Review: Tennis World Tour – wie schlägt sich der inoffizielle Nachfolger zu Top Spin?
Tennis war im Deutschland der 80er Jahre des letzten Jahrtausends die Trendsportart schlechthin. Boris Becker und Steffi Graf waren die deutschen Wimbledon-Sieger und der weiße Sport erlangte eine nie geahnte Popularität. Als mit der Xbox Classic die Tennis-Spiel-Serie Top Spin das Licht der Welt erblickte, war bei der nun “gereiften” Gamer-Generation das Feuer für die gelben Filzbälle sofort wieder entflammt. Top Spin war “DAS” Tennis-Spiel!
Einleitung zu den “Tennis World Tour” Genen
In diesem Jahr erlebt das virtuelle Tennis eine kleine Wiedergeburt. Den Anfang machte AO Tennis, welches meines Erachtens aufgrund der schlechten Steuerung den Beta-Status offensichtlich nie verlassen hat. Alle Hoffnungen der Fans ruhten nun auf “Tennis World Tour”, den quasi “inoffiziellen” Nachfolger der Top Spin-Serie, welches nun veröffentlicht wurde. Also habe ich kurzerhand die Brieftasche gezückt und mir als “alter” Tennis-Fan für knapp 75 Euro die Tennis World Tour Legendary Edition gegönnt.
Das verantwortliche Entwicklerstudio Breakpoint besteht aus einer Vielzahl ehemaliger 2K Games-Mitarbeiter, die schon damals an den Top Spin Spielen mitgearbeitet haben. Somit schien klar: Tennis World Tour hat die besseren Gene. Der erste Blick auf das Menü verstärkt den Eindruck, einen würdigen Top Spin 4 Nachfolger vor sich zu haben.
Das Menü und seine sichtbaren Wurzeln
Das Menü besitzt einen ähnlichen grafischen Stil und Aufbau wie die späteren Top Spin Spiele von 2K Games für die Xbox 360. Das Spiel besitzt einen Karriere-Modus, einen Trainings-Modus, einen Offline-Modus für schnelle Matches, einen noch nicht freigeschalteten Online-Modus sowie einen Spieler-Editor, in dem ihr eure eigene Tennis-Legende kreieren könnt. Und da zeigt sich zugleich die erste Schwäche des Spiels. Der Spieler kann im Editor das Geschlecht, die Körpergröße und die Statur seines Recken bestimmen und diesen zudem einkleiden. Abschließend dem Spieler einen Namen geben und eine Nationalität zuweisen, fertig ist die Laube. Das Gesicht kann tatsächlich nur aus 10 Gesichtsvorlagen gewählt werden. Weitere Anpassungen wie Frisur, Bart-, Haar- und Augenfarbe sind nicht möglich. Ein wirkliches Unding, wie ich finde.
Centre Court…ich komme – oder auch nicht
Da ich von Natur aus bei neuen Spielen ungeduldig bin, habe ich mich entsprechend auf das Game vorbereitet…zum Leidwesen meiner Frau. Die Teufel-Anlage auf Centre Court Atmosphäre kalibriert und das optimalste Bild aus dem LG OLED B7 gekitzelt. Immerhin wirbt Publisher “Bigben Interactive” mit 4K Ultra HD und Xbox One Enhanced Grafikfeatures. Wenn so vollmundig geworben wird, läuft einem das Wasser bereits im Mund zusammen. Also prompt den Offline-Modus ausgewählt und das erste Match verschlägt meinen Spieler nach Dubai auf einen Rasenplatz in sengender Hitze. Nun ja, das Match startet und als erstes fällt die fehlende typische Punkte-Ansage ins Gewicht. Die Punkte werden angesagt, aber nicht so, wie man es aus dem TV oder den Top Spin Spielen gewohnt ist/war.
Das Gameplay – gutes Handling erfordert Übung
Mal eben auf die Schnelle ein paar Asse schlagen, das kann man vergessen. Wenn man wie ich einfach ins kalte Wasser springt, wird man überrascht sein. Die Steuerung ist recht ausgefeilt, so lassen sich über die A,B,X,Y-Tasten die verschiedenen Schläge ausführen und mit dem linken Stick wird beim Schlag die Richtung vorgegeben. Ein wenig Übung, und es lassen sich in der Tat präzise Schläge ausführen. Kleiner Tipp: Der Übungs-Modus sollte in jedem Fall besucht und durchgespielt werden. Der Spielkalender gibt die verschiedenen Matches im Karriere-Modus vor, jedoch können mit bestimmten Trainingsaktivitäten die Leistungswerte eures Spielers verbessert werden, denn ein nettes Feature, was hier eingebaut wurde, ist die Leistungssteigerung sowie der Leistungsverlust.
Die Grafik – isst das Auge mit oder weint es?
