Gesperrte Microsoft-Konten: Das sagt der Anwalt
In den letzten Wochen und Monaten haben wir an dieser Stelle einige Male über die Problematik gesprochen, dass Microsoft Konten von Nutzern sperrt und dabei den Eindruck der Willkür erweckt, weil der komplette Prozess nicht transparent ist. Wer gerade frisch in dieses Thema hinein stolpert: Am Ende dieses Beitrags habe ich die bisherige Berichterstattung in chronologischer Reihenfolge verlinkt.
Mindestens ein betroffener Kunde hat Klage gegen Microsoft eingereicht, auch darüber hatten wir berichtet. Ich habe mit Rechtsanwalt Dr. Marcus Werner von der Kanzlei WERNER, die den Kunden vor Gericht vertritt, über die grundsätzliche Problematik gesprochen Dr. Werner ist Fachanwalt für IT-Recht und selbst Diplom-Informatiker. Seine Ausführungen bestätigen weitgehend mein persönliches Rechtsempfinden und machen einerseits Hoffnung, andererseits sind sie auch ernüchternd, denn die Aussichten auf einen schnellen Erfolg sind minimal.
Darf Microsoft ein Konto einfach so ohne Begründung sperren?
Die Kunden, deren Microsoft-Konto gesperrt wird, erhalten lediglich eine lapidare Mitteilung, dass diese Sperre wegen eines Verstoßes gegen den Servicevertrag erfolgte. Meine Frage war: Dürfen die das überhaupt? Oder muss die Sperre dem Kunden detailliert begründet werden?
Die Aussage von Dr. Werner hierzu ist, dass es eine „Begründungspflicht“ nicht gibt. Microsoft muss also nicht im Detail darlegen, warum ein Konto gesperrt wurde. Gleichwohl sieht er aber eine Hinweispflicht gegeben, dem Kunden zumindest die Art des Verstoßes mitzuteilen oder gegen welchen Teil des Servicevertrags er verstoßen haben soll. Der lapidare Hinweis, das Konto sei wegen eines schwerwiegenden Verstoßes nicht mehr verfügbar, reicht seiner Ansicht nach nicht aus.
Die Sperre eines Kontos gilt über alle Dienste hinweg, von Outlook.com über OneDrive und Xbox. Darf die „digitale Identität“ eines Kunden derart umfangreich ausgelöscht werden, oder hat eine Sperre vielmehr nicht nur für den Dienst zu gelten, in dem der mutmaßliche Verstoß vorliegt?
Hierzu vertritt Dr. Werner eine eindeutige Position und sagt: „Eine allumfassende Sperre halte ich für zivilrechtlich nicht durchsetzbar.“
Das bringt uns zu einem anderen Punkt, nämlich dem Zugriff auf die Daten, die in einem Account gespeichert sind. Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass ein Cloudspeicher nichts anderes als ein Datenträger ist, wenn auch in diesem Fall ein virtueller. Für ein Backup ist der Kunde daher immer selbst verantwortlich. Unabhängig von einer drohenden Sperre sollte man immer über eine Kopie aller Daten verfügen, die in der Cloud gespeichert sind. Das ändert aber nichts daran, dass die Daten Eigentum des Kunden sind.
Dr. Werner führt in diesem Zusammenhang das Argument ins Feld, dass Funktionen wie der „OneDrive Tresor“ als Ablageort für besonders sensible Daten beworben werden, der Kunde hier also explizit dazu animiert wird, eben keine Duplikate dieser Daten zu besitzen. Aus diesem Grund müssen diese Daten auch im Falle einer Sperre dem Kunden zugänglich gemacht bzw. ausgehändigt werden.
Als juristischer Laie wollte ich noch wissen, wie denn ein Verfahren vor einem deutschen Gericht gegen Microsoft Irland überhaupt funktioniert. Die irische Niederlassung ist Vertragspartner für alle Microsoft-Kunden innerhalb der EU. Was ist, wenn die sich einem Urteil nicht beugen oder auf die Klage einfach überhaupt nicht reagieren? Diesbezüglich konnte mich Dr. Werner aber beruhigen: Innerhalb der EU können Gerichtsentscheide auch im Ausland vollstreckt werden.
Die bereits angesprochene Ernüchterung stellt sich hinsichtlich der zu erwartenden Dauer des Verfahrens ein. „Bei Verfahren gegen Konzerne wie Microsoft geht es immer bis zum BGH“, sagt Dr. Werner. Der Marsch durch die Instanzen kann je nach Komplexität des Falls drei bis sieben Jahre dauern. Allerdings wollen die Firmen wegen der möglichen Konsequenzen in aller Regel keine Grundsatzentscheidung, sondern streben eine möglichst „geräuschlose“ Klärung der Einzelfälle an.
Siehe dazu auch:
Microsoft Konto gesperrt – und der Support stellt sich tot
Wird die Nutzung eines Microsoft-Kontos zum unkalkulierbaren Risiko?
Konto-Sperrfalle OneDrive: Vorsicht vor dem Upload privater Fotos
Konto gesperrt: Nutzer reicht Klage gegen Microsoft ein
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Über den Autor
Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!