WinGet: Microsoft soll Package Manager von AppGet gestohlen haben
Auf der BUILD 2020, welche in der vergangenen Woche als virtuelles Event stattgefunden hat, hatte Microsoft wieder zahlreiche Ankündigungen und Neuerungen für Entwickler vorgestellt, die neben Produkten wie Microsoft Edge und den PowerToys auch verschiedene Werkzeuge für die Kommandozeile betrafen. Das Windows Terminal erreichte die Version 1.0, es wurden zusätzliche Fähigkeiten für WSL 2 verkündet und mit WinGet wurde ein neuer Paketmanager für Windows angekündigt, welcher auf dem AppInstaller von Windows 10 aufbauen wird und bis Mai 2021 die Version 1.0 erreichen soll.
Mit dem neuen Paketmanager kommen Microsoft jetzt auch neue Probleme ins Haus. Keivan Belgi, der Entwickler hinter dem Paketmanager AppGet, machte seinem Ärger jetzt in Form eines eigenen Blogbeitrags Luft und erhebt dabei schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen aus Redmond. Nach seiner Darstellung wurde er im Juli 2019 von Microsoft kontaktiert, um mehr über sein Projekt AppGet zu erfahren, was seiner Meinung nach an den bisherigen Paketmanagern von Windows mangelhaft war und was man verbessern könnte. Nach einiger Zeit wurde ihm angeboten, für Microsoft im Rahmen eines Acqui-Hires zu arbeiten, d.h. er würde für die Weiterentwicklung an AppGet bezahlt und Microsoft würde später entscheiden, ob das Projekt umbenannt wird.
Am 5. Dezember 2019 hatte Belgi ein Vorstellungsgespräch bei Microsoft, wobei man ihm gleich sagte, dass es bis zu einer Einstellung monatelang dauern könnte, auch wenn man ihm unter gewissen Umständen ein beschleunigtes Verfahren zusichern könnte. Seitdem zogen etliche Monate ins Land, sodass er erst am Vorabend der BUILD wieder von Microsoft hörte und eine Absage kassierte. AppGet sollte neben anderen Paketmanagern aber bei der Ankündigung von WinGet erwähnt werden. Nachdem er die Repositories zu WinGet auf GitHub näher untersucht und verglichen hat, stellte Belgi aber fest, dass es sich dabei in fast allen Punkten wie der Kernmechanik, der Struktur und den Manifestformaten um eine Kopie seines eigenen Paketmanagers handelte. Kurzum: Microsoft hätte, sollte das stimmen, richtig großen Mist gebaut.
Was ist also davon zu halten?
Dass Microsoft seine Fühler nach anderen OpenSource-Projekten ausstreckt, um die eigenen Produkte weiter zu verbessern, wissen wir, das ist unter anderem durch die PowerToys belegt. Der dortige Launcher PowerToys Run baut im Wesentlichen auf dem Wox-Launcher sowie dem WindowWalker-Projekt auf, wobei die Wiederverwendung des Quellcodes hier sauber gelaufen ist. Der Wox-Launcher und WindowWalker stehen beide unter der MIT-Lizenz, das Gleiche gilt für das Microsoft-Projekt.
Bei WinGet sieht die Sachlage etwas anders aus. Der neue Paketmanager wird in seinem Repository nicht als Fork ausgewiesen, sondern steht als Eigenentwicklung unter der MIT-Lizenz zur Verfügung. AppGet selbst baut auf der Apache License 2.0 auf. Beide Lizenzen sind zueinander kompatibel, insofern wäre eine Übernahme von Code grundsätzlich erstmal kein großes Problem, wenn man die Bedingungen der jeweiligen Lizenz auch einhält. Ob Microsoft hier also tatsächlich eine Grenze im juristischen Sinne überschritten hat, was die Entwicklung von quelloffener Software betrifft, ist sicherlich streitbar. Der Umgang mit Keivan Belgi als Entwickler, wobei man AppGet als maßgebliche Inspirationsquelle so abledert und dann auch noch quasi 1:1 seine Ideen so übernimmt, ist aber zumindest moralisch sehr fragwürdig, sollten die Vorwürfe wie gesagt auch zutreffen.
Man darf eine Sache nicht vergessen: Microsoft hatte sich schon mit der Ankündigung von .NET MAUI ziemlich in die Nesseln gesetzt und den Zorn diverser KDE-naher Entwickler aus dem entsprechenden Projekt auf sich gezogen. Wie wir durch einen Bericht von Linuxnews mittlerweile wissen, ist die Wortmarke zumindest in der Europäischen Union bereits seit 2014 durch den Unternehmer Clemens Tönnies Jr. geschützt. Dem gehört unter anderem das Unternehmen Blue Systems, das auch etliche KDE-Projekte unterstützt und diverse KDE-Entwickler beschäftigt. Der Schnitzer mag von Microsofts Rechtsabteilung vielleicht keine böse Absicht gewesen sein, aber es ist zusammen mit anderen Ankündigungen wie der Portierung von DirectX12 und der GUI-Unterstützung für WSL 2, was beides ebenfalls für entsprechende Reaktionen in der Linux-Community gesorgt hat, wieder Wasser auf die Mühlen der Kritiker und Skeptiker, die immer noch der Zeit der Halloween Papers („embrace, extend, extinguish“) nachhängen und hinter Microsoft weiterhin das rücksichtslose Unternehmen von einst vermuten, was es vor Satya Nadella ja oft auch war.
Ich will das persönlich nicht weiter beurteilen, zumal Microsoft mit Leuten wie Miguel de Icaza absolute Vollprofis aus dem Umfeld von freier und quelloffener Software in seinen Reihen hat und ich auch sehr oft Livestreams, Talks und Podcast sehe/höre, wo verschiedene Microsoft-Größen wie Scott Hanselman, Immo Landwerth, Jeffrey T. Fritz und James Montemagno sehr offen und nahe an der Community über die OpenSource-Entwicklung sprechen. Trotzdem sollten sie in Redmond schleunigst in die Puschen kommen und schon im eigenen Interesse die Sache mit .NET MAUI und AppGet aufklären. OpenSource ist in der heutigen Welt das vorherrschende Entwicklungsmodell, bei dem auch die Großen der Branche bei Technologien wie Chromium oder Kubernetes eng zusammenarbeiten, und bei dem Ruf, der Microsoft durch die Zeit von Bill Gates und Steve Ballmer vorauseilte, und der zentralen Position, die sie sich unter anderem durch die Übernahmen von npm und GitHub sowie der Entwicklung von Visual Studio Code erarbeitet haben, haben sie unter Umständen eine ganze Menge Vertrauen zu verlieren.
- Quelle: Thurrott.com
- Via: Keivan Belgi
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Über den Autor
Kevin Kozuszek
Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und der Entwicklerplattform zu berichten hat. Regelmäßige News zu Mozilla und meinem digitalen Alltag sind auch dabei.