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Connected Roadtrip: Wie hellt strahlt der Stern beim MBUX-System? – Teil 1

Connected Roadtrip: Wie hellt strahlt der Stern beim MBUX-System? – Teil 1

In meiner Zeit hier beim Dr. Windows-Blog durfte ich schon einige Fahrzeuge testen. Neben Produkten von vergleichsweise erschwinglichen Marken wie Hyundai und Opel zählen dazu auch diverse Automobile der Premiummarken BMW und MINI. Bislang fehlte mir aber immer der Vergleich mit einem aktuellen Fahrzeug vom Hauptkonkurrenten Mercedes-Benz. Das Autohaus Rieger hat mir neulich für ein paar Tage eine aktuelle E-Klasse von Mercedes mit dem großen MBUX-Paket zum Testen zur Verfügung gestellt. In drei Teilen möchte ich Euch das Fahrzeug und meine Eindrücke näher bringen. Nun folgt sogleich der erste Streich, bei dem ich mich dem MBUX-Radio-Navigationssystem widme.

MBUX-Hardware

Seit dem Jahr 2017 arbeitet Mercedes mit dem Grafikkarten-Hersteller Nvidia zusammen. Als erstes Produkt stattet Nvidia alle MBUX-Infotainmentsysteme mit Hardware aus. Wie beide Unternehmen am 23. Juni 2020 bekannt gegeben haben, wird Mercedes ab dem Jahr 2024 auf die Plattform Nvidia Drive setzen und gemeinsam neben einer neuen Generation Festeinbau-Navigationssysteme auch Fahr-Assistenzsysteme entwickeln. So soll automatisiertes Fahren möglich werden, beispielsweise das automatisierte Parken. Hierbei fährt der Mercedes selbständig in einem Parkhaus und sucht sich einen freien Parkplatz. Bis es soweit ist, beschränkt sich die Zusammenarbeit auf die Hardware für Festeinbau-Navigationssysteme.

Je nachdem, welches MBUX-Paket verbaut ist, unterscheidet sich die Hardware. Mercedes listet auf seiner Webseite auf, welche Hardware im Festeinbau-Navigationssystem verwendet wird.

  • CPU: Prozessor nach dem ARM-Befehlssatz mit 6 Kernen. Hierbei sind zwei Performance-Kerne namens Denver und vier stromsparende Cortex A57-Kerne miteinander kombiniert.
  • RAM: 8 GByte DDR4-RAM,
  • GPU: Nvidia-Grafikchip. In der Basisausstattung ist dies ein Nvidia Reilly PX mit 128 CUDA-Kernen, während im optionalen MBUX-Highend-Paket ein Nvidia Parker 128 mit 256 CUDA-Kernen arbeitet. So sollen 500 Gigaflops an Rechenleistung möglich sein.
  • Betriebssystem: Linux mit eigenem MB.OS,
  • Kommunikationsmodul: Hermes LTE von Harman,
  • Navigationskarten: Here Maps,
  • Echtzeitverkehrsinformationen für die Navi-Karten: Tomtom Traffic,
  • Sprachsteuerung „Hey Mercedes“: Nuance

Neben der ersten MBUX-Generation gibt es bei der aktuellen S-Klasse, dem vollelektrischen EQS und der kommenden C-Klasse bereits die zweite Generation MBUX. Hierbei haben sich vor allem die Bildschirme verändert. So ist – gegen Aufpreis – ein Headup-Display mit Augmented Reality verfügbar. Zudem gibt es verschiedene Displaygrößen hinter dem Lenkrad und ein vertikal montiertes Zentraldisplay, über das auch die Klimaautomatik eingestellt werden kann. Im gefahrenen Mercedes-Benz E300de steckt die erste MBUX-Generation, die im Jahr 2018 ihr Debüt gefeiert hat. Hier gibt es – noch – klassische Tasten für die Einstellung der Klimatisierung.

MBUX-Bedienung

Mercedes setzt bei der Bedienung vom Festeinbau-Radio-Navigationssystem auf einen Dreiklang, analog zum Konkurrenten BMW. So kann man nicht nur alle Funktionen via Touchscreen bedienen, sondern auch über ein Touchpad (bei BMW wird hier der Dreh-Drück-Controller genutzt). Neben dem zentralen Touchpad gibt es auch auf der rechten Lenkradspange ein Touchfeld zur Bedienung. Zudem gibt es noch die vom Zulieferer Nuance (der inzwischen zu Microsoft gehört) entwickelte Sprachsteuerung „Hey Mercedes“. Um diese Sprachsteuerung nutzen zu können, muss man jedoch die Nutzungsvereinbarungen akzeptieren und ein Nutzerkonto bei Mercedes Me hinterlegen. Falls man dies nicht möchte, bleibt nur die im Funktionsumfang eingeschränkte Sprachsteuerung Linguatronic.

