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Universal Windows Platform: Ein tot gerittenes Pferd?

Universal Windows Platform: Ein tot gerittenes Pferd?

Windows 10 ist schon seit seinem Start im Juli 2015 ein Betriebssystem, was in vielen Punkten grundsätzlich anders sein sollte wie seine Vorgänger. Noch bevor Apple bei macOS seinen eigenen Sprachassistenten Siri fest integrierte, verankerte Microsoft mit Cortana seinen eigenen fest im System und kombinierte ihn sogleich mit anderen Projekte wie mit dem zu dem Zeitpunkt neuen Browser Microsoft Edge. Von noch größerer Bedeutung war aber damals die Vorstellung der Universal Windows Platform und den damit verbundenen Universal Apps. Was zum damaligen Zeitpunkt noch viele Windows-Fans begeistern konnte und zumindest direkt nach dem Start von Windows 10 Mobile auch noch für viel Furore gut war, hat sich aber mittlerweile zu etwas entwickelt, wo man den Sinn dahinter sehr in Frage stellen kann.

Microsoft hat dabei durchaus auch selber sehr viel dafür getan, dass dem mittlerweile so ist. Es geht dabei gar nicht mal darum, dass Windows 10 Mobile nahezu tot ist und der “Nachfolger” Windows 10 on ARM nach eigener Aussage rein gar nichts mit Smartphones zu tun haben wird. Vielmehr arbeitet Microsoft schon sehr lange selber darauf hin. Die eigenen Webdienste entwickeln sich gerade im Enterprise-Bereich sehr rasant, dazu werden Progressive Web Apps durch den PWA Builder sehr stark gefördert und durch Projekte wie der Xamarin-Plattform oder dem Project Rome SDK verleiht man dem ganzen weiteren Schub. Dass Microsoft Edge mit der nächsten Version auch Webtechnologien wie WebAssembly zumindest experimentell unterstützen wird, rundet das Ganze ab.

Die Sache mit den Universal Apps

Jüngst wurde dann auch deutlich, dass auch die ursprünglichen Universal Apps in ihrer heutigen Form auf absehbare Zeit an Bedeutung verlieren werden. Während Spotify auf dem Desktop seine klassische Anwendung über Project Centennial in den Windows Store gebracht hat, wird es für die Xbox One eine eigene Variante geben. Von einer Universal App fehlt jede Spur. Dem geneigten Windows-Fan mag das sauer aufstoßen, aus ökonomischer Sicht ist das jedoch nur allzu konsequent. Neben dem Desktop ist die Xbox One (S/X) die einzige Plattform, wo Windows 10 für den Consumer auf breiter Front eine tragende Rolle spielt, und auf dem Desktop macht eine klassische Anwendung, die über die Bridge in den Windows Store gebracht wird, alleine schon aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit deutlich mehr Sinn und dürfte vom traditionell skeptischen Endnutzer, der schon unter Windows 8 und 8.1 mit den Modern UI-Apps nicht viel anfangen konnte, ohnehin viel eher angenommen werden.

Eine weitere Trumpfkarte, die mittlerweile auch zunehmend ins Wanken gerät, ist das Thema Sicherheit. Betrachtet man das Ganze pragmatisch, ist das neue .appx-Format, was seit Windows 10 neben .exe und .msi existiert, erstmal sehr praktisch, bleibt bei einer möglichen Deinstallation kein unnötiger Müll mehr zurück. Kurz nach dem Release von Windows 10 S, welches bekanntlich nur Apps aus dem Store ausführen kann, tauchten aber sehr bald Berichte auf, dass das neue System bei weitem nicht so sicher ist, wie Microsoft es verkaufen möchte. Seitdem beschäftigt mich eine Frage, die nicht direkt etwas damit zu tun hat, aber durchaus relevant ist: Wie anfällig sind Apps aus dem Windows Store eigentlich für eine Rechteausweitung bzw. eine Privilege Escalation?

