Connected Roadtrip: Wie hellt strahlt der Mercedes-Stern? – Teil 3
In meinen bisherigen Berichten zum aktuellen MBUX-Navigationssystem und zu den Besonderheiten des Mercedes E300de habe ich Euch schon einige Bereiche aufgezeigt, doch nun möchte ich im dritten und letzten Teil einen Ausblick auf die Zukunft der Marke Mercedes geben. Zudem gibt’s das Fazit zu meinen Testwagen, den mir freundlicherweise das Autohaus Rieger leihweise zur Verfügung gestellt hat.
Online-Services als Einnahmequelle und Unterscheidungsmerkmal
Mercedes möchte künftig Geld mit dem Verkauf von Online-Services verdienen, da es etwa bei Elektroautos weniger Wartungsbedarf gibt und man zudem als Hersteller direkt mit dem Kunden abrechnen kann – ganz ohne den Umweg übers Autohaus. Im Gegensatz zu Konkurrenten, wie beispielsweise BMW, gibt es bei den Schwaben keine Pakete, sondern Einzeloptionen. So kann man etwa für 159 Euro drei Jahre lang aktuelles Kartenmaterial over-the-air bekommen. Falls man allerdings eine Stauumfahrung mit Echtzeitverkehrsinformationen haben möchte, muss man nochmal zusätzlich 139 Euro für das 3-Jahres-Abo bezahlen. Allerdings sind dann keine Sonderziele mit Online-Suche enthalten. Wer diese Online-POIs sowie einen Wetterbericht im Auto haben will, muss ebenfalls extra zahlen. Nachfolgend mal ein Vergleich, wie teuer die Online-Services bei Mercedes und beim Konkurrenten BMW sind.
- Online-Services mit Karten-Updates von Here Maps (pro Jahr 53 Euro), Echtzeitverkehrsinformationen von Tomtom (pro Jahr 59 Euro), Navigationsdienste (z. B. Sonderziele mit Online-Suche und Wetterbericht für 59 Euro), Fahrzeug-Monitoring (Ortungsfunktion für 39 Euro) und Fahrzeug-Setup (Türen entsperren/verschließen, Abfrage Fahrzeugservice-Bedarf via Mercedes-me-App für 39 Euro) kosten bei Mercedes-Benz pro Jahr 249 Euro.
- Zum Vergleich: BMW verlangt für die gleichen Funktionen im „BMW Connected Professional Package“ pro Jahr 199 Euro.
Immerhin gewähren sowohl Mercedes als auch BMW jedem Neuwagenkäufer einen Testzeitraum von drei Jahren ab Erstzulassung des Fahrzeugs für die genannten Online-Dienste. Erst nach Ablauf dieser Zeitspanne werden pro Jahr für die Nutzung dieser Services 249 Euro bei Mercedes oder 199 Euro bei BMW fällig. Von den gezahlten Preisen müssen die Autohersteller anteilig auch noch den jeweiligen Internetanbieter bezahlen, der die festverbaute eSIM-Karte sowie Datenvolumen bereitstellt. Mercedes setzt hier auf den britischen Provider Vodafone, während BMW auf die Deutsche Telekom baut. Künftig bringen beide Premium-Hersteller noch weitere Sonderausstattungen auf den Markt, die man online gegen Gebühr freischalten kann. Bei Mercedes gibt es beispielsweise im vollelektrischen Mercedes EQS eine erweiterte Hinterachslenkung für 489 Euro pro Jahr, die die standardmäßig verbaute Hinterachslenkung ertüchtigt, nicht um 2,5 Grad, sondern um 10 Grad mitzulenken und so das Manövrieren des über fünf Meter langen Mercedes zu erleichtern. BMW dagegen bietet etwa das Adaptive M Fahrwerk für 449 Euro an, allerdings erfolgt hierbei eine unbegrenzt gültige Freischaltung.