Die Bedienung vom Tempomat (sowie ACC bzw. teilautonomes Fahren) erfolgt immer über Touchfelder im Lenkrad auf der linken Seite. Leider gestaltet es sich als mühselig und fehleranfällig, mittels Wischen und Drücken die gewünschte Geschwindigkeit einzustellen. Gleiches gilt für die Fernbedienung vom Radio und der Lautstärke via Wischgeste auf der rechten Seite des Lenkrads. So machen Lenkradtasten leider wenig Sinn. Für Mercedes sind diese Toucheinheiten wohl günstiger in der Herstellung als klassische Tasten, zumal bei einem Defekt wohl immer das komplette Lenkrad getauscht werden muss. Zwar mag dies für den Autohersteller gewinnbringend sein, für den Kunden und die Fahrsicherheit hingegen sind diese Touchfelder am Lenkrad – in meinen Augen – eine Verschlechterung. Neben der schlechteren Bedienbarkeit, weil man die glatten Flächen nicht blind erfühlen kann, ziehen die schwarz-hochglänzenden Felder Fingerabdrücke geradezu magisch an und lassen sich nur schwer reinigen. Mercedes folgt damit allerdings nur vielen anderen Autoherstellern, die ebenfalls auf richtige Lenkradtasten verzichten und stattdessen Touchfelder verbauen.

Radio-/Audio

Mercedes verbaut im MBUX-System einen mehrfachen Radio-Tuner, der auch DAB+ beherrscht. Auf Stationstasten muss verzichtet werden, es lassen sich aber Favoriten hinterlegen. Wer lieber eigene Musik hören will, kann einen USB-Stick anschließen, via Bluetooth sein Smartphone koppeln oder einen Online-Musikdienst im Auto nutzen. Bei den Online-Services hat man nur die Wahl zwischen Amazon Music und Tidal.

Falls man Spotify als hören möchte, muss man auf Bluetooth-Audiostreaming setzen. So werden dann der Liedtitel, Interpret und das Albumcover drahtlos vom Handy auf das Radio übertragen. Leider lässt sich keine Wiedergabeliste auswählen und man kann auch nicht nach Musik suchen. Derartige Funktionen gibt es nur, wenn man eine Auto-App benutzt, die ein direktes Abbild der Smartphone-App des jeweiligen Dienstes ist. Bei Mercedes wird es eine passende Spotify-App erst mit MBUX-Version 2 geben. Hier ist Konkurrent BMW schon weiter, da man bereits beim aktuellen BMW OS7.0 eine native Spotify-App hat und somit Spotify mit allen Funktionen auch im Auto nutzen kann. Bei Mercedes hingegen muss man dazu entweder auf Android Auto / Apple Carplay ausweichen oder man nutzt MBUX-Version 2. Es ist übrigens nicht möglich, von MBUX-Version 1 auf die aktuellere Version 2 zu aktualisieren. Via USB-Anschluss werden nur USB-Sticks akzeptiert oder man aktiviert darüber Android Auto / Apple Carplay, mehr geht über diesen Anschluss nicht.

Zum Ende des Testzeitraums zeigt das MBUX-Multimediasystem, dass es auch vor Abstürzen nicht gefeilt ist. So ist das Radio und die Smartphone-Verbindung während einer Fahrt komplett ausgefallen. Ein Ausschalten des Infotainmentsystems über den Ein-/Aus-Schalter in der Mittelkonsole hat das Problem nicht behoben. Erst ein Hardreset konnte die Problematik lösen, sodass wieder das Radio abgespielt wurde und sich Telefone mit dem MBUX-System verbinden konnten. Allerdings muss man für einen Hardreset den Mercedes parken, aussteigen, das Auto verriegeln, ca. fünf Minuten warten, dann das Auto wieder aufsperren und das MBUX-System einschalten. Dieser Prozess ist doch recht umständlich gelöst. Ich hätte mir zumindest eine Warnung gewünscht, dass nun das Radio und die Telefon-Verbindung ausgefallen sind. Es zeigt sich also, dass nicht nur VW noch Probleme hat mit der Stabilität des Infotainmentsystems. Immerhin haben im Mercedes – trotz des Ausfalls der Medien – die Routenführung des internen Navigationssystems und die Assistenzsysteme weiterhin tadellos funktioniert.

