Gesucht wird: Eine funktionierende Wachstumsstrategie für die Xbox

Mit dem Game Pass, Cloud-Gaming und massiven Zukäufen sollte Microsofts Gaming-Geschäft weit über die Grenzen der Xbox-Konsolen hinaus wachsen und diese mehr oder weniger zum Nebenschauplatz machen. Zuletzt wird allerdings immer deutlicher: Die Wette geht nicht auf, und eine alternative Strategie, die signifikantes und nachhaltiges Wachstum generiert, ist nicht in Sicht.
Man könnte fast behaupten, es sei ein Wunder, dass die Xbox überhaupt noch existiert. Die schwierigste Phase nach dem misslungenen Start der Xbox One fiel ausgerechnet mit dem Amtseintritt von Satya Nadella zusammen, dem bekanntermaßen alles zuwider ist, was in irgendeiner Form mit Privatkunden zu tun hat. Die Frage nach der Daseinsberechtigung der Plattform musste Phil Spencer ganz sicher mehr als einmal beantworten. Dass es ihm immer wieder gelungen ist, seinem Chef eine positive Zukunftsvision zu verkaufen, kann man gar nicht hoch genug bewerten.
Ich habe es schon öfter gesagt: Wäre es nach wie vor das Geschäftsmodell der Xbox, Konsolen mit Verlust zu verkaufen, um im Gegenzug Gewinne mit dem Verkauf von Spielen und Abos zu erzielen, dann wäre die Sparte längst abgestoßen oder eingestampft worden.
Doch dann kam der Game Pass und die Idee eines „Netflix für Spiele“. Zusammen mit dem Cloud Gaming war der Slogan „jeder Bildschirm wird eine Xbox“ geboren. Microsoft glaubte so fest an diese Vision, dass man Phil Spencer beliebig viel Geld zur Verfügung stellte, um sich durch Zukäufe noch breiter aufzustellen. Die Übernahme von Activision Blizzard für rund 70 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr war der (vorläufige?) Höhepunkt.
Diese Mega-Übernahme erzeugt allerdings immensen Druck. Spencer bzw. die Xbox-Sparte muss jetzt liefern. Aber wie? Der Game Pass hat derzeit rund 34 Millionen Abonnenten, wächst aber seit geraumer Zeit praktisch überhaupt nicht mehr. Den Grund dafür hat Phil Spencer selbst genannt: Innerhalb des eigenen Ökosystems hat man inzwischen so gut wie alle potenziellen Abonnenten erreicht. Mehr Abonnenten kann man nur mit mehr Konsolen generieren, aber das Gegenteil ist der Fall: Die Verkaufszahlen gehen kontinuierlich zurück.
Das Cloud-Gaming ist in der Nische stecken geblieben und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert.
Im zurückliegenden Quartal stiegen Microsofts Gaming-Umsätze um 62 Prozent. Das klingt gut, allerdings kommt dieses Wachstum ausschließlich durch die Addition der Activision-Umsätze zustande, die im letzten Jahr logischerweise noch nicht in Microsofts Kasse flossen.
Mit anderen Worten: Die Xbox tritt auf der Stelle, eine Steigerung der Gewinne ist kurzfristig nur durch Kostenreduktion möglich. Zahlreiche Mitarbeiter von Bethesda bekamen das in der vergangenen Woche schmerzhaft zu spüren.
Es gibt Gerüchte, wonach die aktuelle Kürzungsrunde alles andere als eine gemeinsame Entscheidung des Top-Managements war. Den Spekulationen, Satya Nadella und seine Finanzchefin Amy Hood hätten gar über Phil Spencer hinweg entschieden, welche Studios geschlossen werden, mag ich mich jedoch nicht anschließen. Das käme einer Demontage gleich und dann könnte man ihn ebenso gut auch gleich vor die Tür setzen.
Wenn allerdings Matt Booty, Chef der Xbox Game Studios, gegenüber der Belegschaft die Wichtigkeit von Spielen wie Hi-Fi Rush hervorhebt, und das genau einen Tag, nachdem dessen Entwickler Tango Gameworks dichtgemacht wurde, dann kann man davon ausgehen, dass der eigentliche Adressat dieser Aussage nicht die Leute unter, sondern jene über ihm sind.
Man kann die aktuellen Schließungen möglicherweise als Indiz dafür deuten, dass man sich künftig mehr auf die „dicken“ Games konzentrieren möchte, die dementsprechend mehr Geld bringen. Es liegt auf der Hand, dass diese Spiele dann in zunehmendem Maße auch auf anderen Plattformen veröffentlicht werden. Das schwächelnde Konsolengeschäft mit neuen Exklusiv-Games beleben zu wollen, erscheint mir zu riskant.
Mehr Konsolen und mehr Spiele helfen ohnehin nur bedingt, in erster Linie muss man sich bei Xbox überlegen, wie man mit dem bestehenden Angebot mehr Menschen erreicht, und zwar viel mehr Menschen als derzeit. Der Game Pass und das Cloud-Gaming fallen als Hoffnungsträger vorerst aus. Den Hebel, an dem Microsoft stattdessen ziehen könnte, sehe ich nicht.
Noch wird niemand bei Microsoft die Xbox-Sparte grundsätzlich infrage stellen. Phil Spencers Überzeugungskünste könnten dennoch bald gefragt sein wie selten zuvor.
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Über den Autor

Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!