Stürmische Zeiten: Erleidet die Xbox Schiffbruch? Wir kommentieren die Lage
Entlassungswellen, Studioschließungen, saftige Preiserhöhungen – die Xbox und das umgebende Ökosystem haben aufregende und umwälzende Monate hinter sich. Was das Team um Phil Spencer wohl nicht zuletzt auf Druck von Finanzchefin Amy Hood umsetzen musste, stößt vielen Xbox-Fans mittlerweile sauer auf. Ob Produkte wie das Xbox Ally Handheld die Kundschaft befrieden können, bleibt abzuwarten. Ein kritischer Blick aus mehreren Winkeln von Kevin und Martin…
Nicht ins Boxhorn jagen lassen (Kevin)
Unter Windows zocke ich schon eine halbe Ewigkeit, aber verglichen damit bin ich im Xbox-Ökosystem noch ein Frischling, kam die Xbox Series S doch erst im April 2024 hier an. Ich mache keinen Hehl daraus, dass Forza für mich als bekennenden Rennspiel-Fan, wo ich Forza Horizon 4 bis heute rauf und runter zocke, ein zentraler Grund für den Game Pass war, zumal mein PC, den ich bis dato hatte, hierfür keine ausreichenden Leistungsreserven hatte. Aber auch andere Franchises von Microsoft, darunter Overwatch 2, Super Lucky’s Tail, Minecraft oder das Bethesda-Ensemble, sind Gründe. Wenn Ende Februar 2026 der Game Pass Ultimate bei mir zur Verlängerung ansteht, steht aber eine schwierige Entscheidung an.
Lasst uns Eines vorweg festhalten: Microsoft braucht die Xbox im klassischen Sinne nicht. Sie braucht sie nicht für Entwickler, wo Produkte wie PlayFab ohnehin beim Azure-Team von Scott Guthrie beheimatet sind und dann in anderen Teams ausstrahlen. Sie brauchen keine Handhelds, weil OEMs wie ASUS oder Lenovo diesen Job schon erledigen und man hier ein ähnliches Modell wie bei Surface fahren kann. Sie brauchen auch die Konsolen nicht, weil sie den Kampf mit Sony und Nintendo nicht mehr gewinnen können und mit Windows und der Cloud im Zusammenspiel, wo die aktuelle Generation ohnehin nur ein kleinerer PC am TV-Gerät ist, sowieso die besseren Plattformen haben. Was sie aber brauchen, ist eine neue Rechtfertigung dafür, warum Xbox als Marke, die sich ausschließlich an Consumer richtet und bei Microsoft die letzte ihrer Art ist, überhaupt noch bleiben sollte.
Profit ist eine zentrale Säule, wo das Team um Phil Spencer besser werden muss, aber der Königsweg ins Herz von Satya Nadella führt heute auch über die Künstliche Intelligenz und wie Copilot hier integriert werden kann. Ob der Gaming Copilot bereits der richtige Schlüssel wäre, sei dahingestellt, aber ohne die zündende Idee wird es auch mit dem bestmöglichen Profit schwer, Nadella und Hood zu begeistern. Alleine mit Mojang, Activision Blizzard und Bethesda hat Spencer rund 80 Milliarden USD ausgegeben, hinzu kommen mittlerweile eingestellte Projekte wie Mixer oder die regulären Entwicklungskosten bestehender Games. Wo große Ankündigungen wie der mobile Xbox Store geblieben sind? Bis heute ein Fragezeichen…
Dass der Game Pass tatsächlich noch der beste Deal in der Gaming-Industrie ist, darf zumindest bezweifelt werden. Die Frage ist nicht, ob es weitere Preiserhöhungen geben wird, sondern wann diese kommen. Der Mehrwert bei den zusätzlichen Abos ist schwer zu beziffern, denn Fortnite spielt nicht jeder, Ubisoft ist selbst in schwierigem Fahrwasser mit zuletzt auch technischen Problemen in seinem Client und EA ist nach seiner Übernahme für 55 Milliarden USD im Umbruch, wo erst die kommenden Jahre zeigen werden, wo wir bei ihnen stehen und welche Franchises noch überleben. Hinzu kommen Einschränkungen bei den Rewards und die Frage, ob Microsoft für mehr Profit auch vor Mechanismen wie stärkeren Mikrotransaktionen, deutlich mehr Werbung oder ähnlichem noch zurückschrecken wird. Und nun?
