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Geschichte wiederholt sich: Nach dem Edge- nun der Wunderlist-Effekt

Geschichte wiederholt sich: Nach dem Edge- nun der Wunderlist-Effekt

Mit dem Start von Windows 10 schickte Microsoft seinen Browser Edge an den Start und erklärte ihn zum Nachfolger des Internet Explorer. Dieser wurde gleichzeitig offiziell in den Wartungsmodus versetzt. Das Problem: Edge war nicht gut genug, die Nutzer suchten nach anderen Alternativen zum Internet Explorer – und wurden fündig. Der Frühstart von Edge und der verfrühte Abgesang sorgten dafür, dass Microsoft im Browser-Markt nun mindestens vorerst irrelevant ist (ich hatte es ja geahnt). Man kann dagegen halten, dass der Siegeszug von Chrome so oder so stattgefunden hätte. Da will ich nicht mal widersprechen, aber Google hatte dadurch definitiv leichteres Spiel.

Nun wiederholt sich die Geschichte beim Thema “Aufgabenverwaltung”. Die Vorzeichen sind ein wenig anders, aber das Problem ist im Grunde identisch.

Im April kündigte das Wunderlist-Team, welches im Vorjahr von Microsoft aufgekauft wurde, den Start der öffentlichen Preview von Microsoft To-Do an. In der Ankündigung schrieb man unter der Überschrift “Was wird aus Wunderlist?”, dass To-Do die Zukunft sei. Wunderlist werde nun keine neuen Features mehr erhalten und irgendwann von To-Do abgelöst.

Nutzer von Wunderlist hätten diese Ankündigung schulterzuckend zur Kenntnis nehmen können, denn das Tool funktioniert weiterhin wie immer und eine Abschaltung ist nicht in Sicht – also alles beim Alten. Aber natürlich schaute man auf den designierten Nachfolger To-Do und stellte fest, dass im Vergleich zu Wunderlist noch sehr viele Funktionen fehlten, sämtliche Kollaborations-Features sind beispielsweise (bis heute) nicht integriert. In der Folge passierte das Naheliegende: Man begann, sich nach Alternativen umzusehen. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie viele Leute aus meinem Dunstkreis seither von Wunderlist zu ToDoist oder einem anderen Dienst gewechselt sind.

Durch die Microsoft-Brille betrachtet könnte man das als völlig irrational bezeichnen: Hey, To-Do ist doch nur eine Preview, und wir haben noch mit keiner Silbe über ein konkretes Ende von Wunderlist gesprochen. Rein menschlich ist die Denkweise allerdings nachvollziehbar. Wer möchte schon gerne bei einem Produkt bleiben, welches der Hersteller in den Wartungsmodus versetzt hat und von dem kein Fortschritt mehr zu erwarten ist. Erschwerend kommt hinzu, dass To-Do der Aufbruchstimmung nichts mehr folgen ließ – seit Monaten hat es sich nicht mehr nennenswert weiterentwickelt.

Genau wie seinerzeit beim Internet Explorer und Edge hat man hier das eine Produkt faktisch abgekündigt und einen unfertigen Nachfolger ins Rennen geschickt – Preview hin oder her, so etwas verunsichert die Kunden, und dann schauen sie sich woanders um.

In der oben verlinkten Ankündigung vom April schrieb man auch, dass “in den kommenden Monaten” viele neue Funktionen kommen werden, unter anderem das Listen-Sharing sowie eine tiefere Integration in die Microsoft-Dienste. All das ist man ein halbes Jahr später noch immer schuldig geblieben – was überhaupt nicht schlimm wäre, hätte man sich nicht völlig ohne Not durch einen kommunikativen und technischen Frühstart selbst in diese missliche Lage gebracht.

Die bessere Integration ins Microsoft-Ökosystem ist das Primärziel bei To-Do, und es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine separate Vermarktung von Premium-Features wie bei Wunderlist geben – man wird Office 365 damit aufwerten und so weitere Gründe für ein Abonnement hinzufügen. Auf diesem Weg hätte man viele Wunderlist Pro-Kunden abholen und mitnehmen können. Je länger das aber dauert, desto mehr Kunden werden zu einer anderen Aufgabenverwaltung abwandern, was es anschließend umso schwerer macht, sie für Office 365 zu gewinnen.

P.S.: Das soll keine Kritik an To-Do sein, ich liebe es nicht trotz, sondern gerade wegen seine einfach gehaltenen Aufbaus. Die Kritik richtet sich einzig gegen die einmal mehr äußerst unglückliche Kommunikation seitens Microsoft.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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