PC-Industrie: Die Hoffnung auf den KI-Boom, der nicht kommen wird

Die Verkaufszahlen neuer PCs gehen seit etwa zwei Jahren (wieder) kontinuierlich zurück. Zuletzt standen die Zeichen auf Erholung, und für 2024 hofft die Branche auf einen Boom, ausgelöst durch neue Geräte mit integriertem KI-Chip. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllen wird.
Mit dem Beginn der “mobilen Revolution” vor etwa 15 Jahren ging der PC-Markt auf Talfahrt. Immer mehr Leute verzichteten auf einen PC und erledigten Dinge mit ihrem Smartphone oder Tablet, gleichzeitig wurden vorhandene PCs immer länger genutzt.
Dann kam Corona, und der PC schien wie Phönix aus der Asche emporzusteigen. Die Verkaufszahlen erklommen neue Höhen und man ging davon aus, dass dies der Anfang eines neuen PC-Zeitalters sei. Es kam anders, der Markt pendelt sich so langsam wieder auf das Vor-Corona-Niveau ein, es war dann doch nur ein länger anhaltender Einmaleffekt.
Jetzt ist ein neuer Cowboy in der Stadt: Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und neue PCs werden vermehrt mit sogenannten Neural Processing Units (NPU) ausgestattet, die KI-Funktionen lokal ausführen. Das hat nicht nur den Vorteil, dass der Hauptprozessor entlastet wird, sondern ermöglicht den KI-Modellen, aus den Benutzerinformationen zu lernen, ohne diese in der Cloud ablegen zu müssen. NPUs stecken in den neuen Chips von Intel und AMD sowie auch im kürzlich enthüllten Snapdragon X Elite.
Die Hoffnung der PC-Hersteller und auch die von Microsoft ist, dass diese neuen Möglichkeiten den Verkauf von PCs mit integrierten NPUs beflügeln werden und eine neue Ära einläuten.
Ich habe mir in den vergangenen Tagen und Wochen vermehrt die Frage gestellt, warum das passieren sollte. Antworten habe ich bislang keine gefunden.
Ich bin absolut davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz in jede Art von Software einziehen und Funktionen ermöglichen wird, die man sich vor ein paar Jahrzehnten nicht in einen Science-Fiction-Film zu integrieren getraut hätte, weil das sonst zu albern gewesen wäre. Insbesondere die generative KI, die uns beim Schreiben von Texten oder bei der Bildbearbeitung zur Seite springt, hat das absolute Potenzial, eine echte Revolution auszulösen.
Allerdings hatte ich es in meinem Artikel Wenn alles KI ist, ist nichts mehr KI bereits thematisiert: Wenn sich all der Marketing-Staub, welcher derzeit aufgewirbelt wird, erst einmal verzogen hat, dann wird das alles “normal” sein. Es ist am Ende eine natürliche Evolutionsstufe des Computers und kein Grund, warum auf einmal viel mehr Geräte verkauft werden sollten.
Schlimmer noch: Der Sinkflug des PC setzte mit dem Siegeszug der Smartphones und Tablets ein. Mächtige KI-Funktionen wird es auf allen Geräten geben, und wenn wir kurz überlegen, wer davon am stärksten profitiert, dann sind es die mobilen Geräte. Wo man heute vielleicht noch Fotos auf den PC transferiert, um sie entsprechend nachzubearbeiten, erledigt das in Zukunft die KI direkt auf dem Smartphone – einfach so auf Zuruf.
Eventuell wird es den Herstellern gelingen, mit geschicktem Marketing ein paar mehr Geräte zu verkaufen und Kunden vom Upgrade auf einen “KI-PC” zu überzeugen. Vielleicht wird Microsoft versuchen – etwa durch sanfte oder harte Systemvoraussetzungen bei Windows 12 – seinen Teil dazu beizutragen, die Nachfrage nach PCs vorübergehend anzukurbeln.
Auf lange Sicht allerdings werden die Möglichkeiten, die sich durch KI eröffnen, den PC wieder ein wenig überflüssiger machen. Die Branche wird weiterhin ein reines Rückzugsgefecht führen.
Thema:
- Künstliche Intelligenz
Über den Autor

Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 16 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!