connected Roadtrip: VW-Navi ist besser als sein Ruf

Ende letzten Jahres erreichte mich eine Nachricht von Volkswagen. Zwar kann man mich – bedingt durch die Coronavirus-Pandemie – nicht zu einer Fahrveranstaltung einladen, doch möchte man mir die Chance geben, mal ein paar Tage mit einem aktuellen Modell der Wolfsburger zu drehen und ist gespannt darauf, was ich zu berichten habe und was die Leser dazu sagen.

So konnte ich einen aktuellen T-Cross fahren. Hierbei handelt es sich um einen Kleinwagen im trendigen SUV-Kleid, der mit nur 4,11 Meter Außenlänge auf Polo-Niveau kommt, aber mit 1,54 Meter höher aufbaut und somit viel Platz im Innenraum bietet. So passen selbst hinter einem 1,92 Meter großen Fahrer noch 1,78 Meter große Mitfahrer. Ins Gepäckabteil können über 400 Liter eingeladen werden. Erstaunlich, wie viel Platz der kompakte T-Cross bietet. Es gibt ihn wahlweise mit 3-Zylinder- oder 4-Zylinder-Turbomotoren, wobei ich die Version 1.0 TSI mit 110 PS und drei Zylindern bewegen durfte. Der Verbrauch lag im Test bei um die sechs Litern pro 100 km. In letzter Zeit ist viel über Infotainmentsysteme bei VW zu lesen gewesen, also hab ich mir mal das im T-Cross verbaute Festeinbau-Navi Discover Pro auf Basis vom MIB 3 näher angesehen.

Hardware MIB 3

Volkswagen verbaut in all seinen Autos – unabhängig von der Konzernmarke – derzeit Festeinbau-Navigationssysteme und Radios mit Hardware aus dem Modularen Infotainment-Baukasten in der Version 3 – kurz MIB. Wie mir VW mitgeteilt hat, setzt der Hersteller auf einen angepassten ARM-Chipsatz von Qualcomm. Der SoC steckt in einem speziellen Gehäuse, das möglichst gegen Erschütterungen geschützt ist. Im Testwagen versteckt sich die gesamte Rechenhardware im Handschuhfach, zudem ist das Gehäuse mit einer Kühlung versehen. Schließlich muss das Navi auch dann starten können, wenn sich beispielsweise im Sommer die Innenraumtemperatur auf 60 Grad Celsius erwärmt hat. Im Vergleich zu Tesla ist der Qualcomm-Chipsatz aber erheblich langsamer, da im Model S vom Baujahr 2022 etwa ein angepasster AMD Ryzen samt RDNA-2-Grafikchip verbaut wird. Allerdings kann die VW-Lösung etwa mit den Qualcomm-Prozessoren in aktuellen BMW-Modellen mithalten. Die zur VW Group gehörende Firma Audi setzt übrigens auf den Samsung Exynos Auto V9 und nicht auf Qualcomm-Chips, wie VW.

Software

VW musste in letzter Zeit jede Menge Kritik für die Software in seinen Fahrzeugen ertragen. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um Autos, die auf das eigenständig entwickelt VW.OS in Version 1.0 vertrauen. Allerdings hat VW derzeit auch noch PKW im Angebot, die auf ein anderes Betriebssystem setzen. So läuft etwa in meinem Testwagen T-Cross ein Linux-Betriebssystem mit HTML5-Rendering-Engine. Während des gesamten Testzeitraums über mehrere Tage gab es nicht einen Absturz. Daran sollte sich etwa Mercedes ein Beispiel nehmen, wie ich in meinem Test zum aktuellen Mercedes-Benz E300de erfahren musste.

Perspektivisch will VW allerdings nur noch auf VW.OS setzen, welches aktuell bereits im Golf 8 sowie allen Elektroautos der ID.-Familie zum Einsatz kommt. Bekanntermaßen wartet bei VW.OS noch eine Menge Arbeit auf VW, doch die Linux-Version mit T-Cross kann überzeugen. Es sind auch over-the-air-Updates bei MIB 3 möglich. Sicherheits- und Bugfix-Patches gibt es kostenlos, vorausgesetzt man hat sich mit einer kostenfreien VW.ID am Navisystem angemeldet. Es ist zudem möglich, ausgewählte Sonderausstattungen wie etwa eine Online-Features fürs Navi hin zuzubuchen. Für weitergehende „Features on Demand“ ist allerdings VW.OS notwendig, das geht nicht mit dem Linux-OS aus dem T-Cross/Polo und T-Roc/Tiguan sowie Passat. Folglich wird das in den ID.-Modellen verbaute VW.OS von der VW-Tochterfirma Cariad weiterentwickelt, während das Linux-OS im T-Cross wohl keine allzu großen Neuerungen mehr bekommen wird.