Telefon

Jeder neue Mercedes-Benz mit MBUX-System verfügt ohne Aufpreis über eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung. Hierbei kann das Adressbuch inklusive hinterlegter Bilder übernommen und direkt im Fahrzeug durchsucht werden. Die Sprachsteuerung „Hey Mercedes“ versteht Namen und fragt – falls man mehrere Nummern zu einem Kontakt auf dem Telefon gespeichert hat – aktiv nach, welche Telefonnummer angerufen werden soll. Allerdings sollte man die Dame aussprechen lassen, da sonst automatisch die erste Nummer eines Kontakts angerufen wird. Hier ist BMW etwas anders und ermöglicht es, auch direkt zu antworten, selbst wenn die Sprachassistentin noch nicht zu Ende gesprochen hat.

Navigation

Beim Punkt Navigation merkt man, dass Mercedes immer „das luxuriöseste Fahrzeug seiner Klasse“ anbieten will, wie es Vorstandschef Ola Källenius erklärt hat. Wer das rund 3.000 Euro teure MBUX-Highend-Paket bestellt hat, kann sich auf dem Bildschirm in der Stadt ein Kamerabild mit eingeblendeten Richtungspfeilen anzeigen lassen. Leider lässt sich diese Orientierungshilfe ausschließlich auf dem Zentralbildschirm anzeigen und nicht etwa auf dem Instrumenten-Display. Ein weiteres Feature, das dem Luxus-Anspruch gerecht wird, ist das Kamerabild der Ampel. Jedes Mal, wenn man als erstes Fahrzeug an einer Ampel steht, zeigt der zentrale Bildschirm ein Kamerabild an, das die Ampel anzeigt. So soll man immer mitbekommen, wann die Ampel gerade von rot auf grün umschaltet.

Die Abbiegehinweise können auch auf dem Instrumenten-Display angezeigt werden. Hierbei wird neben dem Richtungspfeil auch die Fahrspur angegeben. Leider ist die Darstellung der Abbiegehinweise verhältnismäßig klein ausgefallen. Zwar kann man auch eine Vollformat-Darstellung der Karte wählen, doch die Richtungsanzeigen bleiben ziemlich klein. Alternativ kann man sich auch nur Richtungspfeile im Instrumenten-Bildschirm anzeigen lassen, doch dann fehlt die Karte in der Darstellung. Zwar gibt es auf dem Zentralbildschirm eine Startseite mit Kacheln mit Live-Informationen, doch hebt sich eine blaue Linie auf einem blauen Hintergrund nur schlecht ab und ist kaum erkennbar. Während einer aktiven Routenführung muss man also doch lieber die Navigationskarte in vollem Umfang im Zentralbildschirm einblenden, um sehen zu können, wann man abbiegen muss.

Online-Services lassen sich einzeln buchen

Drei Jahre ab Erstzulassung gibt es kostenlose Karten-Updates, danach muss man für das 3-Jahres-Abo 159 Euro im Mercedes Me Store bezahlen. Falls man Echtzeitverkehrsinformationen haben möchte, muss man – nach dem Testzeitraum – jährlich 59 Euro bezahlen. Wer noch nach Sonderzielen im Festeinbau-Navi suchen will und einen Wetterbericht im Auto haben möchte, muss jährlich 39 Euro für die sogenannten Navigationsdienste an Mercedes bezahlen. Alternativ kann man auch einfach kostenlose Navigationsapps über Android Auto / Apple Carplay benutzen, wobei dann eben die komplette Routenführung ausschließlich vom Smartphone berechnet wird und nicht vom MBUX-System. Leider ist es bei Mercedes nicht möglich, eine Navikarte oder Abbiegehinweise hinter dem Lenkrad einzublenden, wenn man die Navigation über Android Auto / Apple Carplay nutzt. Auch hier ist Konkurrent BMW schon weiter, da es ab dem kommenden BMW OS 8.0 möglich sein wird, eine komplette Navikarte im Display hinter dem Volant anzuzeigen, auch wenn man eine Navi-App via Android Auto / Apple Carplay benutzt.

Im zweiten Teil des Mercedes-Tests fasse ich zusammen, welche Features einen Mercedes von anderen Autoherstellern abheben sollen.

Über den Autor

Claus Ludewig

Claus Ludewig

Ich bin mit Windows 98 aufgewachsen und habe seitdem jede Windows- und Office-Version genutzt. Zum Entspannen dient die Xbox. Neben der engen Verbundenheit zu Microsoft-Produkten, schaue ich auch gerne mal über den Tellerrand hinaus in die weite Welt. Ich interessiere mich für alles, was vier Räder hat. In diesem Sinne nehme ich Euch gerne zu einer Spritztour mit.

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