Windows 10: Was bringt der Beta Channel im verflixten letzten Jahr?
Morgen ist bekanntlich wieder der allmonatliche Patch Tuesday und damit rückt auch das letzte offizielle Jahr von Windows 10 immer näher, bevor im November 2025 der erste Patch Tuesday im – bis jetzt jedenfalls – geplanten ESU-Programm für normale Endkunden anstehen wird. Während ich bereits vor einigen Monaten gefragt habe, ob sich neue Funktionen für Windows 10 noch lohnen, haben wir mit der Wiedereröffnung des Beta Channels für Windows Insider unter Windows 10 nun eine neue Situation.
In der entsprechenden Ankündigung aus dem Juni sprechen die Redmonder von aktiver Entwicklung neuer Funktionen sowie dem Controlled Feature Rollout als Methode der Wahl für die meisten Neuerungen. Klar werden dabei zwei Sachen. Erstens: Microsoft muss eine größere Idee verfolgen, denn für die Portierung kleinerer Funktionen aus Windows 11 reichte der Release Preview Channel bisher völlig aus.
Zweitens: Da sich das CFR-Verfahren bei jeder Funktion über mehrere Wochen und Monate erstreckt, baut sich zunehmender Zeitdruck auf, je näher das ESU-Programm rückt. Hier werden bekanntlich nur kritische oder wichtige Sicherheitsupdates veröffentlicht. Neue Funktionen sowie regelmäßige Bugfixes sind ausdrücklich nicht mehr vorgesehen. Sowas lohnt sich also nur, wenn beim normalen Supportende im Oktober 2025 noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde.
Unabhängig davon hat Microsoft mit seiner KI-Offensive auch für zusätzliche Spannungen gesorgt, die die verantwortlichen Entwickler für Windows nun abbauen und in den Griff kriegen müssen. In den vergangenen Jahren ging es nur darum, die parallele Pflege von Windows 10 so einfach wie möglich zu machen, während der Fokus eindeutig auf Windows 11 gelegt wurde. Nun stecken die Redmonder in dem Dilemma, dass eigentlich drei Benutzergruppen gleichzeitig versorgt werden müssen.
- Windows 10: Hierbei geht es um die Bestandssysteme, die nicht auf Windows 11 upgraden können. Letztlich würde vor allem diese Gruppe von der aktiven Entwicklung neuer Funktionen profitieren und hier wird es am Ende auch um die kritische Masse gehen, ob sich dessen Entwicklung noch lohnt und ob es eine kostenlose Verlängerung beim Support geben muss.
- Windows 11 Bestandssysteme: Neben den regulären Bestandssystemen, die bereits im Einsatz sind, wird diese Gruppe sich zusätzlich um die Windows 10-Rechner vergrößern, die von den offiziellen Mindestanforderungen ebenfalls Windows 11 ausführen können und von Microsoft zu gegebener Zeit automatisch ein Upgrade bekommen werden. Gleichzeitig hat diese Gruppe den Nachteil, dass sie höchstens im Ausnahmefall über eine NPU verfügen und in den allermeisten Fällen nur begrenzt von neuen KI-Funktionen profitieren können.
- Windows 11 KI-Systeme: Das ist die Kernzielgruppe, die Microsoft letztlich umschmeicheln und ab Version 24H2 von Windows 11 auch den Fokus legen will. Momentan machen ARM-basierte Geräte den Anfang, irgendwann werden auch klassische x86-Systeme von Intel und AMD nachziehen.
Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz ist die große Wette auf die eigene Zukunft, die Microsoft eingegangen ist und in die sie extrem viele Ressourcen pumpen. Die bestehenden Systeme mit Windows 11 entfalten hier eine unnötige Bremswirkung und werden in der aktuellen Ausrichtung des Unternehmens ähnlich lästig, wie es Windows 10 bei der Vorstellung von Windows 11 geworden ist. Es macht also Sinn, bei beiden kritischen Massen der Bestandssysteme von Windows 10 und Windows 11 nach Möglichkeiten zu suchen, Synergien zu generieren und die Sache weiter zu vereinfachen.
Ein Problem ist allerdings, dass die Möglichkeiten zum Einsparen von Ressourcen eigentlich weitgehend erschöpft sind und in erster Linie noch Bestandssysteme mit Windows 10 profitieren würden, weil sie einfach so neue Funktionen von Windows 11 bekommen, was den Anreiz, sich eine neuen Rechner mit Windows 11 zu kaufen, eigentlich senkt. Der wichtigste Ansatzpunkt beträfe noch die Portierung der neuen Versionen von Notepad, Paint und dem Snipping Tool sowie allerlei kleine Erweiterungen wie bei den Fokussitzungen. Alles andere wäre mehr oder weniger Bonus für bestehende Windows 10-Nutzer, die nicht upgraden können.
Ein anderer Aspekt könnte dafür deutlich stärker zum Tragen kommen: Sicherheit. Es ist kein Geheimnis, dass Microsoft in den vergangenen Monaten hier einen erheblichen Nachholbedarf eingestanden und als Priorität gegenüber neuen Funktionen erhoben hat. Gut möglich also, dass mit dem Beta Channel hier nach Wegen gesucht werden soll, Windows 10 vor dem Start des ESU-Programms nochmal besser abzusichern.
Theoretisch gibt es hier sogar eine böse Stolperfalle, die Microsoft tatsächlich noch nutzen könnte. Der Einbau von TPM 2.0 für OEMs wurde, wenn sie eine entsprechende Zertifizierung wollten, mit Version 1607 von Windows 10 (Anniversary Update) im Jahr 2016 verpflichtend und so gibt es heute Bestandssysteme, die zwar TPM 2.0 besitzen, aber nicht auf Windows 11 upgraden können. Dass Microsoft diese Möglichkeit tatsächlich zieht und die Zahl der Windows 10-Nutzer nochmal spaltet, dürfte aber eher unwahrscheinlich sein.
Was auch immer sie planen, die Uhr tickt jedenfalls dem Supportende unaufhaltsam entgegen und der Sinn, noch weitere Funktionen für bestehende Windows 10-Nutzer auszurollen, wird weiter schwinden. Einen möglichen Ausweg könnte eine kostenlose Verlängerung des Supports um 15 Monate bis zum Januar 2027 darstellen. Dann endet auch die Unterstützung für Windows 10 Enterprise LTSC 2021, die ebenfalls auf der Build 1904x.x aufbaut und womit der Aufwand für die Entwickler bei einer Vereinheitlichung eher gering wäre.
Themen:
- Windows 10
- Windows 11
Über den Autor
Kevin Kozuszek
Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und der Entwicklerplattform zu berichten hat. Regelmäßige News zu Mozilla und meinem digitalen Alltag sind auch dabei.