Interaktive Live-Kacheln

Wer erinnert sich nicht an die Live-Kacheln von Windows Phone 7 und Windows 8? Selbst unter Windows 10 gibt es die Kacheln noch, erst mit Windows 11 müssen die Kacheln den Widgets weichen. Bei VW dagegen gibt es noch Kacheln. Auf der Home-Seite dürfen es sich die Live-Kacheln bequem machen. VW hat sogar eine Funktion eingebaut, die man bei BMW vergeblich sucht, obwohl die Münchner bereits seit Jahren Kacheln in ihren Festeinbau-Navis anbieten. Die Rede ist von interaktiven Kacheln. So zeigt etwa die Navi-Kachel die aktuelle Route an, die Musik-Kachel ermöglicht mittels Wischbewegung das Springen zum nächsten Lied einer Playlist. Vielen Dank, VW, dass ihr das Erbe der Live-Kacheln bewahrt.

Vielfältige Konfigurationsoptionen

VW bietet im T-Cross gegen Aufpreis das Virtual Cockpit hinter dem Lenkrad an. Vor einem Vergleich mit teureren Premiummarken wie Audi und BMW braucht sich Volkswagen nicht verstecken. Schließlich bietet VW vielfältige Konfigurationsmöglichkeiten an. So lassen sich nicht nur die klassischen Rundinstrumente für Geschwindigkeit und Drehzahl anzeigen, sondern innerhalb der Rundinstrumente können weitere Daten eingeblendet werden, etwa die Reichweite, der Abbiegepfeil beim Navi oder das Albumcover/Musikinfo vom Radio. Zudem lassen sich zwischen den Tuben auch eine Navikarte anzeigen und mittels Pfeiltasten am Lenkrad sogar zoomen. Wer keine Rundenanzeigen möchte, kann auch andere Darstellungsformen wählen, bis hin zur kompletten Kartendarstellung samt Geschwindigkeits- und Ganganzeige in einer Art Taskleiste. Derartig viele Einstellungen bietet nicht mal BMW im Fahrerinfodisplay bei BMW OS7 an. Klasse Arbeit, VW. Leider gibt es das mannigfaltig konfigurierbare Fahrerdisplay nicht mehr bei den vollelektrischen ID.-Modellen von VW. Hier würde ich mir wünschen, dass VW zumindest die Option bietet, auf das vollumfänglich individualisierbare, große Display hinter dem Lenkrad zu wechseln, samt Lenkrad mit echten Tasten, wie im T-Cross.

Navigation

VW setzt auf Kartendaten von Here Maps, lediglich bei VW-Modellen mit MIB2-Navi stammen die Echtzeitverkehrsmeldungen von Tomtom. Das Kartenmaterial ist aktuell, erfährt aber nicht so oft Aktualisierungen wie der Branchenprimus Google Maps. Immerhin offerieren alle Marken des VW-Konzerns kostenlose Karten-Updates, zumindest wenn man diese selbst via USB-Stick einspielen kann. Schön ist, dass das Navi immer Alternativrouten zur Wahl lässt und die Online-Verkehrsinformationen relativ exakt sind. Hier merkt man die Tatsache, dass VW einer der weltgrößten Autohersteller ist und dementsprechend viele Fahrzeuge unterwegs sind, die alle als Sender für die Echtzeitverkehrsmeldungen von Here Maps fungieren. Ebenfalls toll ist das große, frei konfigurierbare Display hinter dem Lenkrad. Beim Digital Cockpit Pro genannten Bildschirm kann man sich eine Navikarte anzeigen lassen und einfach via Lenkradtaste den Maßstab verändern. Mit dieser Integration der Navigation hinters Volant ist Volkswagen absolut auf Augenhöhe mit Premiummarken wie Audi, BMW oder Mercedes, die ebenfalls nicht mehr – eher sogar weniger – Funktionen für das Lenkrad-Display offerieren.

