Am Puls von Microsoft

Ein Kommentar zum Xbox Games Showcase und Halo Infinite

Ein Kommentar zum Xbox Games Showcase und Halo Infinite

Der Livestream, in dem wir von Xbox und seinen Partnern erfahren haben, was wir zu erwarten haben, ist jetzt knapp eine Woche vorüber und das Netz überschlägt sich mit Kommentaren, Eindrücken und auch Häme.
Erstaunlicherweise nicht nur von Anhängern anderer Plattformen, sondern auch eigene Fans ließen ihren Frust raus.

Dabei hat Xbox im Vergleich zum Mai auf Kritik reagiert und die Show angepasst, sodass die Zwischenmoderationen auf ein Minimum reduziert wurden.

Dazu kommt, dass es sich bei jeder Vorstellung um einzelne Spiele oder Ankündigungen von AA oder AAA Titeln gehandelt hat.
Hatte Xbox in der Vergangenheit noch mit einer nie dagewesenen Dichte von Spielen auf einer E3 gesprochen und gefühlt 30 ID@Xbox Titel in einen 5 Minuten Trailer gepresst, so gab es hier angemessen viel Zeit für jeden Titel.
Ich rechne dem Team auch hoch an, dass sie diesmal ihre Zwischenbemerkungen optisch aufgewertet und die Aufnahmen in Studioatmosphäre gestaltet haben.
Ja, wegen Corona und Home Office ist alles schwieriger, aber das ist für Microsoft-Standards keine Rechtfertigung, diese wie eine ISDN Skype-Übertragung aussehen zu lassen.

Insgesamt muss ich sagen, bin ich mit dem Line-Up sehr zufrieden. Es ist divers, Solo-Titel wie auch Multiplayer und Ko-Op, vielfältige Charaktere und Handlungen.

Fangen wir aber direkt mit dem größten Kritikpunkt im Netz an: Die Vorstellung von Halo Infinite.

Zuerst gab es einen sehr sexy CGI-Trailer, in der die legendäre Mjolnir Rüstung des Spartan mit der Kennung -117- Stück für Stück gefertigt und zusammengefügt wurde.
Dieser ging dann in den Halo Infinite Startbildschirm über, mit der Option die Demo zu starten.
Nach einer Ingame Cutscene machte es dann einen fließenden Übergang in das Startlevel.

Ich gehe jetzt nicht in jedes Detail, denn ich denke ihr habt es selber gesehen und wenn nicht, ist hier der Link zum Video:

Der größte Teil der negativen Kommentare, die auf Halo hereinprasseln, beziehen sich auf die grafische Qualität der Ingame Szenen, der Detailgrad der NPC aber auch der Natur.
Viele hielten nicht hinterm Berg, dass sie von dem gezeigten enttäuscht waren und von Xbox’ Flagship Titel mehr erwartet haben.

Ja, es war nicht das, was wir uns gewünscht oder erwartet haben.

Das liegt zum einen daran, dass es nicht der letzte Build war, der gezeigt wurde, sondern noch Work-In-Progress.
Zum anderen liegt es am Level-Design von Halo Infinite.

Alle früheren Teile waren in einem für Solospieler typisch angelegten Schlauchlevel-Design.
Waren die ersten Halo Teile etwas weiträumiger, so fiel es bei Halo 5 umso extremer auf, wie eng stellenweise die Wege waren und umso detaillierter die Level designt waren.
Halo Infinite ist im Gegensatz dazu das erste Open-World Sandbox Halo Spiel.
Wie Chris Lee, Chef bei 343 Industries, sagte, wird Halo Infinite dabei eine mehrfach größere Levelgröße haben als Halo 4 und Halo 5 zusammen.

Und damit kommen wir zum Kern des Ganzen.
Ein Open-World Game ist in einem steten Wandel, Entfernungen zu Objekten können variieren, Wetter wie auch Tages und Nachtwechsel sind angedacht.
Dieses erfordert sehr viel mehr Ressourcen als bei einem Schlauchlevel-Design.

Viele unken auch, dass dieses Spiel nicht viel mit dem E3 2018 Trailer zu tun hat:

Auch hier muss man bedenken, dass dies kein Gameplay Trailer war, sondern ein CGI-optimierter Teaser. Eine Tech-Demo der neuen Slipstream Engine.
Wer sich einmal die Tech-Demo der jeweils neuesten Unreal Engine Version angesehen hat, weiß, dass die darauf basierenden Spiele meist nicht annähernd ran kommen.