Ich werde meine Xbox Series S nicht aufgeben und sie auch weiter brav aktualisieren. Allerdings ist die wahrscheinlichste Variante momentan, dass ich von Game Pass Ultimate auf Game Pass Essential reduzieren werde. Keine Frage, ich freue mich tierisch auf Forza Horizon 6, aber ich nutze Cloud Gaming sehr selten, der Konsolen-Multiplayer ist im kleinsten Tarif dabei und auf einzelne Titel, die mir wichtig sind, darunter auch The Outer Worlds, kann ich auch einfach sparen. Ohnehin befinden sich die für mich wirklich interessanten Rennspiele wie RIDE, Assetto Corsa und Co. außerhalb des Game Pass. Dass Microsoft seinen Store praktisch für jedermann öffnen würde und auch Steam, wo ich ebenso eine große Sammlung habe, schon gezeigt wurde, macht diese Idee nur noch reizvoller.
Dass Microsoft Gaming überleben wird, daran zweifle ich nicht. Daran wird vor allem Windows seinen großen Anteil haben. Dass die Xbox in ihrer bisherigen Form noch eine Zukunft hat, dürfte aber nahezu ausgeschlossen sein. Vielleicht wird sie wie Surface ein ausgehöhltes Hero-Device ohne echte Seele, vielleicht wird sie komplett von OEMs, Cloud und Windows absorbiert. Dass die Xbox Series S jedenfalls nochmal einen Nachfolger direkt aus dem hiesigen Ökosystem bekommt, diese Tendenz geht bei mir gegen Null.
Windows Phone, bist Du es? (von Martin)
Ich bin in vielen Punkten bei Kevin, daher fasse ich mich ein wenig kürzer. Allerdings verspüre ich beim Thema Xbox mittlerweile starke Windows-Phone-Vibes.
Erinnerungen werden wach
Wir wissen, wie Satya Nadella reagiert, wenn in einem Bereich nur noch Geld verbrannt wird, ohne Aussicht auf schnelle Besserung. Es interessiert dann auch nicht, wie hoch die vorherigen Investitionen waren.
Ich halte daher das Undenkbare für denkbar, nämlich dass Microsoft den ganzen Laden einfach dichtmacht oder für wenig Geld nach dem Motto „Hauptsache wir sind es los“ abstößt. Sollte das passieren, wird das auch zur Schicksalsfrage für Nadella. Die Aktionäre wollen Köpfe rollen sehen, sollten sich die fast dreistelligen Milliarden-Investitionen in Luft auflösen. Phil Spencer als Bauernopfer könnte ihnen dann zu wenig sein.
Zur Xbox next
Dass die Gerüchte um eine Streichung der nächsten Xbox-Generation umgehend dementiert wurden, hat praktisch keine Relevanz. Selbstverständlich bekennt sich das Xbox-Team zur Xbox. Die endgültige Entscheidung wird aber ganz oben getroffen.
Ich bin nicht erst seit den Turbulenzen der vergangenen Tage der Überzeugung, dass die Xbox als „Microsoft-Konsole“ tot ist. Die nächste Xbox wird ein PC, und den wird Microsoft nicht selbst bauen. Das ist die Variante, die ich derzeit für die wahrscheinlichste halte.
Zur Preiserhöhung beim Game Pass
Der Game Pass Ultimate wird um 50 Prozent teurer, kostet künftig 30 Euro im Monat. Microsoft kann unmöglich davon ausgegangen sein, dass diese Preiserhöhung nicht zu einer Massenflucht führt. Ich kenne das Abrechnungsmodell nicht, nach dem Microsoft seine externen Partner für Spiele im Game Pass bezahlt. Ich halte es aber sogar für möglich, dass ein Rückgang der Abonnentenzahl nicht nur weniger Einnahmen, sondern auch weniger Kosten bedeutet. Möglicherweise war die Kündigungswelle am Ende sogar gewollt.
Zum bisherigen Preis war der Game Pass Ultimate ein Angebot der Marke „zu schön, um wahr zu sein“. Der neue Preis ist für das Gebotene immer noch mehr als angemessen. Die Frage ist nur: Wer hat so viel Zeit, um das auszureizen?
Fazit
Es gibt für Besitzer einer Xbox-Konsole keinen Anlass, panisch zu verkaufen und sich eine PlayStation zuzulegen. Ebenso gibt es aber auch keinen Grund, sich jetzt noch eine Xbox-Konsole zu kaufen. Zu ungewiss ist, wohin sich das Ökosystem entwickelt. Nicht mal Microsoft selbst weiß das, denn der Kostendruck ist in ohnehin schwierigen Zeiten für die Gaming-Branche immens. Für strategische Experimente ist kein Spielraum mehr.
Über den Autor

Kevin Kozuszek
Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und für Entwickler zu berichten hat. Regelmäßige Beiträge aus meinem digitalen Alltag sind auch dabei.