Kostenlose Karten & kostenpflichtige Online-Services

VW bietet kostenlose Navigationskarten an. Hierzu meldet man sich mit seinem Nutzerkonto bei VW an, gibt das Modell und das Baujahr seines Fahrzeugs an und kann dann kostenlos Kartendaten herunterladen. Die Karten müssen dann auf einem USB-Stick gespeichert werden (Formatierung in „exFAT“ oder „NTFS“) und können so ins Auto übertragen werden. Wem das zu umständlich ist, muss allerdings in die Tasche greifen. Für das bequeme Online-Kartenupdate verlangt VW Geld. Hierzu muss man das kostenpflichtige Abo We Connect Plus abschließen. Das Online-Abo We Connect Plus enthält:

  • Online-Kartenaktualisierung (die USB-Kartenaktualisierung via USB-Stick ist bei VW immer kostenlos möglich),
  • Online-Zielimport
  • Online-Verkehrsinformationen (hierbei greift man auf Here Maps zurück)
  • Online-Routenberechnung
  • Online-Information zu Tankstellen, Ladestationen und Parkplätzen (hierbei ist eine Google-Suche über die Fahrzeug-SIM-Karte möglich)
  • Sprachsteuerung „Hallo Volkswagen“. Die Assistentin kann auch nach Online-Sonderzielen suchen
  • Auto verriegeln & entriegeln via Smartphone-App. Dies ist nur möglich, nachdem ein VW-Autohaus die Identität überprüft hat
  • Hupen & Blinken
  • Online-Diebstahlwarnanlage
  • Standlüftung, funktioniert nur in Verbindung mit VW.OS (je nach Ausstattung auch Standheizung)
  • Nur für Elektroautos und Plug-in-Hybride:
    • Vorklimatisierung
    • Lade-Informationen
    • Lade-Planung
  • Nur mit kostenpflichtigem Internet-Datentarif nutzbar sind:
    • Webradio
    • Streaming-Apps Apple Music & Tidal im Festeinbau-Radio/-Navi nutzbar, wobei zusätzlich kostenpflichtiges Internet-Datenvolumen bestellt werden muss.
    • WLAN-Hotspot für besseren Internetempfang von Smartphones etc.
    • 90 Tage mit 1 Gigabyte Datenvolumen gibt’s gratis, 2 Gigabyte Datenvolumen kosten 6,95 Euro / Monat.

Für 145 Euro pro Jahr gibt es das Online-Abonnement We Connect Plus. Mit diesem Preis liegt VW ungefähr auf dem Niveau von BMW. Ab der Fahrzeugzulassung und -registrierung schaltet VW das We Connect Plus Abo drei Jahre lang kostenlos frei, erst danach sind 145 Euro pro Jahr zu zahlen. Komplett kostenfrei ist das Abonnement We Connect, welches neben einem Pannenruf und der Service-Terminplanung auch die Parkposition und die Fahrdaten anzeigen lassen kann. Zudem kann man den Kalender mit der Smartphone-App We Connect synchronisieren und es als Fußgänger-Navi benutzen. Für das Versenden einer Zieladresse an den VW ist hingegen das We Connect Plus Abo notwendig.

Audio

Im Audio-Bereich offeriert Volkswagen das sogenannte Hybrid-Radio. Hierbei werden in einer Darstellung sowohl Radiosender via DAB+ und FM/AM angezeigt, als auch Internet-Radiosender. Wichtig zu wissen ist, dass das Webradio aber nur mit kostenpflichtigem Internet-Datentarif nutzbar ist, wobei es 90 Tage ein Datenvolumen von 1 Gigabyte kostenlos gibt. Falls man nicht zahlt, bleiben einem nur die Radiosender via DAB+ und FM/AM. Eine Besonderheit des VW-Infotainmentsystems ist das Bluetooth-Audio-Streaming. Im Gegensatz zu BMW/Mini bietet hier VW deutlich mehr Optionen.

So wird das Cover direkt mit übertragen und kann auf dem Navi-Bildschirm und dem Volant-Display angezeigt werden. Zudem lässt sich eine Zufallswiedergabe aktivieren. Beide Funktionen sucht man bei BMW/Mini vergeblich, da es diese ausschließlich via Spotify-App oder bei Android Auto bzw. Apple Carplay gibt. Allerdings zeigt sich das VW-System knausrig bei den vorinstallierten Apps. Zwar kann man über die Fahrzeugantenne via kostenpflichtigem Datenvolumen Tidal und Apple Music hören, ohne Verbindung zum Smartphone, doch einige beliebte Streaming-Dienste wie Spotify oder Amazon Music fehlen. Hier muss man dann entweder auf Bluetooth-Audio-Streaming zurückgreifen oder mittels Android Auto/Apple Carplay die Smartphone-App verwenden.