Das nächste Argument der Kritiker ist derzeit ein Vergleich von Ghost of Tsushima, dem wohl letzten reinen AAA Titel der PS4 Plattform, und Halo Infinite.
Dazu muss man wissen, dass Sucker Punch Productions exklusiv für Sony produziert und für seine Infamous-Reihe bekannt ist.
Das letzte Infamous, ein Solospieler-Titel, kam 2014 heraus.
Seitdem hatte das Studio quasi Zeit sich auf dieses, eine, Projekt zu konzentrieren.

Und 343 Industries?
Da darf man nicht vergessen, dass sie im November 2014 erst die Halo Master Chief Edition herausbrachten und dann Ende 2015 Halo 5 Guardians.
Während Halo 5 mehrere Jahre Multiplayer und Erweiterungen erhielt, erwies sich die Master Chief Edition als Großbaustelle, die weder Phil Spencers, noch den Qualitätsansprüchen der Fans genügte.
Und so wurde die Sammlung quasi im laufenden Betrieb erneuert und umgebaut, während gleichzeitig die Kollektion für den PC umgesetzt wurde und, mehr noch, die einzelnen Titel zeitgemäße Remaster in 4K erhielten.
Dazu kommt, dass Ghost of Tsushima auf niemanden Rücksicht nehmen muss. Das Spiel erscheint auf PS4 only. Es müssen keine Portierungen vorgenommen werden, man konzentrierte sich 6 Jahre auf diesen einen Titel, während Halo Infinite auf der Xbox One von 2013, der Xbox One S, der X und der Series X laufen muss, ohne dass es spielerische Abstriche gibt.

Und was viele leider verdrängen, ist der Corona Faktor.
Als sich im März Corona drastisch verbreitete und die Firmen die Mitarbeiter ins Home Office schickten, war Ghost of Tsushima quasi fertig. Ein Gold Status wird meistens 3 Monate vor Release eines Spiels erreicht, danach gibt es nur noch Feintuning, es wird an einem Launch-Patch gearbeitet, weil man nicht alles geschafft hat.
Halo Infinite ist noch voll in der Entwicklung und dementsprechend ist alles, was wir zu sehen bekommen, unfertig.

Ich will auch Xbox nicht in Schutz nehmen, wir alle haben mehr erwartet, da es DER Xbox Titel für den Start der Xbox Series X ist.

Ein guter Twitter Bekannter von mir, ebenfalls wie ich jenseits der 40, hatte es gut auf den Punkt gebracht.
In den 80ern und 90ern wurden Spiele durch klassische Medien, vorzugsweise Printmedien, vorgestellt.
Es gab keine Demos, bewegte Bilder, wie haben die Spiele quasi blind gekauft und wurden selten enttäuscht.
Seitdem das Internet Einzug gehalten hat, wird jede Information, jedes Bild oder Frame in seine Pixel zerbröselt und jeder teilt seine Meinung oder Eindruck mit (dazu muss ich mich natürlich auch zu zählen).
Was aber verloren geht, ist die Objektivität und eine Sachlichkeit, was dazu führt, dass auch der Umgangston mit den Entwicklern, Community Managern oder Marketing Leuten nicht nur beleidigend, sondern auch bedrohlich wird.
Dazu gehört inzwischen auch, dass Firmen, die bislang sogar Marketing Kollaborationen mit Xbox hatten, in die Kerbe einschlagen:

Auch hatten selbst an der so erhofften und gewünschten Fable Ankündigung nicht wenige zu meckern, dass es nur ein kurzer CGI-Trailer war und nichts In-Game.
Hierzu die Anmerkung, dass Playground Games erst im letzten Jahr ankündigte, ein neues Projekt neben Forza Horizon zu betreiben und sie immer noch mitten im Recruiting stecken.

Lasst uns also Spiele mit etwas mehr Gelassenheit betrachten und erst dann ein Urteil darüber fällen, wenn man selbst eine Demo spielt oder das fertige Produkt vor Augen hat.

Wie steht ihr dazu?

Über den Autor

Daniel Heithorn

Daniel Heithorn

Seit 386er Zeiten und MS-DOS 5.0 mit der PC-Welt verbunden. 2010 startete ich beim deutschen Xbox Support und bin seitdem mit der Xbox Marke verbunden.

Anzeige