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Microsoft ist jetzt die Copilot-Company

Microsoft ist jetzt die Copilot-Company

Hätte man zur Keynote der am Mittwochabend gestarteten Ignite-Konferenz ein Trinkspiel mit dem Stichwort “Copilot” ausgerufen, man hätte keine 20 Minuten überlebt. Microsoft ist jetzt die “Copilot-Company”.

Das ist nicht etwa ein Spitzname, den sich Beobachter angesichts dieses bis zum Äußersten strapazierten Begriffs ausgedacht haben, sondern Microsofts CEO Satya Nadella höchstpersönlich hat dem von ihm angeführten Konzern diesen (somit offiziellen) Beinamen verpasst.

Den Microsoft 365 Copilot und den Windows Copilot kannten wir schon, der Bing Chat möchte ab sofort ebenfalls Copilot genannt werden. Gestern hörten wir noch Copilot for Sales, Copilot for Service, Security Copilot, außerdem lernten wir das Copilot Studio kennen. Eine Low Code Lösung, mit der sich in Zukunft jeder seinen eigenen KI-Chatbot bauen kann, der unterschiedlichste Datenquellen anzapft.

Wie immer, wenn es den Pyrotechnikern solcher Wortfeuerwerke am Ende selbst die Sinne vernebelt, verstieg sich Satya Nadella noch zu der Aussage, dass in ein paar Jahren jeder einen Copilot für alles haben werde.

Schwamm drüber, das gehört wohl einfach zur Show. Es ist dennoch atemberaubend, mit welcher Geschwindigkeit und Intensität das Thema Künstliche Intelligenz in so kurzer Zeit von Microsoft vorangetrieben wird. Es dürfte inzwischen auch der Letzte verstanden haben, dass Microsoft aktuell dabei ist, sich zum zweiten Mal innerhalb von zehn Jahren vollständig neu zu definieren. Mit der Amtsübernahme von Nadella erfolgte der Umbau von der Windows- zur Cloud-Company, jetzt will man die “Copilot-Company” werden und formuliert damit einen branchenweiten Führungsanspruch.

Dabei ist es gerade mal knapp neun Monate her, als Microsoft mit dem “neuen Bing” diese Offensive eingeläutet hat, allerdings konnte man da noch nicht ahnen, was folgen wird. Da gab es dieses noch recht neue Ding mit dem Namen ChatGPT und Microsoft baute es in seine Suchmaschine Bing ein. Eine Spielwiese, auf der nicht viel kaputtgehen konnte.

Zwar zeigte man eine breite Brust und wollte Google zum Tanz bitten, es sah aber dennoch eher nach einer Einzeloffensive aus. Inzwischen ist klar, dass wirklich jedes Microsoft-Produkt auf den Prüfstand gestellt wird. Alles, was sich nicht eignet, durch den Einsatz von KI weiterentwickelt zu werden, wird in absehbarer Zeit seine Existenzberechtigung unter Beweis stellen müssen, wie das auch beim Umbau zum Cloud-Konzern der Fall war.

Bei Bing war das Risiko überschaubar und der bislang ausgebliebene Erfolg ist kein Beinbruch, wie ich in meinem Artikel Der erfolgreiche Flop ausgeführt habe. Bei vielen anderen Produkten, die von hunderten Millionen Kunden täglich genutzt werden, muss Microsoft dagegen aufpassen, die Nutzer nicht zu überfordern. Auf der anderen Seite liegt darin auch eine riesige Chance für Microsoft, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Wenn sich etwa der ambitioniert wirkende Preis von 30 Dollar pro Nutzer und Monat für den Microsoft 365 Copilot für Unternehmen als lohnende Investition erweist, weil die Leute entsprechend effizienter werden, klingeln die Kassen in Redmond lauter als je zuvor.

Mit den KI-Copiloten wird außerdem die Vision wahr, die Microsoft einst mit Cortana hatte. Während die digitalen Assistenten von Apple oder Amazon im Status der Spielerei stecken geblieben sind und man immer noch nach einem tragfähigen Geschäftsmodell dafür sucht, hat Microsoft jetzt womöglich eines gefunden.

Als Microsoft-Berichterstatter blicke ich gespannt auf das, was vor uns liegt. Während ich Microsofts Transformation zur Cloud-Company nur als mehr oder weniger gelangweilter Beobachter verfolgte, weil mich ganz viele Themen davon nicht interessierten, betrifft der Umbau zur Copilot-Company auch und vor allem die Produkte, mit denen wir uns hier tagtäglich befassen, allen voran Windows.

Ich kann logischerweise noch nicht wissen, ob ich das alles gut finden werde, was im nächsten Jahr passiert (höchstwahrscheinlich nicht), aber es wird viel zu schreiben geben. Ich freu mich drauf.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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