Online-Services können von Mercedes abgeschaltet werden – Perso notwendig für Remote Services
Um die Remote Services Fahrzeug-Monitoring nutzen zu können, muss man zwingend seine Identität bestätigen. Hierzu kann man wahlweise ein Foto seines Personalausweises oder vom Reisepass an Mercedes über die Smartphone-App Mercedes me schicken. Hier geht Mercedes strenger vor als beispielsweise der direkte Konkurrent BMW, bei dem keine Identifikation mit einem Ausweisdokument zur Nutzung von Remote Services notwendig ist. Wie in den Nutzungsbedingungen zu Mercedes me im Punkt 4.7 erläutert wird, können Kunden bis zu 20 verschiedene Mercedes-Fahrzeuge pro Benutzerkonto verknüpfen. Allerdings muss man die Online-Dienste für jeden Mercedes einzeln abschließen und bezahlen, da alle Online-Services und online abonnierten Sonderausstattungen über die Fahrzeugidentifikationsnummer immer an einen bestimmten Mercedes gebunden sind. Wie der Hersteller im Punkt 4.8 und 4.9 erklärt, kann es jederzeit zu Änderungen bei den kostenpflichtigen Online-Services kommen. Der Nutzer bezahlt lediglich für die Nutzung bzw. den Zugriff auf den Mercedes me Store und muss damit leben können, dass einzelne Services eventuell auch abgeschaltet werden können. Konkret heißt es: „Der Anbieter behält sich zudem vor, die Dienste aus wichtigen Gründen (z. B. Datensicherheit, Sicherheitsprobleme bei Content-Providern/Drittanbietern) zu deaktivieren oder einzuschränken.“
Mercedes entwickelt eigenes MB.OS mit Partnern zusammen
Ab dem Jahr 2024 rollen die ersten neuen Mercedes-Fahrzeuge auf den Markt, die über das eigens entwickelte Betriebssystem MB.OS verfügen. Hierbei arbeiten mehr als 3.000 Software-Entwickler von Mercedes mit Entwicklern von Partnerunternehmen wie Nvidia und Microsoft (für die Connected Vehicle Platform) zusammen. Gemeinsam kommt dann das Mercedes-Benz Operating System auf den Markt, welches sukzessive das aktuelle MBUX-System ablösen wird. Selbstverständlich muss man davon ausgehen, dass kein Mercedes-Modell von MBUX auf MB.OS upgraden kann. Wer immer die neuesten Funktionen nutzen will, muss sich in etwa alle drei Jahre einen neuen Mercedes kaufen. Von dieser Zeitspanne kann man ausgehen, da beispielsweise MBUX-Version 1 (NTG 6.0) im Jahr 2018 auf den Markt gekommen ist und nun im Jahr 2021 bereits MBUX-Version 2 (NTG 7.0) für einige neue Mercedes-Modelle verfügbar ist. Die Zeitspanne ist nicht zufällig gewählt, da die meisten Stammkunden Geschäftskunden sind, die Firmenwagen-Leasing betreiben. In aller Regel läuft ein Leasingvertrag über drei Jahre.
Ab dem Jahr 2025 gibt es nur noch neue Elektro-Mercedes, aber…
Zwar hat Mercedes jüngst am 22. Juli angekündigt, ab dem Jahr 2025 nur noch vollelektrische Plattformen für PKW und Vans auf den Markt zu bringen, doch die bis dahin auf den Markt gekommenen Autos mit Verbrennungsmotor will Mercedes so lange weiterbauen und als Neuwagen verkaufen, wie es eine Nachfrage gibt. Der Konzern stellt sich darauf ein, dass es regionale Unterschiede geben wird und in manchen Ländern bald nur noch E-Autos verkauft werden sollen, in anderen Ländern aber bis auf Weiteres kein Weg an Autos mit Verbrennungsmotor vorbeiführen wird. Hauptkonkurrent BMW sieht die Sache ähnlich, wenngleich man öffentlich nach wie vor die Technologieoffenheit predigt. Letztlich entscheidet immer der Kunde, welchen Antrieb er haben möchte und wie viel ihm ein Fahrzeug wert ist. Auf ein fixes Enddatum für den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor wollen sich weder Daimler noch BMW noch VW festlegen, lediglich innerhalb der EU-Staaten wird diskutiert, ob ab dem Jahr 2035 faktisch nur noch Elektroautos als Neuwagen verkauft werden dürfen. In anderen Teilen der Welt sieht die Sachlage völlig anders aus, sodass uns Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – Stand anno 2021 – noch etliche Jahrzehnte als Neuwagen erhalten bleiben werden.
