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Freitagsgedanken zu Windows 11: Ein echter Neustart wurde für das Marketing geopfert

Freitagsgedanken zu Windows 11: Ein echter Neustart wurde für das Marketing geopfert

Noch vier Tage bis Windows 11: Am 5. Oktober kommt das neue Betriebssystem von Microsoft offiziell auf den Markt. Der Termin ist grundsätzlich eher symbolischer Natur, denn neue Geräte mit vorinstalliertem Windows 11 werden noch eine Weile auf sich warten lassen, lediglich das Microsoft Surface Go 3 erscheint pünktlich zum Release.

Wer sofort auf Windows 11 umsteigen möchte, kann das ab dem kommenden Dienstag manuell tun, sofern die eigene Hardware kompatibel ist. Von sich aus wird Microsoft zunächst nur auf ganz wenigen Geräten das Upgradeangebot einblenden.

Es ging alles sehr schnell, nur drei Monate wurde Windows 11 im Insider-Programm getestet, und eigentlich war es schon mit der ersten Vorabversion fertig, es gab seitdem nur noch kumulative Wartungsupdates. Viele Funktionen, die Microsoft bei der Enthüllung von Windows 11 gezeigt hat, werden zunächst nicht enthalten sein, allen voran die Möglichkeit, Android-Apps zu nutzen. Manche Dinge an Windows 11 wie das Startmenü oder die funktional arg beschnittene Taskleiste wirken unfertig, wobei man sich allerdings nicht sicher sein kann, ob das im Rahmen der “Simplifizierung” vielleicht auch genau so gewollt war. Die Poweruser, die darüber schimpfen, finden sich ja trotzdem irgendwie zurecht.

Der technische Reifegrad von Windows 11 scheint hingegen in Ordnung zu sein, größere Baustellen sind nicht bekannt. Das wiederum ist keine allzu große Überraschung, weil es auf der soliden Basis von Windows 10 ruht.

Hätte sich Microsoft ein wenig mehr Zeit genommen, hätte Windows 11 eine runde Sache werden können. Es hätte den “echten Neustart” markiert, den sich viele Fans schon seit Jahren wünschen. Leider aber fehlen nicht nur Funktionen, mit denen man bei der Präsentation Begeisterung geschürt hat, das wäre nämlich noch relativ leicht zu verschmerzen.

Viel schlimmer ist: Windows 11 strotzt weiterhin vor Inkonsistenzen beim Design. Und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sich das in Zukunft ändern wird.

Im Februar 2021 schrieb ich den Artikel: Neues Windows Design: Ich möchte bitte nicht mehr verreisen. Von Windows 11 sprach damals noch niemand, man ging stattdessen davon aus, dass “Sun Valley” – so der Codename für das neue Windows-Design – ein Update für Windows 10 sein würde. Meine Befürchtung war, dass die Oberfläche nicht von Grund auf erneuert, sondern stattdessen einfach nur eine weitere Designsprache zu Windows hinzugefügt wird und uns Microsoft einmal mehr erzählt, dies sei nur der Anfang der Erneuerung. Genau das ist geschehen.

Windows 11 Design

Warum wirkt es so, als sei Windows 11 eilig zusammengezimmert und auf den Markt geworfen worden? Ganz einfach: Weil es so ist. Das sagt Microsoft sogar selbst. In einem Medienbriefing wurde wörtlich gesagt, Windows 11 sei komplett in der Pandemie entstanden, mutmaßlich sollte das die Medienvertreter beeindrucken. Meine Schlussfolgerung ist aber eher die: Ohne die Corona-Pandemie hätte es Windows 11 womöglich gar nicht gegeben.

Ich zitiere mich dazu aus dem Beitrag: Ich will nicht, aber ich muss: Ein Piks in die Windows 11-Seifenblase:

Einerseits rechtfertigt die Menge der Neuerungen ohne jeden Zweifel einen neuen Namen, andererseits hätte Microsoft alle diese Neuerungen im Rahmen von Windows as a Service für Windows 10 als Funktionsupdate liefern können. Angesichts des in der Pandemie aufblühenden PC-Markts hat Microsoft bei Windows aber wieder eine Chance zum Geldverdienen gesehen. Nicht nur für sich, sondern auch für seine Hardware-Partner. Darum hat irgendwann jemand gesagt: Lasst es uns Windows 11 nennen und Kohle machen! Und alle am Tisch haben geklatscht.

Nach dieser Entscheidung musste es schnell gehen. Die alte Kuh mit dem Namen “PC-Markt” bekam durch die Pandemie einen nicht mehr für möglich gehaltenen Milcheinschuss. Nun muss gemolken werden, denn niemand weiß so recht, wie lange das anhalten wird.

Windows 11 sei lediglich der Beginn einer Revolution, hörte man Satya Nadella sagen. Eine neue “Windows-Ära” würde anbrechen, hieß es an anderer Stelle. Tut mir leid, inzwischen bin ich zu lange dabei und bin auch zu oft auf solche Worte reingefallen, als dass ich ihnen noch eine besondere Bedeutung beimessen würde. Sollte sich der durch Corona ausgelöste PC-Boom am Ende als Strohfeuer erweisen, das halt nur ein wenig länger gebrannt hat, dann wird diese revolutionäre Ära so schnell wieder vorbei sein, wie sie ausgerufen wurde, und Windows 11 wird wie zuvor Windows 10 in den Wartungsmodus versetzt.

Mir gefällt Windows 11. Mit dem Startmenü stehe ich zwar nach wie vor ein wenig auf Kriegsfuß, die neue Optik aber finde ich abgesehen von dem Umstand, dass sie nicht durchgängig ist, gelungen. Auf meinem “verbotenerweise” aktualisierten PC läuft Windows 11 außerdem spürbar schneller als Windows 10. Der neue Store, die neu gestalteten PC-Einstellungen, das sind alles Schritte in die richtige Richtung. Aber es ist eben nicht die runde Sache, die Windows 11 hätte werden können, wenn sich Microsoft mehr Zeit genommen hätte. So aber hat einmal mehr das Marketing bestimmt, wann das Produkt für “fertig” erklärt wird.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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