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Freitagsgedanken: Windows 11 gegen Chrome OS – was ist der Plan?

Freitagsgedanken: Windows 11 gegen Chrome OS - was ist der Plan?

Chromebooks sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Weltweit ist ihr Marktanteil zwar noch immer klein, im heimischen US-Markt – insbesondere im so wichtigen Bildungsbereich – stehen die Chromebooks aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden und sind eine ernsthafte Bedrohung für Windows und Microsoft.

Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Run auf Laptops hat auch den Absatz von Chromebooks in neue Höhen schnellen lassen, sogar hierzulande liegen sie nun klar über der Wahrnehmungsschwelle. Nicht zuletzt, weil Google inzwischen etwas lauter auf  die Werbetrommel haut und beispielsweise TV-Spots schaltet.

Was Chromebooks für viele Käufer so attraktiv macht, ist genau das, worüber sich Microsoft anfangs lustig gemacht hat: Chromebooks sind “simpel”. Sie können weit weniger als ein Windows-PC, aber vielen Kunden sind sie “gut genug” für das, was sie mit einem Computer erledigen wollen bzw. müssen.

Microsoft hat im Lauf der Jahre Vieles versucht, um den Chromebook-Zug aufzuhalten. Aber weder günstige Laptops noch diverse Versuche, Windows 10 zu “simplifizieren” (z.B. mit dem S Modus) haben gefruchtet. Microsofts Kampf gegen die Chromebooks im US-Bildungsmarkt ist nach wie vor ein Rückzugsgefecht.

Jetzt kommt Windows 11. Eine Woche vor der offiziellen Präsentation war ich zu einem vertraulichen Briefing geladen, bei dem Microsoft auf die “neue Windows-Generation” eingestimmt hat. Witzigerweise, ohne Windows 11 dabei auch nur ein einziges Mal zu erwähnen, obwohl die geleakte Version bereits im Umlauf war. Man kündigte allerdings an, auf welche Bereiche man sich mit der “neuen Generation” besonders konzentrieren werde. Während mit “Business” und “Gaming” wohlbekannte Schlagworte fielen, wurde über “Education” nicht gesprochen, obwohl das in der Einladung zu diesem Briefing noch explizit aufgeführt war.

Für einen Moment dachte ich: Hat Microsoft vielleicht einfach aufgegeben? Haben sie sich damit abgefunden, dass Windows niemals wie Chrome OS sein kann und dass es völlig ok ist, wenn sich Kunden entweder für das eine oder das andere System entscheiden?

Das könnte ich sogar verstehen, denn Microsoft scheint mit Windows in einem Paradoxon gefangen. Kunden greifen zu Chrome OS, weil das so schön einfach ist, nicht so komplex wie Windows. Versucht Microsoft aber, Windows zu simplifizieren, müssen sie sich umgehend Begriffe wie “abgespeckt”, “beschnitten”, “nicht vollwertig” etc. um die Ohren schlagen lassen. Jeder Versuch wird totgeredet und -geschrieben, noch ehe er so richtig gestartet ist. Der letzte Versuch, sich in Richtung Chrome OS zu bewegen, war Windows 10X. Das hat Microsoft schon begraben, noch ehe es von den Medien vernichtet werden konnte.

Windows 11 wurde bei der Vorstellung zwar als neu verkauft, gleichzeitig hat man aber auch viel Wert auf die Feststellung gelegt, dass Windows 11 all das ist, was Windows immer ausgezeichnet hat. Sind wir also an dem Punkt, an dem Microsoft zwar eine frische und moderne Optik einführt, gleichzeitig aber eingesehen hat, dass es für Windows kein “nächstes Ding” gibt, sondern dass Windows halt Windows ist?

Einerseits glaube ich, diese Frage mit “Ja” beantworten zu können, andererseits ist der Bildungsbereich, in dem die kommende Nutzergeneration heranwächst, selbstverständlich viel zu wichtig, um der Konkurrenz das Feld überlassen zu können. Dass Microsoft keine Strategie mehr gegen Chrome OS hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Sie könnte aber durchaus so aussehen, dass man sich auf die eigenen Stärken verlässt, anstatt zu versuchen, die Stärken der Konkurrenz zu kopieren.

Ich glaube, Microsoft hat bislang noch nicht über die Highlights in Windows 11 für den Bildungsbereich gesprochen, weil sie noch nicht so weit sind, und weil ihnen bei der Präsentation die Botschaft wichtiger war, dass Windows 11 am Ende des Tages dann doch einfach nur das Windows ist, das wir seit Jahrzehnten kennen.

Früher oder später werden sie den Schlachtplan offen legen – und ich bin sehr gespannt, ob das dann mehr eine Marketing-Story oder wirklich eine technische Lösung sein wird. Im erwähnten Briefing wurde nämlich ebenfalls angekündigt, dass es vom neuen Windows auch neue Editionen geben wird – davon fehlt aktuell aber noch jede Spur.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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