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KI-Marketing: Lasst bitte die Ethik aus dem Spiel

KI-Marketing: Lasst bitte die Ethik aus dem Spiel

Künstliche Intelligenz, kurz KI oder auch AI, wenn aus dem Englischen kommend (Artifical Intelligence), ist seit gut zwei Jahren in aller Munde. Kaum ein neues Produkt aus der Technikbranche, das nicht mit irgendwelchen KI-Fähigkeiten beworben wird. Das ist natürlich in erster Linie ein riesiger Marketing-Stunt, in den wenigsten Fällen steckt bislang dahinter etwas, was die Bezeichnung KI auch tatsächlich verdient hätte.

Man fühlt sich da einmal mehr an den Vergleich mit Teenager-Sex erinnert:  Jeder spricht darüber, niemand weiß, wie es richtig geht, jeder denkt, alle anderen tun es, darum behauptet jeder, er tue es selber auch. Ich habe damit kein Problem, auch nicht mit dem ganzen Marketing-Gedöns. Jede Branche braucht in regelmäßigen Abständen eine frische Buzzword-Sau, auf der sie durch’s Dorf reiten kann. Bis hierhin ist noch alles in Ordnung – ich wüsste nebenbei bemerkt dennoch gerne, welcher Amateur bei Microsoft für die AI-Spots verantwortlich zeichnet, die im Fernsehen laufen und bei denen mindestens 90 Prozent aller Zuschauer nicht den geringsten Schimmer haben, worum es geht.

Ein Begriff, den ich in letzter Zeit immer öfter im Zusammenhang mit KI höre, ist Ethik. Und das stößt mir zunehmend sauer auf. Man hört so schlaue Formulierungen wie jene, dass man in Zukunft nicht nur darüber diskutieren müsse, was ein Computer tun kann, sondern auch, was ein Computer tun sollte. Damit spricht man Bedenken, Vorbehalte und echte Ängste an, die Menschen im Bezug auf KI haben.

Diese Ängste zu erzeugen, ist leicht. Besucht beispielsweise die Seite https://thispersondoesnotexist.com/ und seht dort Fotos von Menschen, die keine sind – eine KI baut aus einer großen Bild-Datenbank willkürlich neue Gesichter, die wie die von echten Menschen aussehen. In Zukunft wird der Grundsatz gelten: Wenn dir ein Mensch nicht aus Fleisch und Blut gegenüber steht, ist seine Echtheit grundsätzlich anzuzweifeln.

“Gruselige Technik” ist aber nur das Eine, wir hören beispielsweise auch, dass durch KI in Zukunft ganz viele Jobs überflüssig werden. Und auch wenn das im Grunde völlig normal ist, weil der technische Fortschritt schon immer ganze Berufszweige ausgelöscht hat (gleichzeitig aber auch Unmengen neuer Jobs ermöglich) – der Gedanke löst verständlicherweise erst mal Unbehagen aus.

Es gibt noch ganz viele andere Beispiele, die an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden, in Summe bleibt festzustellen, dass es viele Vorbehalte gegenüber KI gibt – ob sie rational begründbar sind oder nicht, spielt keine Rolle. Um diese Vorbehalte auszuräumen, hatte irgend jemand die schlaue Idee, über Ethik zu sprechen.

Man müsse verantwortungsvoll mit KI-Technologie umgehen, Grenzen festlegen, kritisch überprüfen, wie weit Technologie gehen darf. Das klingt alles wunderbar, ist aber Unsinn, und zwar in jeder Hinsicht. Sind beispielsweise Kampfroboter unethisch? Natürlich nicht, denn wir setzen sie ja nur gegen die Bösen ein. Das war jetzt ein Negativ-Beispiel, es geht aber auch umgekehrt: Sollte man aus ethischen Gründen auf eine KI verzichten, die dem Menschen überlegen ist und die in der Lage wäre, ein Problem zu lösen, das der Mensch nicht lösen kann? Natürlich nicht – finde ich zumindest. Und ganz grundsätzlich: Wer will denn ethische Grenzen definieren, wer will ihre Einhaltung überwachen und einschreiten, wenn sie von Firmen oder Regierungen überschritten werden?

KI wird uns atemberaubende neue Möglichkeiten eröffnen, sie wird aber in anderen Bereichen das Tor zur Hölle aufstoßen – und wir werden das Eine nicht ohne das Andere bekommen. Aber auch das ist eigentlich nichts Neues. Nur bitte, lasst mir die Ethik aus dem Spiel.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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