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Fazit zum Surface Pro X: Das Beste, was man derzeit aus Windows on ARM machen kann

Fazit zum Surface Pro X: Das Beste, was man derzeit aus Windows on ARM machen kann

Zehn Tage habe ich mit dem Surface Pro X verbracht. Keine sehr lange Zeit, doch ich habe sie intensiv genutzt. Das Gerät war jeden Tag mehrere Stunden im Einsatz und begleitete mich auch auf einer Reise nach München, auf der es seinen eigentlichen Zweck erfüllen konnte, nämlich den eines ultramobilen Arbeitsgeräts. Diesen und auch weitere Tests hat es mit Bravour bestanden und insgesamt meine Erwartungen in fast allen Punkten übertroffen.

Übrig bleiben dennoch ein paar Ärgernisse, die größte Schwäche wäre sogar vermeidbar gewesen und hat gar nichts mit der Plattform Windows on ARM zu tun. Um den Blick frei für das Positive zu haben, fangen wir damit auch direkt an:

Signature Type Cover: Ein Schritt vor und zwei zurück

Die Type Cover der Surface Pro-Serie waren und sind exzellent. Bevor es sie gab, hätte es kaum jemand für möglich gehalten, wie gut eine Ansteck-Tastatur sein kann. Das “Signature Type Cover” des Surface Pro X liefert uns mit der Lademulde für den neuen Surface Slim Pen einen weiteren Fortschritt, geht an anderer Stelle aber zwei Schritte zurück.

Der erste Rückschritt ist noch erklärbar: Durch die dünneren Ränder des Tablets und der Aufnahme für den Stift kommt das Cover der Taskleiste bedenklich nahe. In meinen ersten Eindrücken habe ich das noch relativiert, da hatte ich das Surface Pro X allerdings nur auf dem Tisch genutzt. Als ich unterwegs war, habe ich es mir morgens ins Hotelbett geholt, um vor dem Frühstück ein paar Dinge zu erledigen. Weil der Übergang zwischen Stiftmulde und Tastatur sehr dünn und entsprechend flexibel ist, bietet sich aus der Im-Bett-Nutzungs-Perspektive dann dieses Bild:

Surface Pro X: Type Cover verdeckt die Taskleiste

Darüber hätte ich noch hinweg sehen können, denn sehr häufig nutze ich das Gerät in dieser Position nicht, und wenn wir ehrlich sind, dann ist das Surface Pro – ob mit oder ohne X – für dieses Szenario auch nicht gemacht, feste Untergründe sind ihm lieber.

Was aber wirklich überhaupt nicht geht, ist die Haptik. Sie erinnert an die Type Cover der allerersten Surface-Generationen. Woraus diese Oberfläche genau besteht, vermag ich nicht so recht zu sagen, aber sie wirkt extrem billig. Das Alcantara aus der Produktbeschreibung findet man nur auf der Rückseite. Schmutzpartikel krallen sich an dieser Oberfläche regelrecht fest: Als ich versuchte, einen Krümel wegzuwischen, habe ich eine schöne Komentenspur damit “gemalt”. Wenn ihr auf dem folgenden Bild genau hinschaut, dann könnt ihr außerdem sehen, dass es nach etwas mehr als einer Woche unten links schon ein wenig angespeckt aussieht.

Die Haptik des Surface Pro X Type Cover ist miserabel

Genervt hat mich auch das laute Klicken des Trackpads. Das Cover des Surface Go klickt leise und weich, ähnlich wie jetzt beim Surface Laptop 3. Es ist unerklärlich, warum ein Produkt, welches ein Jahr später erscheint, hier wieder einen Schritt zurück geht.

Die Tastatur selbst ist so fantastisch, wie man das gewohnt ist. In Summe aber kann man das Type Cover des Surface Pro X nur als maximal durchschnittlich bezeichnen. Den Preis von rund 150 Euro ist es nicht annähernd wert.

Windows on ARM ist ganz nah dran – wenn es passt

Die frühen Reviews zum Surface Pro X waren allesamt negativ. Nach meiner Erfahrung mit dem Surface Pro X kann ich das kein bisschen nachvollziehen. Der Grund dafür ist einfach: Es muss passen. Wenn man keine Software benutzt, die von der x86-Emulation zu sehr ausgebremst wird, dann ist die Performance mindestens ausreichend und oft sogar sehr gut. Der native Microsoft Edge und das teilnative Office machen auf dem Surface Pro X eine gute Figur, bei vielen leichtgewichtigen x86-Programmen ist ein Performance-Unterschied kaum feststellbar, sie sind meistens sofort da.

Über die Performance der von mir genutzten Programme hatte ich mich an dieser Stelle bereits ausgelassen, für Detailinfos schaut daher bitte in diesen Beitrag: Die ersten 24 Stunden mit dem Surface Pro X.

Zwischenzeitlich ist ein Firmware Update für das Surface Pro X erschienen, die zuvor beschriebenen Mini-Aussetzer bei der Nutzung des Systems sind seither nicht mehr zu beobachten, es läuft jetzt “rund”.

Für mein persönliches “Set” an Anwendungen ist das Surface Pro X prima geeignet, ich kann alle Programme nutzen und bis auf ein paar gelegentliche Gedenksekunden bei SnagIt 2020 war ich auch mit der Leistung absolut zufrieden. Die Akkulaufzeit hat sich zwischen 10 und 11 Stunden eingependelt.

Ich persönlich habe bezüglich Windows on ARM so gut wie überhaupt keine Einschränkungen gespürt, aber das ist eben sehr individuell. Ein nicht installierbarer Treiber, ein nicht kompatibles Programm – und schon wird die Konstruktion des positiven Gesamteindrucks eine sehr wackelige Angelegenheit.