Zwar klappt die Verbindung zu Android Auto im Test problemlos, doch während der Fahrt zeigt sich eine Herausforderung. Wenn man zeitgleich kabellos das Smartphone auflädt und drahtlos Android Auto nutzt, erwärmt sich das Smartphone so stark, dass es spätestens nach 15 Minuten zu Tonaussetzern kommt. Wenn man also Android Auto oder Apple Carplay nutzt, sollte man entweder gleich auf eine Kabelverbindung setzen oder man lädt sein Smartphone vor der Fahrt ausreichend auf. Künftig wäre eine Kühlung der drahtlosen Ladeschale sinnvoll, um die starke Erwärmung der Telefone zu verhindern.

Telefon

Smartphones lassen sich einfach via Bluetooth mit dem VW koppeln. Neben dem Telefonbuch können auch Kontaktfotos, Adressen und E-Mail-Adressen übertragen werden. Im Gegensatz zu BMW, die inzwischen keinen E-Mail-Empfang im Infotainmentsystem anbieten, können sich Fahrer eines VW T-Cross weiterhin E-Mails während der Fahrt vorlesen lassen und ihre Antwort diktieren. So kann man beispielsweise im Stau mal schnell eine E-Mail beantworten. Zu beachten ist allerdings, dass nur die jeweilige Haupt-E-Mail-Adresse im Infotainmentbildschirm abgebildet wird und man nicht im Auto zwischen verschiedenen Posteingängen wählen kann. Sämtliche Textnachrichten kommen vom Smartphone und werden nicht über die Fahrzeugantenne empfangen.

Etwas seltsam mutet die Belegung der Lenkradtasten an. Statt eines einfachen Telefon-Knopfes, um ein Gespräch annehmen oder in die Anrufliste springen zu können, muss man erst mit den Pfeiltasten ins Telefon-Menü wechseln. Hier wäre eine einfache Taste die bessere Wahl.

Smartphone-App nur für Hauptnutzer

Der Volkswagen-Konzern hat sich bei der offiziellen Smartphone-App We Connect etwas Besonderes einfallen lassen, was es so auch bei allen anderen Marken der VW Group gibt. Nur ein registrierter Hauptnutzer kann die Telefon-App in vollem Umfang verwenden. Hierzu muss man alle mitgelieferten Autoschlüssel mit der VW.ID verknüpfen. Die Idee dahinter ist, dass Gelegenheitsfahrer etwa nicht via Smartphone-App den VW aufsperren können, sondern dies nur einer Person vorbehalten bleibt. Löblich ist, dass die App auch – auf Wunsch – direkt die nächsten im digitalen Kalender hinterlegten Termine mit Adresse anzeigen lassen kann. So lässt sich direkt die Navigation zum Ziel planen und ans Auto schicken, zumindest wenn man das kostenpflichtige Abo We Connect Plus abonniert hat.

Fazit

VW beweist mit dem MIB-Version 3, dass das Unternehmen sehr wohl Infotainmentsysteme entwickeln kann, die zuverlässig ihren Dienst verrichten und zugleich intuitiv bedienbar sind. Im Vergleich zum Konzernbruder Audi fällt auf, dass VW teilweise mehr Individualisierungsmöglichkeiten offeriert als die teurere Premiummarke. So lassen sich nur bei VW mehrere Startseiten mit unterschiedlich großen Live-Kacheln anlegen, während es bei Audis MMI-System immer nur eine Startseite mit drei fest vorgegebenen Kachelgrößen gibt. Toll ist auch, dass jeder VW-Besitzer kostenlos Kartenaktualisierungen für sein Festeinbau-Navi beziehen kann. Nur Nutzer, die via Fahrzeug-SIM-Karte die neuen Karten herunterladen wollen, statt einen USB-Stick zu verwenden, müssen dafür das kostenpflichtige Online-Abo We Connect Plus abschließen. Schade ist, dass es auf dem VW-Volant keine Telefon-Taste gibt. Auch die kabellose Integration von Android Auto und Apple Carplay sollte verbessert werden, denn im Test erwärmten sich verschiedene Smartphones sehr stark, wenn die drahtlose Verbindung genutzt wird.

Über den Autor

Claus Ludewig

Claus Ludewig

Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.

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