In einem Livestream, den das Windows Insider Team während des vergangenen Bug Bash auf Mixer veranstaltet hat, hat Jason Howard, einer der Hauptverantwortlichen neben Dona Sarkar, einen eigentlich total banalen und doch sehr interessanten Satz gesagt: Apps aus dem Windows Store sind eigentlich nichts anderes als portable Programme, die in eine Sandbox gesperrt und als .appx dann ausführbar gemacht werden. Ich möchte mich in dem Punkt nicht als Experte aufspielen, denn ich habe selber noch keine App in den Store gebracht und andere wissen das auch sicherlich besser als ich (korrigiert mich gerne, wenn ich falsch liege). Denke ich diesen Satz aber weiter und behalte mal im Hinterkopf, dass auch Universal Apps nur stinknormale Software sind, dann ist ein Angriff über eine Rechteausweitung und theoretisch eine Übernahme des Gesamtsystems trotzdem möglich. Aus Sandboxen kann man bekanntlich trotz bester Isolation ausbrechen und dass selbst ein vernichtender Ausbruch unter Einbeziehung einer virtuellen Maschine möglich ist, hat nicht zuletzt der sensationelle Dreifach-Hack bewiesen, den Qihoo 360 im Rahmen des letzten Pwn2own-Wettbewerbs gezeigt hat.

UWP als totes Pferd

Brad Sams hat es in einem seiner letzten Sams Reports eigentlich sehr gut auf den Punkt gebracht: Spätestens mit der Strategie von Spotify kann man die Universal Windows Platform in ihrer usprünglichen Ausrichtung für tot erklären. Einerseits fehlen auf breiter Front einfach die notwendigen Plattformen, um die Entwicklung richtiger Universal Apps (damit meine ich Facebook, Twitter etc., keine Portierungen wie Inkscape mittels Project Centennial) zu rechtfertigen. Andererseits darf man mittlerweile auch die Frage stellen, inwiefern Microsoft überhaupt noch auf die alte UWP-Plattform angewiesen ist. Auf der Build 2017 hat man mit neuen Features wie Windows Timeline ohnehin gezeigt, dass die neue Strategie lautet, iOS und Android im Auge der (bitteren…) Realität näher an Windows 10 zu binden und die Zusammenarbeit damit deutlich zu verbessern. Hierfür hat Microsoft mit der Xamarin-Plattform und dem Project Rome SDK ohnehin die besseren Mittel und im Rahmen des unter der Federführung von Xamarin stehenden Mono-Projekts wird nun auch daran gearbeitet, über WebAssembly auch Webanwendungen zu versorgen. Theoretisch würde also die (vorübergehende) Erhaltung einer Basisstruktur, die mittelfristig komplett von Xamarin und Co. abgelöst wird, komplett ausreichen.

Am Wochenende bin ich, weil ich aktuell mal wieder mein Setup überdenke, einfach mal durchgegangen, wie und in welcher Form ich die klassischen Universal Apps heute noch einsetze. Normalerweise bin ich ohnehin jemand, der auch aufgrund der Nähe zu Mozilla schon immer eine Kombination aus leistungsstarker Software und der freien Webplattform (inkl. ausgesuchten Clouddiensten) bevorzugt hat, aber in einem früheren Beitrag auf dem alten CMS schrieb ich auch mal, dass ich in einzelnen Szenarien wie den Benachrichtigungen durchaus Möglichkeiten für mich gefunden habe, sie in meinen Arbeitsablauf zu integrieren. Auch heute noch habe ich diverse Apps installiert und einzelne wie den Kalender oder Fotos benutze ich weiterhin Hand in Hand mit klassischen Programmen, aber in den meisten Fällen sieht es mittlerweile so aus, dass die Bedeutung auf Live Tiles und Benachrichtungen zusammengeschrumpft ist und ich auch von den Portierungen mittels Project Centennial in der Regel keinen Gebrauch mache.

Letzten Endes war das Ergebnis für mich außerdem, dass ich einige Sachen nun auch komplett von Microsoft abgezogen habe/abziehen werde und in Zukunft auf andere Lösungen setzen werde. Windows 10 ist für mich immer noch das beste Betriebssystem und in meinen Augen macht Microsoft in vielen Punkten auch immer noch (relativ) viel richtig, aber in manchen Punkten wie bei Edge, Cortana oder diversen anderen Sachen ist der Geduldsfaden bei mir einfach endgültig gerissen.

Wie seht ihr das? Wenn ihr bei Windows 10 komplett auf den Store setzt, bevorzugt ihr eigentlich klassische Universal Apps oder überwiegen bei euch auch mittlerweile Portierungen von Project Centennial? Und inwiefern bindet ihr auch klassische Webapps wieder in euren Arbeitsablauf mit ein?

Über den Autor

Kevin Kozuszek

Kevin Kozuszek

Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und der Entwicklerplattform zu berichten hat. Regelmäßige News zu Mozilla und meinem digitalen Alltag sind auch dabei.

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