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Gedanken zu Polaris: Ein modernes Microsoft-Betriebssystem braucht auch einen neuen Namen

Gedanken zu Polaris: Ein modernes Microsoft-Betriebssystem braucht auch einen neuen Namen

Microsoft möchte Windows modularer gestalten und grundlegend modernisieren. In dieser Woche sind dazu unter dem Codenamen Polaris wieder neue Informationen aufgetaucht. Unter anderem soll es in Zukunft eine moderne, wirklich entschlackte Version von Windows 10 geben, die all den alten Ballast der letzten 25 Jahre über Bord wirft und nur noch mit modernen Apps kompatibel ist.

Es gibt für mich keinen Zweifel daran, dass dies bitter nötig ist. Schon viel zu lange verhindern Kernelemente von Windows, die aus Gründen der Abwärtskompatibilität mitgeschleift werden, einen echten Neuanfang. Ich will das nicht von der technischen Seite her beleuchten, die ist im Grunde ohnehin erst mal nur für die Windows-Programmierer selbst interessant. Ob sich eine Windows-Version aus mehreren Modulen zusammensetzen lässt oder ob sich die Oberfläche mit CShell adaptiv anpasst, muss ich nicht wissen. Mich interessiert nur, ob es funktioniert – mit welchem Aufwand es entwickelt wurde, kann und darf mir herzlich egal sein. Außerdem halte ich es für Zeitverschwendung, sich mit halboffiziellen Informationen zu technischen Hintergründen zu befassen, so lange Microsoft seine Pläne nicht offiziell macht.

Sich ein reines UWP-Windows vorzustellen, fällt zugegebenermaßen sehr schwer. Es würde leichter fallen, wenn es denn wenigstens eine einzige UWP-App gäbe, die es in Design und Funktionsumfang mit einem vollwertigen Desktop-Programm aufnehmen kann. Die Tatsache, dass Microsoft mit einer kompletten Abteilung an der Ablösung des x86-Clients von OneNote durch eine UWP arbeitet und dabei in einem ganzen Jahr noch nicht sehr weit gekommen ist, könnte man als Indiz dafür nehmen, wie effektiv die UWP-Entwicklung derzeit ist…” Vielleicht ist das eine unfaire Einschätzung, aber OneNote ist in diesem Fall das beste, weil einzige Beispiel. Natürlich wird UWP nicht verschwinden, weil es das Herz von Windows 10 ist. Ohne Entwickler wird das dennoch nichts, und deren Interesse ist gleich Null – weil es eben auch null Gründe gibt, eine UWP zu entwickeln, so lange Windows 7 nicht ausgelaufen ist.

Aber blenden wir das einfach mal aus und widmen uns dem eigentlichen Problem: Dem Namen. Ein “modernes Windows 10” kann es nicht geben. So lange es “Windows” heißt, ist jeder Versuch, alte Zöpfe abzuschneiden, zum Scheitern verurteilt. Wenn Microsoft ein wirklich modernes Betriebssystem erschaffen möchte, dann dürfen sie das nicht Windows nennen. Dafür gibt es zwei entscheidende Gründe:

Windows ist ein verbrannter Name

Mit Windows verbindet kaum ein Nutzer positive Gedanken. Das Beste, was Windows tun kann, ist, mich bei meiner Arbeit nicht zu stören – so denken die allermeisten Windows-Nutzer. Windows ist etwas, das man nutzt, weil man keine andere Wahl hat. Da, wo es Alternativen gibt, greift man gerne zu. Einer der Gründe für das Scheitern von Windows auf Smartphones ist ganz sicher auch der, dass viele Nutzer dachten “Nein, das muss ich nicht auch noch auf meinem Handy haben, ich hab schon genug Ärger mit meinem PC”.

Also nicht falsch verstehen, dass soll kein Rant gegen Windows werden, ich liebe mein Windows 10 – aber wir reden hier nicht über Enthusiasten, sondern über die breite Masse. Und die sieht Windows als ein notwendiges Übel. Es gibt keinen Weg, daran etwas zu ändern. Der Name ist verbrannt.

Wo Windows drauf steht, wird auch Windows erwartet

Die vielen Probleme, die man mit Windows haben kann und die zu dem im vorigen Absatz beschriebenen Ergebnis geführt haben, haben ihren Ursprung in der größten Stärke, die Windows besitzt: Seine Offenheit und seine Flexibilität. Von einem Produkt mit dem Namen “Windows” wird man daher auch immer genau das erwarten. Alles, was davon abweicht, wird stets mit Attributen wie “beschnitten”, “eingeschränkt”, limitiert” usw. beschrieben werden, und jede Abweichung wird man mit “im Gegensatz zu einem vollwertigen Windows” kommentieren. Es ist völlig unerheblich, wie relevant diese “Einschränkungen” für die jeweilige Zielgruppe sind – niemand möchte ein limitiertes Produkt kaufen, und die Medien und “PC-Cracks” werden jeden Ansatz zuverlässig kaputt reden.

Neustart nur mit neuem Namen

Wenn Microsoft also von einem modernen Betriebssystem träumt, das vorwärts und nicht rückwärts denkt, das gnadenlos auf Leistung, Akkulaufzeit, Sicherheit etc. ausgelegt ist und keinerlei Altlasten mehr enthält, dann darf das nicht Windows heißen. Nur so schafft man die Voraussetzung dafür, dass sich Presse, Enthusiasten und letztlich auch die potenziellen Kunden unvoreingenommen und mit der nötigen Neugier nähern. Der Nachteil, dass es Windows heißt, obwohl es eigentlich gar kein richtiges Windows ist, ließe sich in einen Vorteil verwandeln: Guck mal, ein komplett neues System, sieht aber trotzdem noch wie Windows aus, du wirst dich leicht zurecht finden. Selbstredend wäre dieses System aus dem Stand kein großer Erfolg, aber ohne die ewigen Vergleiche mit dem “vollwertigen Windows” hätte Microsoft auch die nötige Ruhe, es behutsam weiterzuentwickeln.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zuhause. Seit 15 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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