Das Mixed Reality Paradoxon: Von Consumern verschmäht, vom Business gefeiert

Wenn neue Technologien entstehen, dann sind Endkunden in aller Regel relativ leicht dafür zu begeistern, während man im Business-Umfeld eher zögerlich agiert. Beim Thema Mixed Reality ist es genau anders herum: Bei den Consumern zündet das Thema nach wie vor nicht, während im Business-Bereich so richtig „der Punk abgeht.“ Die Folge: Nicht nur Microsoft, auch andere Hersteller biegen bei dem Thema nun mehr oder weniger vollständig auf die Business-Schiene ein.
Dafür gibt es gleich mehrere Gründe, der ganz wesentliche aber ist: Es gibt im Consumer-Segment – von Spielen einmal abgesehen – bisher keine Anwendungsfälle, die den berühmten „will-haben-Effekt“ auslösen. Ich habe immer gesagt, dass es im Endkunden-Bereich so lange schwierig bis unmöglich sein wird, den Leuten das Thema zu verkaufen, wie sie sich dafür irgendwas auf den Kopf setzen müssen. Dazu stehe ich weiterhin, möchte es aber ergänzen: Es gibt bislang kein Szenario, bei dem der Nutzen die Hemmschwelle übersteigt. Etwas, dass man so cool findet, dass man sagt: „Dann gib halt mal her, das Ding.“
Das ist der wesentliche Unterschied zu kommerziellen Mixed Reality-Szenarien: Da gibt es reichlich Potenzial, und obwohl der Einstieg oft enorme Investitionen erfordert, springen die Kunden hier begeistert auf – weil sie den unmittelbaren Nutzen erkennen.
Natürlich ist es auch ein Argument, dass die vergleichsweise günstigen Mixed Reality Headsets nach wie vor limitiert sind, während der einzige echte Mixed Reality Computer, die HoloLens, für den Privatkunden unerschwinglich bzw. nicht leicht zu bekommen ist. Ich bin allerdings überzeugt, dass auch eine HoloLens für 500 Euro nicht sehr viel ändern würde – es bliebe trotzdem etwas für Freaks.
In dieser Woche gab es diverse Ankündigungen, die aufzeigen, mit welchem Tempo der Mixed Reality Zug im kommerziellen Bereich rollt. Microsoft hat „SharePoint Spaces“ vorgestellt und Mixed Reality damit auch zu einem Baustein von Office 365 gemacht. Kunden erhalten eine Plattform für virtuelle Schulungsräume, Entwicklerlabors oder Team-Meetings, die sich nahtlos ins Microsoft-Ökosystem integriert.
Daneben wurde die Windows 10 Version 1803 nun auch für die HoloLens veröffentlicht. Sie enthält Neuerungen, die den Start der auf der BUILD vorgestellten Apps Microsoft Layout und Microsoft Remote Assist ermöglichen, die nun ebenfalls als Preview verfügbar sind. Sie ermöglichen neue Formen der 3D-Modellierung bzw. die „persönliche“ Betreuung von Mitarbeitern und Kunden aus der Ferne.
Mixed Reality funktioniert natürlich nicht nur mit Headsets, sondern auch mit Smartphones. Microsoft bindet iOS und Android in die Entwicklung mit ein – beobachtet einfach mal, welche Position Microsoft Edge hier in Zukunft noch einnehmen wird. Wenn es um die Integration ins restliche Microsoft-Ökosystem geht, wird Edge eine ziemlich exklusive Rolle spielen. Will Microsoft seine aktuell führende Rolle im Bereich Mixed Reality behalten, werden sie dennoch nicht umhin kommen, ein eigenes Mobilgerät dafür zu liefern, ansonsten wird man darauf angewiesen bleiben, was die jeweiligen Plattformen anbieten.
Thema:
- Mixed Reality
Über den Autor

Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!