Fazit zu MBUX und dem Mercedes-Benz E300de
Im Jahr 2018 debütierte MBUX für Radio- und Navigationssysteme bei Mercedes-Benz und hat seit dem in zahlreichen Baureihen Einzug gehalten. Im Test zeigt sich, dass MBUX-Version 1 vor allem viel Anpassungsoptionen bietet, beispielsweise für das Lenkrad-Display. Die Performance ist durch den Nvidia-Chipsatz absolut top. Umständlich ist der Hardreset gelöst, falls mal das Radio- und die Smartphone-Verbindung ausfallen sollten. Verbesserungspotenzial gibt es auch in Sachen Navigation, da die Abbiegehinweise verhältnismäßig klein dargestellt werden und die Navigations-Kachel auf der Startseite kaum erkennbar den Weg weist, sodass man am besten immer die Kartendarstellung auf einem der beiden Bildschirme anzeigen lässt. Schade ist auch, dass es keinerlei Möglichkeit gibt, von MBUX-Version 1 (NTG 6.0) auf das neuere MBUX-Version 2.0 (NTG 7.0) hochzurüsten. Die Touchfelder am Lenkrad mögen zwar kostengünstiger als Tasten sein, doch die Bedienung verschlechtert sich dadurch. Alles in allem ist MBUX trotzdem ein guter Schritt und bringt Daimler richtig gut ins digitale Zeitalter.
Der Testwagen Mercedes-Benz E300de aus der Baureihe W216 überzeugt als Langstrecken-Spezialist. Mit einem geringen Geräuschniveau, feiner Verarbeitung, hochwertigen, teils optionalen Materialien im Innenraum kann der Benz viele Sympathien sammeln. Highlight ist aber der Antrieb, welcher zum Liebling für viele Langstrecken-Fahrer wird. Mit dem 2,0-Liter-Diesel kommt man gut 1.000 Kilometer weit pro Tankfüllung und kann beispielsweise innerstädtisch 49 Kilometer rein elektrisch unterwegs sein. Für diesen Komfort muss man aber damit leben, dass eine Stufe im Kofferraum ist und man muss sich diesen Antrieb leisten können. Schließlich ist ein Diesel-Plug-in-Hybrid die teuerste Art ein Auto zu konstruieren. Aber Mercedes steht ja auch für Luxus-Automobile…
Wer selbst mal eine Probefahrt in einem Mercedes-Autohaus machen möchte, sollte folgendes bedenken. In aller Regel sind 150 Kilometer inklusive, wobei der potenzielle Kunde das Fahrzeug mit dem gleichen Tankfüllstand/Ladestand nach der Probefahrt abgeben muss, wie das Fahrzeug übernommen wurde. Falls man dies nicht machen sollte, muss man pro Liter oder kWh 3,00 Euro an Mercedes zahlen. Wer mehr als die vereinbarten Inklusivkilometer fährt, muss pro Kilometer 1 Euro an Mercedes zahlen.
Die ersten beiden Teile dieser Trilogie sind hier zu finden:
- Connected Roadtrip: Wie hellt strahlt der Stern beim MBUX-System? – Teil 1
- Connected Roadtrip: Wie hellt strahlt der Mercedes-Stern beim E300de? – Teil 2
Themen:
- Connected Cars
- E-Mobility
Über den Autor
Claus Ludewig
Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.