Das Surface Pro X von vorne

Die Hardware: Einfach nur sexy

Es wurde schon oft gesagt, ein weiteres Mal kann aber nicht schaden: Das Surface Pro X ist einfach sexy und in jedem Fall das schickste Windows-Gerät, welches ich jemals genutzt habe. Man schaut und fasst es gerne an, das dünne Gehäuse und die dünnen Display-Ränder machen es sehr elegant, dennoch wirkt es kein bisschen zerbrechlich, wenn man es in der Hand hält.

Seitenansicht des Surface Pro X zugeklappt

Das Display ist wie von Surface-Geräten gewohnt großartig und ich wollte an dieser Stelle eigentlich schreiben, dass es im Gegensatz zu seinen “Geschwistern” absolut keine Probleme mit dem adaptiven Kontrast und der automatischen Helligkeit hat. Eine Sache ist mir dann aber doch unangenehm aufgefallen: Wenn die automatische Regelung der Helligkeit aktiviert ist, dann wird diese oft auf ein gerade noch so erträgliches Maß reduziert, ich musste immer wieder nachregeln. Vermutlich soll auf diese Weise Strom gespart werden. Es hat mich irgendwann so gestört, dass ich die automatische Regelung deaktiviert habe.

Der Kickstand arbeitet, wie man das von der Surface Pro Serie kennt: Er hält das Tablet stabil in der gewünschten Position, kann stufenlos eingestellt werden und ist unkaputtbar – man kann sich mit vollem Gewicht drauf lehnen und so den Kickstand quasi an die gegenüberliegende Seite des Gehäuses drücken, das macht er klaglos mit.

Seitenansicht des Surface Pro X aufgestellt mit Type Cover

Ebenfalls positiv aufgefallen ist mir der Klang, der über zwei links und rechts neben dem Display integrierte, nach vorn gerichtete Lautsprecher ausgegeben wird. Vor allen Dingen die Sprachausgabe ist sehr klar, was für Konferenzanrufe und Filme gleichermaßen vorteilhaft ist.

Der fehlende MicroSD Slot muss an dieser Stelle erwähnt werden, ich selbst komme mit 256 GB internem Speicher seit Jahren prima hin und benötige keine Erweiterung. Sollte es doch einmal erforderlich sein, so habe ich auf Reisen immer meinen “USB-C auf alles Mögliche-Adapter” dabei, der auch mit dem Surface Pro X anstandslos funktioniert.

Beinahe hätte ich vergessen zu erwähnen, was diese neue Geräteklasse ausmacht, nämlich die permanente Konnektivität. Ich hatte bisher nie Laptops mit LTE-Modem und nutze immer einen Hotspot oder mein Smartphone. Das hat sich für mich nie umständlich angefühlt, wird es aber in Zukunft – weil ich ja jetzt erlebt habe, wie angenehm es ist, wenn das Gerät einfach immer sofort online ist. Zur LTE-Empfangsqualität kann ich nicht allzu viel sagen, immerhin aber hatte ich im Zug zwischen Karlsruhe und München nur ganz selten Aussetzer. Die Signalstärke zeigte im Schnitt immer einen Balken weniger an als mein Smartphone, aber selbst bei einem Strich war die Onlineverbindung immer noch einwandfrei.

Insgesamt hat das Surface Pro X mit Ausnahme des Type Cover restlos gute Eindrücke hinterlassen. Und mit diesen guten Eindrücken packe ich es nun ein und schicke es wieder zurück. Das fällt mir tatsächlich schwer, und ich habe es mir in den letzten Tagen sicherlich ein Dutzend Mal anders überlegt. Immer wieder schwankte ich zwischen “ich behalte es” und “ich gebe es zurück”.

Am Ende ist mir das Risiko einfach zu hoch. Ich habe etwas über 1.700 Euro für Tablet, Tastatur und Stift bezahlt. Das ist viel Geld und fällt so oder so in die Kategorie “muss man wollen”. Dennoch hätte mich das nicht gestört, wenn ich ganz sicher wäre, dass Windows on ARM und die zugehörige Hardware von Microsoft in ein bis zwei Jahren noch ebenso gut unterstützt werden wie heute. Dieses Vertrauen habe ich aber ganz einfach nicht mehr, dafür hat sich Microsoft in den letzten Jahren bei allen großen und kleinen Experimenten, etwas Neues zu versuchen, einfach als zu kurzatmig erwiesen.

Ganz unabhängig davon ist die Gesamtlage bei Windows on ARM kritisch. Kein anderer Hersteller plant augenscheinlich entsprechende Geräte, ohne diese kann es keine Kunden geben und ohne Kunden gibt es auch keine Nachfrage nach nativer ARM-Software. Der übliche Teufelskreis.

Sollten meine Bedenken nicht gerechtfertigt sein, dann kann ich mir im kommenden Jahr das Surface Pro X2 kaufen und mich über ein noch besseres Gerät freuen bzw. mich ärgern, dass ich nicht von Anfang an dabei war und die Entwicklung dieser Plattform begleitet habe. Verglichen mit dem Ärger, den ich im anderen Fall empfunden hätte, ist das aber ein kleines Risiko. Es ist für mich im Grunde auch nicht wirklich vorstellbar, dass Microsoft im kommenden Jahr das Pro X wieder beerdigt, denn kurz darauf wollen sie mit dem Surface Neo und Duo ja gleich zwei komplett neue Kategorien an den Start stellen – wer sollte ihnen denn dann noch glauben, dass sie es ernst meinen? Sei’s drum, ich hab mich entschieden.

Die Berichterstattung über das Surface Pro X ist damit aber noch nicht zu Ende, denn Manuel aus unserem Team besitzt es ebenfalls und wird sich vor allen Dingen den neuen Surface Slim Pen noch gründlich vornehmen.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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