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Das Smartphone als PC-Ersatz: Tod einer Idee

Das Smartphone als PC-Ersatz: Tod einer Idee

Das Smartphone, das wie dein PC arbeitet. Wer erinnert sich noch an diesen Werbeslogan? Microsoft verwendete ihn für das Lumia 950 und Lumia 950 XL, und er galt einer echten Innovation, die auf den Namen “Continuum” hörte (bzw. immer noch hört, denn abgesehen davon, dass es keine Geräte mehr gibt, steckt die Funktionalität noch immer in Windows 10).

Über das Display Dock konnte man das Lumia 950 mit einem externen Bildschirm und allerlei Zubehör verbinden und so Apps wie an einem Desktop-PC nutzen. Das funktionierte allerdings nur mit entsprechend optimierten Universal Apps, und weil Microsoft zumindest gefühlt wenige Tage nach dem Start des Lumia 950 den Stecker bei Windows 10 Mobile zog, kam Continuum nie aus den Kinderschuhen.

Man ahnte, wie es wieder kommen würde: Microsoft hat die Idee, andere Hersteller bringen sie zum Erfolg und heimsen den Ruhm ein. Samsung kam mit einer eigenen Desktop-Lösung, die “DeX” getauft wurde, und auch Huawei brachte mit dem “EMUI Desktop” seine Version von Continuum heraus.

Ich habe mich mit beiden Lösungen intensiv beschäftigt und sie im Lauf der Zeit immer wieder angeschaut und geprüft, ob und wie sie sich weiterentwickelt haben. Über meine Erfahrungen habe ich berichtet, wer es in aller Ausführlichkeit nachlesen möchte, der schaut bitte hier:

Die Kurzform: Beide Lösungen hatten vielversprechende Ansätze, gleichzeitig aber auch unübersehbare Schwächen, über ein “Proof of Concept” kamen sie nie hinaus. Samsung schien die Idee aber weiter vorantreiben zu wollen, im Sommer 2018 erschien das DeX Pad mit vielen Optimierungen gegenüber dem Vorgänger. Geworben wurde dafür aber nicht mehr so wirklich, und wenn man sich aktuell die Homepage von Dex anschaut, dann stellt man fest: Die neuen Galaxy S10 sind dort in der Kompatibilitätsliste gar nicht mehr geführt. Man hat vermutlich nur vergessen, das zu ergänzen, aber auch das sagt uns ein bisschen was darüber, wie viel Überzeugung noch in DeX steckt. (Nachtrag: Stefan hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass das S10 DeX auch ohne Pad unterstützt, danke dafür).

Die Idee, ein Smartphone als PC zu benutzen, darf man getrost als gescheitert betrachten. Das Argument “hätte Microsoft mal nur länger dran festgehalten” ist nichts als Fan-Romantik. Wenn eine solche Lösung in einem erwachsenen Ökosystem wie Android nicht gedeiht, dann erst recht nicht dort, wo es wenig Kunden und noch weniger Entwickler gibt.

Trotzdem bleibt der Ansatz von Microsoft nach wie vor der Beste. Bei Continuum konnte man das Telefon uneingeschränkt weiter verwenden, während man am Desktop arbeitete, und da, wo es funktionierte, lief es richtig gut. Das Problem war eben nur, dass es praktisch keine Software gab. Dennoch hat sich nichts an dem geändert, was ich im letzten Sommer in einer Bestandsaufnahme zu diesem Thema schrieb: Nach wie vor sehe ich niemanden außer Microsoft, der ein solches Konzept zum Fliegen bringen könnte, denn nur unter der Beteiligung klassischer Windows-Software kann ein Produktiv-Szenario realisiert werden. Ich schrieb seinerzeit auch, eine solche Lösung könne nur auf Windows basieren, das stimmt inzwischen nicht mehr (bzw. es stimmte schon damals nicht, aber mir fehlte die Einsicht). Die Plattform wäre völlig egal, weil die Windows-Applikationen ohnehin virtualisiert aus der Cloud kämen.

Doch auch diese Diskussion ist müßig, denn es ist schlicht der Formfaktor: Wie man ein Smartphone auch dreht, wendet oder faltet: Es bleibt für echte produktive Arbeit zu klein, und darum bleibt für mich nur die Feststellung: Das Smartphone zum PC zu machen, war im Grunde keine schlechte Idee, aber die Limitierungen sind nicht aus der Welt zu schaffen.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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