Surface Studio: Rückblick nach einem Jahr Agenturalltag
Das Surface Studio ist nun schon eine ganze Weile auf dem Markt, inzwischen ist sogar bereits die zweite Generation offiziell angekündigt worden. Einen Testbericht dazu gab es bisher auf Dr. Windows nicht, weil es bei uns im Team niemanden gab, der das Gerät gemäß seiner „Bestimmung“ nutzen konnte. Folglich fehlte uns auch die Möglichkeit der Einschätzung, wie gut das Surface Studio den Nerv seiner primären Zielgruppe trifft.
Nun können wir das nachholen. Stephan Romhart gehört zu jener Zielgruppe der „Kreativen“, die Microsoft mit dem Surface Studio erreichen möchte. Er hat das Gerät seit über einem Jahr im Einsatz und möchte an dieser Stelle seine Erfahrungen mit uns teilen:
Am 22. Juni 2017 ist das Surface Studio (i7, 32GB Ram, 2TB HDD) bei uns in der Agentur eingetroffen und dient nun seitdem als mein Arbeitsplatz-Rechner. Davor habe ich drei Jahre ausschließlich mit einem Surface Pro 3 und Surface Pro 4 gearbeitet. Mein Agenturalltag besteht aus Beratung (Strategie und Konzeption), Design (gestalterische Umsetzung) und Produktion (technische Umsetzung). Wir arbeiten in erster Linie mit Microsofts Office-Produkten und Adobes Creative Cloud. Für Programmier-Arbeiten sind Notepad++ und Visual Studio Code im Einsatz.
Workflow 2.0
Adobes Creative Cloud lässt sich parallel nur auf zwei Rechnern betreiben. Kommt ein Dritter dazu, muss die Lizenz einer der beiden anderen PCs deaktiviert werden. Bislang habe ich die zwei Lizenzen für mein Surface Pro und meinen Desktop-Rechner zuhause verwendet. Der Vorteil des Surface Pro, Arbeitsrechner und Präsentationsgerät in Einem kombiniert zu haben, ist mit dem Studio nun dahin. Mein aktueller Workflow ist nun, dass Präsentationen mit einem Surface Laptop geführt werden, auf dem keine Creative Cloud läuft. Das Laptop ist ein reiner PDF- und Office-Rechner geworden. Alle anderen Arbeiten im Büro werden auf dem Surface Studio und zuhause auf dem Desktop-Rechner ausgeführt.
Installation
Wie beim Surface Pro war die Einbindung des Studios in unsere Domäne eine Sache von Minuten. Auch der Netzwerkdrucker war sofort installiert. Update-Zustand des Betriebssystems schätze ich auf „drittes Quartal 2016“; ich musste also noch circa eine Stunde Windows-Updates installieren.
Tägliches Arbeiten
Grundsätzlich habe ich dieses Jahr keinen Auftrag gehabt, den das Studio nicht handlen konnte. Egal ob es große Photoshop-Retuschen, detaillierte 3D-Meshes oder 480-Seiter in InDesign waren: alles lief geschmeidig und angenehm rund.
Meine täglichen Arbeiten umfassen:
- Website-Layout-Erstellung und Foto-Retuschen in Adobe Photoshop
- HTML-Template- und CSS-Erstellung in Notepad++
- PHP-Programmierung in Notepad++
- Entwurf, Satz, Layout und Reinzeichnung in Adobe InDesign
- Illustration in Adobe Illustrator
- Modeling, Texturing und Rendering in Cinema 4D
- Konzeption und Dokumentation in Office 365
Neben der Performance-Verbesserung (besserer Prozessor, mehr Ram) hat mir das Haupt-Feature des Surface Studio, nämlich das bis auf einen 20-Grad-Winkel senkbare Touch-Display, den größten Vorteil bei der Arbeit verschafft. Zuvor haben wir Illustrations- und Zeichen-Arbeiten auf den, im Vergleich zum Studio-Display, kleinen Surface Pros mit den Surface Pens gemacht. Der nahtlose Übergang zwischen Zeichnen (Studio-Display liegt) und Überprüfen (Studio-Display steht) ist ein organischer Prozess.
Zum Vergleich: Wer einmal mit einem Wacom-Tablet gearbeitet hat, versteht den Unterschied zwischen „Ich zeichne auf einem Pad und schaue auf den Bildschirm (Wacom)“ und „Ich zeichne direkt auf der Zeichenfläche (Studio)“. Das ist für mich der wesentliche Vorteil des Studio: Es fühlt sich einfach direkter an.
Wacom hat mit dem Cintiq 27QHD Touch ein vergleichbares Gerät im Portfolio. Das Studio hat jedoch eine höhere Auflösung (Studio: 4.500×3.000 vs. Cintiq: 2.560×1.440) und ist etwas größer (Studio: 28“ vs. Cintiq: 27“). Die Tatsache, dass das Cintiq kein All-in-One-Gerät ist, sondern noch einen zusätzlichen PC benötigt, macht es für mich aktuell uninteressant.
Viele „Reviewer“ haben die Ungenauigkeit des Surface Pen bemängelt. Ich habe bislang keine Probleme mit dem Eingabestift, lediglich die Handballen-Erkennung spinnt in Adobe Illustrator ab und zu, sodass neue Zeichnungspunkte durch den Handballen gesetzt werden.
Ein Satz zum Surface Dial: Verpasste Chance. Leider. Und es liegt einmal nicht an Microsoft. Adobes Integration des Drehrad-Eingabegeräts in ihre Kreativ-Software ist ein schlechter Witz. Aktuell ist mit dem Dial in der Creative Cloud kein intuitives Arbeiten möglich.
Vorteile des Surface Studio
- Das Studio ist ein vollwertiger PC.
- Es bietet genug Performance für alle Bereiche meiner täglichen Arbeit.
- Mit dem Studio ist ein natürliches Zeichnen möglich.
- Der Stylus wurde in den letzten beiden Jahren deutlich optimiert und ist nun gut.
- Die Verarbeitung der Hardware würde ich als „Appleesk“ bezeichnen.
Nachteile des Surface Studio
- Ein leises Lüftergeräusch ist definitiv zu hören. (Wenn man etwas dezente Musik während der Arbeit hört, ist der Lüfter nicht mehr wahrnehmbar).
- Im Studio ist eine HDD verbaut, das ist 2018 technologisch nicht mehr tragbar. Mit dem Surface Studio 2 hat dieser Bullshit ein Ende, da nur noch SSDs verbaut werden.
- Der Rechner ist nicht aufrüstbar.
Neutrale Punkte zum Studio
Das Surface Studio hat kein USB Type-C. Habe ich bisher nicht gebraucht. Könnte längerfristig zu einem Problem werden, beim Surface Studio 2 ist dieser Port ja nun aber vorhanden.
Fazit
Microsoft hat mit dem Studio den Kreativen ein Werkzeug in die Hand gegeben, das seinesgleichen sucht. Während man in Cupertino die Gestalter gelassen aufgrund der guten Consumer-Auftragslage ignoriert, wurde hier ein Maßstab gesetzt. Es ist einer der seltenen Fälle, bei denen ich Microsofts übliches Marketing-Blabla beim Wort nehmen kann: „Die perfekte Arbeitsumgebung, nur von Microsoft.“
Fotografien: Thomas König · Stuttgart