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Trump ordnet Verbot von TikTok an – Anbieter will dagegen klagen

Trump ordnet Verbot von TikTok an - Anbieter will dagegen klagen

Es ist nur wenige Tage her, da hätte ich eine kleine Summe darauf gewettet, niemals auf DrWindows über TikTok zu schreiben. Welchen Grund hätte es dafür schon geben sollen? Wieder einmal zeigt sich, dass man nie nie sagen sollte, denn jetzt überschlagen sich die Ereignisse regelrecht.

Ende letzter Woche wurde bekannt, dass Microsoft an einer Teilübernahme von TikTok interessiert sei, zwischenzeitlich kam sogar das Gerücht auf, man wolle das soziale Netzwerk komplett übernehmen (also den Teil, der außerhalb von China liegt).

Es ist ungewöhnlich, dass bei Deals dieser Größenordnung über ungelegte Eier gegackert wird, und noch ungewöhnlicher ist, dass Microsofts Blogpost vom letzten Wochenende im Grunde keine Information für die Öffentlichkeit war, sondern so etwas wie ein offener Brief an Donald Trump mit dem klaren Ziel, dem Präsidenten nach dem Mund zu reden und sich bei ihm einzuschmeicheln.

Ich versuche seither, mir eine „schöne Version“ der Geschichte auszumalen, aber es will mir nicht gelingen. Mein derzeitiger Eindruck ist der, dass es Microsoft durchaus gelegen kam, als Donald Trump mit einem Verbot von TikTok in den USA drohte. Das könnte sich kaufpreismindernd auswirken, vielleicht hat es das Interesse der Redmonder ja erst so richtig beflügelt. Die ganz böse Spekulation wäre, dass Trump und Microsoft gemeinsame Sache machen. Trump schwingt die Keule, Microsoft kommt als Retter in der Not.

Letzte Nacht hat der US-Präsident seine Drohung nun in die Tat umgesetzt und per Executive Order das Verbot von TikTok binnen 45 Tagen angeordnet, weil das Netzwerk wegen der behaupteten Nähe zur chinesischen Regierung eine nationale Bedrohung sei (Beweise dafür gibt es bislang aber nicht).

ByteDance, Hersteller von TikTok, hat einerseits scharf, andererseits aber sehr besonnen reagiert. In einer Stellungnahme zeigt man sich geschockt von dem angedrohten Verbot und kritisiert, dass alle Angebote zur Zusammenarbeit mit den amerikanischen Sicherheitsbehörden bislang unbeantwortet blieben. Seit einem Jahr zeige sich die US-Regierung nicht an Fakten interessiert, sondern bleibe stur bei ihren unbewiesenen Unterstellungen.

Die Executive Order beruhe auf Annahmen und Befürchtungen und sei in keiner Weise von den geltenden Gesetzen gedeckt. Mit ihrer Vorgehensweise zerstöre die US-Regierung das Vertrauen der internationalen Wirtschaft in die USA, heißt es weiter. Man werde nun alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nutzen, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und für eine faire Behandlung der Nutzer zu kämpfen. Wenn der Präsident nicht einlenkt, was er ganz sicher nicht tun wird, dann will ByteDance vor einem US-Gericht gegen das Verbot klagen.

Was das für die Übernahmegespräche mit Microsoft bedeutet, muss man abwarten. TikTok schreibt in seiner Stellunnahme „wir waren sogar bereit, das US-Geschäft an ein amerikanisches Unternehmen zu verkaufen“ – so, als ob das jetzt nicht mehr gilt. Es ist ein politischer Poker, und egal welche Rolle Microsoft hier spielt, es gefällt mir nicht, dass sie überhaupt im Spiel sind. Ein Imagegewinn wird diese Geschichte unabhängig von ihrem Ausgang für Microsoft ganz sicher nicht sein.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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