Wie groß – oder klein – ist Microsofts Cloud-Geschäft wirklich?

Wenn Microsoft öffentlich spricht, dann über drei Themen: Cloud, Cloud und nochmal Cloud. So ist das seit Jahren, es gibt für die Redmonder scheinbar kein anderes Thema mehr. Auch als man jüngst wieder erfreuliche Geschäftszahlen vorlegte, die an der Börse einen Jubel- und Kurssprung auslösten, war damit eine klare Botschaft verbunden: Das haben wir alles nur der Cloud zu verdanken.
Doch wie groß ist dieses Cloud-Geschäft wirklich? Das ist schwer zu sagen, weil Microsoft zwar ein prozentuales Wachstum für seine Cloud-Dienste ausweist, aber keinen Umsatz. Der ist einer von drei Bausteinen im Geschäftsbereich „Intelligent Cloud“, zu dem auch die (Windows-)Server-Produkte und die „Enterprise Services“ gehören, von denen man gar nicht so genau weiß, was sie sind (Office 365 zählt hier nicht dazu).
Der Bereich „Intelligent Cloud“ machte im 3. Quartal des aktuellen Fiskaljahres 9,7 Milliarden Dollar Umsatz, ein Plus von 1,8 Milliarden gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dieser Zuwachs setzt sich zusammen aus 29 Prozent Wachstum bei den Server-Produkten, 5 Prozent bei den Enterprise-Services und 75 Prozent Zuwachs bei Azure – das sind alles Zahlen, die Microsoft öffentlich kommuniziert.
Verteilt man diese prozentualen Zuwächse anteilig auf die ausgewiesenen Prozentzahlen, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die 75 Prozent Azure-Wachstum ungefähr 1,24 Milliarden Dollar entsprechen. Daraus kann man sich nun sowohl die Zahl des Vorjahres als auch die aktuelle ableiten. Basierend auf den Werten, die Microsoft selbst offiziell kommuniziert, ist das Cloud-Business von 1,65 Milliarden Dollar im Vorjahr auf jetzt rund 2,9 Milliarden Dollar gewachsen. Der Gesamtumsatz von Microsoft im letzten Quartal lag bei 30,6 Milliarden – alles Cloud, oder etwa doch nicht?
Wer meinen Rechenkünsten nicht vertraut, der darf einen Blick auf eine aktuelle Statistik von Canalys werfen. Die bescheinigen Microsoft ein Cloud-Wachstum von 1,9 Milliarden im Vorjahr auf jetzt 3,4 Milliarden. Ins Verhältnis zum Gesamt-Umsatz gesetzt, liegt das gar nicht so weit auseinander, in beiden Fällen lässt sich daraus eine pauschale Aussage ableiten: Microsoft macht rund ein Zehntel seines Umsatzes mit dem Geschäft, von dem sie neun Zehntel ihrer Zeit sprechen.
Canalys vergleicht außerdem die drei großen Cloud-Anbieter Amazon, Microsoft und Google. Hier kann man sehen, dass Amazon trotz kleinerem prozentuellem Wachstum seinen Umsatz-Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern noch vergrößert hat. Gleiches gilt für Microsoft und Google. Obwohl Google prozentual am stärksten gewachsen ist, hat sich der Umsatz-Rückstand sowohl auf Microsoft als auch auf Amazon vergrößert.
Wer jetzt denkt, dass ich diesen Artikel geschrieben habe, um damit aufzuzeigen, dass Microsoft mit seinem Cloud-Fokus auf dem Holzweg sei, den muss ich allerdings enttäuschen. Rechnet man die aktuellen Zahlen der drei großen Anbieter zusammen, kommt man auf ein Gesamt-Jahresvolumen von 53 Milliarden Dollar. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Cloud-Industrie nach wie vor noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung steht und dieser Markt mittelfristig die Billionen-Marke anvisiert. Wer da gut aufgestellt ist, wird so viel Geld verdienen wie niemals zuvor. Dass Microsoft also alles in seiner Macht Stehende tut, um gut aufgestellt zu sein, ist nur allzu verständlich.
Was Leute wie mich, die sich eher für die Technologie interessieren, die sich direkt an Menschen richtet, an Microsofts aktuellem Kurs missfällt, ist ja nicht, dass sie das in der Cloud liegende Potenzial heben wollen. Es stört mich, dass sie auf dem besten Weg sind, die Zielgruppe „Mensch“ komplett hinter sich zu lassen – egal ob Consumer oder kleiner Business-Kunde. Aktuell scheinen für Microsoft nur Großkunden interessant zu sein. Der Geschäftsbereich „More Personal Computing“, zu dem auch Windows gehört, ist nach wie vor der größte Umsatzbringer für Microsoft, hat im Vorstand aber weder Sitz noch Stimme. Das kann und will ich nicht verstehen, und darum finde ich, dass ruhig jeder wissen sollte, wie klein Microsofts Cloud-Geschäft absolut gesehen tatsächlich noch ist. Sie sind noch lange nicht der Riese, der sie vorgeben zu sein.
Thema:
- Microsoft
Über den Autor

Martin Geuß
Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!