Der offizielle Trailer sieht überraschend gut aus und macht als Appetitanreger einen guten Job. Leider ist es im Spiel nicht ganz so. Um es vorweg zu sagen, wer auf der Xbox One X in 4K Ultra HD Highend-mäßige, opulente Grafik erwartet, wird enttäuscht. Das war ich ehrlich gesagt auch. Die Grafik ist eindeutig besser als die des direkten Konkurrenten AO Tennis, jedoch wissen wir dass die Entwickler-Crew mehr drauf hat als das, was einem hier für 75 Euro geboten wird.
Die Bewegungen der Spieler wirken hier und da etwas ungelenk, es mag keine richtige Dynamik im Match aufkommen. Die Spielfiguren besitzen keine “Eigenheiten” wie z.B. “Herumbrüllen” oder “Schläger auf den Boden werfen”, weil sie den Punkt abgegeben mussten. Auch der weltberühmte “Becker Hecht“, der in einem Tennis Game vorhanden sein muss, fehlt völlig.
Fehlende Details und Atmosphäre
Wer sich den obigen “offiziellen Trailer” zu Tennis World Tour angesehen hat, stellt unweigerlich fest, dass sehr viel mit Blur-Effekten gearbeitet wurde, um den Spieler besser aussehen zu lassen. Kleine Tricks sind legitim, doch wirken die Spieler im Spiel selbst wie “aufgesetzt”, als ob sie nicht wirklich den Boden berühren. Was natürlich erklären würde, weshalb der Gummiboden nicht die berühmten Quietschgeräusche macht. Auch der Rasenplatz wirkt unnatürlich und weist weder Abnutzungserscheinungen noch Staubwolken auf. Von den unglaublich schlecht gemachten Wiederholungssequenzen mag ich jetzt gar nicht reden.
Es sind die Kleinigkeiten, die ich hier bemängeln muss, die sich letzten Endes jedoch zu etwas Großem summieren und meines Erachtens die ausgegebenen 75 Euro “leider” nicht einmal ansatzweise wert sind. Leider aus dem Grunde, weil wir wissen, dass die ehemaligen 2K Games-Leute es bei Weitem besser können, wie ihr in den nachfolgenden Videos der Top Spin-Reihe sehen könnt. Ihr könnt die Videos auch überspringen und direkt zum Fazit springen, wenn ihr mögt.
Top Spin (2003) für Xbox Classic – gespielt auf Xbox 360
Top Spin 2 (2006) für Xbox 360
Top Spin 3 (2008) für Xbox 360
Top Spin 4 (2011) für Xbox 360
Mein Fazit zu “Tennis World Tour”:
Breakpoint und Bigben Interactive hatten die Chance, ein sehr gutes und geiles Tennis Game auf die Xbox One Gemeinde loszulassen. Ohne jetzt kalauern zu wollen, aber mein Fazit lautet “außer Genen nix gewesen”. Ich habe nach dem Antesten von Tennis World Tour die Xbox 360 angeworfen und Top Spin 3 gespielt, und ich war begeistert von der Centre Court Atmosphäre, die das 10 Jahre alte Game immer noch perfekt ins Wohnzimmer befördert. Man darf von Glück reden, dass Tennis World Tour nicht als “Top Spin 5” das Licht der Welt erblickt hat, denn das hätte dieser grandiosen Spieleserie noch im Nachhinein geschadet. Das Spiel ist solide Kost und meiner Meinung nach besser als AO Tennis, allerdings sind für mein Empfinden selbst die 59,99 Euro für die “normale” Version überteuert. Wer sich das Spiel zulegen möchte sollte auf ein Angebot warten, für 39,99 wäre es akzeptabel.
Diese Features bietet Tennis World Tour laut offizieller Beschreibung:
- Die grössten Tennis-Stars – Spiele als einer der 30 besten Tennisspieler der Welt: Roger Federer, Angelique Kerber, Stan Wawrinka und viele weitere Legenden dieses Sports.
- Perfekt nachgebildete Bewegung – Realistische Animationen, im Spiel mittels Bewegungserfassung sorgfältig nachgebildet, helfen dir alle im modernen Tennis verwendeten Schläge zu erlernen: Rückwärtsdrall, Lob, Topspin etc.
- Alle PlatzbelägeE – 18 Platzarten: hart, Sand, Gras, Teppich und sogar Hartholz. Jeder Belag beeinflusst die Spielbedingungen.
- Ein kompletter Karrieremodus – Erschaffe deinen eigenen Spieler und erlebe eine Karriere, die einem Profi würdig ist: Training, Turniere, Mitarbeiter-Management, Ausrüstung kaufen etc.
- Eine unerreichte taktische Dimension – Entscheide dich in jedem Match für eine Strategie und nutze deine Skill Cards, um deine Gegner zu besiegen.
Über den Autor
Dirk Ruhl
Microsofts Fliesenwelt ist mein Zuhause, egal ob Windows 10 auf Desktop, Tablet, Phone oder Xbox One...es muss kacheln. Der schönste Urlaubsort für mich wären die Microsoft Research Labs. Ich danke meiner Familie und meinem Arbeitgeber, ohne deren Unterstützung könnte ich mein Hobby nicht leben!
