Microsoft Edge und der vermeintlich erzwungene Firefox-Import
Microsoft und fiese Tricks im Browserkampf – ein gern genommenes Reizthema. Aktuell haben wir wieder so einen Fall: Angeblich soll der neue Microsoft Edge bei der Ersteinrichtung ungefragt Daten von Firefox importieren und sogar die Einstellung für den Standardbrowser ändern. Ich nehme es mal vorweg: So sehr ich mich auch anstrenge, ich kann hier keinen “Skandal” finden. Aber der Reihe nach.
Ausgangspunkt der Geschichte ist reddit. Dort beschwert sich ein Nutzer, dass der neue Edge nach der Installation per Windows Update ungefragt den Einrichtungsassistent gestartet und keine Möglichkeit zum Abbruch angeboten hat. Er sah sich “gezwungen”, Edge per Task Manager zu abzuschießen. Anschließend stellte er fest, dass Daten von Firefox importiert wurden und die Einstellung für den Standard-Browser aufgehoben war, er musste ihn beim nächsten Aufruf einer URL erst wieder neu auswählen.
Kurzer Abschweif: Solche Einrichtungs-Assistenten wie beim neuen Edge sind für mich in der Tat eine echte Pest. Danke, dass sie unsere Software installiert haben. Sie möchten damit arbeiten? Halt, nicht so schnell, erst halten wir sie noch ein wenig auf. Gerne unterbrechen wir auch in Zukunft ihren Arbeitsfluss, in dem wir ihnen ungefragt Hinweise auf Features einblenden, auf die wir besonders stolz sind. Nicht zu vergessen unsere tollen Tipps per Mouseover-Effekt, sodass sie nicht mehr sehen, wo sie eigentlich gerade sind. Argh, ich hasse es, und sicher wisst ihr, wovon ich spreche.
Edge reiht sich da einfach nur nahtlos ein, und ich tröste mich damit, dass ich denke: Vielleicht gibt es ja wirklich viele unbedarfte Nutzer, die es tatsächlich als Hilfe wahrnehmen, wenn man sie ein wenig an die Hand nimmt.
Was dem Nutzer auf reddit passiert ist, würde ich als nicht perfekt umgesetzte Performance-Optimierung bezeichnen. Es ist absolut üblich, dass Programme versuchen zu erraten, was als Nächstes passiert, und schon mal mit der Ausführung beginnen. Klickt der Nutzer auf den Button, wird nur bestätigt, was ohnehin schon passiert ist, und der Nutzer freut sich, weil es so schnell geht. Führt der Nutzer die erwartete Aktion nicht aus, wird das vorbereitete Ergebnis eben wieder verworfen. Sogar Prozessoren arbeiten so. Sie bereiten vereinfacht gesagt einfach schon mal alles vor, was gebraucht werden könnte, und werfen alles nicht Benötigte wieder weg. Die wohlbekannte Spectre-Sicherheitslücke setzte genau an diesem Punkt an.
Durch den “Abschuss” des Prozesses via Task Manager hat der wütende reddit-User einen Zustand herbeigeführt, der nicht vorgesehen ist. Wir können gerne diskutieren, ob das unsauber programmiert ist, nur eines ist das sicher nicht: Ein fieser Trick mit dem Ziel, dem Nutzer einen anderen Browser unterzuschieben.
Die anderen beschriebenen Effekte, nämlich das Ablegen von Edge auf dem Desktop und in der Taskleiste, sind Aktionen, die von Microsoft offiziell dokumentiert sind. Wenn das jemand für aufdringlich hält, dann ist es sein gutes Recht. Da darf ruhig jeder seine Meinung haben.
Das Microsoft von vor 10 oder 15 Jahren hätte wahrscheinlich ungefragt Daten kopiert, den Standardbrowser geändert und im letzten Schritt des Assistenten eine standardmäßig aktivierte, leicht zu übersehende Option eingebaut, dass alle anderen Browser deinstalliert werden sollen.
Diese Zeiten sind allerdings vorbei, den Standardbrowser ändert der neue Edge nämlich nicht. Insofern ist die Warnung am Ende des Beitrags “eure Eltern und Großeltern nutzen jetzt vielleicht Edge” fehl am Platz. Die wissen nämlich nicht, was ein Task Manager ist. Die klicken sich (möglicherweise genervt) durch den Assistenten, vielleicht importieren sie auch unbedacht Daten aus Firefox oder Chrome – aber anschließend nutzen sie eben doch ihren vorherigen Browser weiter.
Thema:
- Microsoft Edge
Über den Autor
Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!